Hieauf folgen die Rechte, welche die Freyen sich selbst gesetzet haben, und mein Mann nur bestätigt hat. Ich will auch hievon einige anführen. Was die Braut oder der Bräutigam in einen Hof bringt, fällt nie wieder zurück. Der überlebende Ehegatte hat den Nießbrauch des ganzen Hofes, und verliert ihn, so bald er sich wieder verheyra- thet. Doch kann mein Mann als Schirmherr ihnen ge- wisse Jahre geben, wenn die Kinder erster Ehe noch min- derjährig sind. Dieses geschieht nach dem Gutachten der drey ältesten Freyen, und gegen eine vorherbestellete Si- cherheit, daß der Hof in diesen Jahren nicht verschlimmert werden solle. Sind aber keine Kinder vorhanden: so muß der fremd eingekommene Theil, welcher zur andern Ehe schreitet, den Hof und das Hofgewehr dem nächsten Erben räumen, was darüber ist, mag er mitnehmen, und wenn hierüber Streit entsteht, entscheiden ihn die Schiedsmän- ner. Der letzte Wille einer kranken Person gilt für nichts, wenn auch ein Notarius die Gesundheit des Gemüths noch so deutlich erkannt hätte. Verlassungen und Vermächtnisse können nicht anders als bey gesunden Tagen in Person un- ter der Eiche und vor gehegten Freyhofe geschehen. Das jüngste Kind erbt, damit die ältern aus dem Neste sind, wenn der Erbe wieder brüten will; und wenn diesen sein Erbrecht genommen werden soll, müssen die Ursachen, wel- che den Vater dazu bewegen, von den zwölf ältesten Freyen unter der Eiche gebilligt seyn.
Die abgehenden Söhne erhalten Kost und Kleidung in ihrem elterlichen Hause bis ins 21 Jahr; und dann bekom- men sie zur Aussteuer sechs Hemde, ein vollständiges Kleid, und ein Malter Korn. Giebt ihnen der Vater mehr: so ist es sein freyer Wille, der Sohn aber kann es mit Recht nicht fordern. Die Töchter hingegen, welche bis in ihr 18 Jahr in dem elterlichen Hause frey unterhalten werden, be-
kom-
wegen Freylaſſung ihrer Einbehoͤrigen.
Hieauf folgen die Rechte, welche die Freyen ſich ſelbſt geſetzet haben, und mein Mann nur beſtaͤtigt hat. Ich will auch hievon einige anfuͤhren. Was die Braut oder der Braͤutigam in einen Hof bringt, faͤllt nie wieder zuruͤck. Der uͤberlebende Ehegatte hat den Nießbrauch des ganzen Hofes, und verliert ihn, ſo bald er ſich wieder verheyra- thet. Doch kann mein Mann als Schirmherr ihnen ge- wiſſe Jahre geben, wenn die Kinder erſter Ehe noch min- derjaͤhrig ſind. Dieſes geſchieht nach dem Gutachten der drey aͤlteſten Freyen, und gegen eine vorherbeſtellete Si- cherheit, daß der Hof in dieſen Jahren nicht verſchlimmert werden ſolle. Sind aber keine Kinder vorhanden: ſo muß der fremd eingekommene Theil, welcher zur andern Ehe ſchreitet, den Hof und das Hofgewehr dem naͤchſten Erben raͤumen, was daruͤber iſt, mag er mitnehmen, und wenn hieruͤber Streit entſteht, entſcheiden ihn die Schiedsmaͤn- ner. Der letzte Wille einer kranken Perſon gilt fuͤr nichts, wenn auch ein Notarius die Geſundheit des Gemuͤths noch ſo deutlich erkannt haͤtte. Verlaſſungen und Vermaͤchtniſſe koͤnnen nicht anders als bey geſunden Tagen in Perſon un- ter der Eiche und vor gehegten Freyhofe geſchehen. Das juͤngſte Kind erbt, damit die aͤltern aus dem Neſte ſind, wenn der Erbe wieder bruͤten will; und wenn dieſen ſein Erbrecht genommen werden ſoll, muͤſſen die Urſachen, wel- che den Vater dazu bewegen, von den zwoͤlf aͤlteſten Freyen unter der Eiche gebilligt ſeyn.
Die abgehenden Soͤhne erhalten Koſt und Kleidung in ihrem elterlichen Hauſe bis ins 21 Jahr; und dann bekom- men ſie zur Ausſteuer ſechs Hemde, ein vollſtaͤndiges Kleid, und ein Malter Korn. Giebt ihnen der Vater mehr: ſo iſt es ſein freyer Wille, der Sohn aber kann es mit Recht nicht fordern. Die Toͤchter hingegen, welche bis in ihr 18 Jahr in dem elterlichen Hauſe frey unterhalten werden, be-
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wegen Freylaſſung ihrer Einbehoͤrigen.
Hieauf folgen die Rechte, welche die Freyen ſich ſelbſt
geſetzet haben, und mein Mann nur beſtaͤtigt hat. Ich will
auch hievon einige anfuͤhren. Was die Braut oder der
Braͤutigam in einen Hof bringt, faͤllt nie wieder zuruͤck.
Der uͤberlebende Ehegatte hat den Nießbrauch des ganzen
Hofes, und verliert ihn, ſo bald er ſich wieder verheyra-
thet. Doch kann mein Mann als Schirmherr ihnen ge-
wiſſe Jahre geben, wenn die Kinder erſter Ehe noch min-
derjaͤhrig ſind. Dieſes geſchieht nach dem Gutachten der
drey aͤlteſten Freyen, und gegen eine vorherbeſtellete Si-
cherheit, daß der Hof in dieſen Jahren nicht verſchlimmert
werden ſolle. Sind aber keine Kinder vorhanden: ſo muß
der fremd eingekommene Theil, welcher zur andern Ehe
ſchreitet, den Hof und das Hofgewehr dem naͤchſten Erben
raͤumen, was daruͤber iſt, mag er mitnehmen, und wenn
hieruͤber Streit entſteht, entſcheiden ihn die Schiedsmaͤn-
ner. Der letzte Wille einer kranken Perſon gilt fuͤr nichts,
wenn auch ein Notarius die Geſundheit des Gemuͤths noch
ſo deutlich erkannt haͤtte. Verlaſſungen und Vermaͤchtniſſe
koͤnnen nicht anders als bey geſunden Tagen in Perſon un-
ter der Eiche und vor gehegten Freyhofe geſchehen. Das
juͤngſte Kind erbt, damit die aͤltern aus dem Neſte ſind,
wenn der Erbe wieder bruͤten will; und wenn dieſen ſein
Erbrecht genommen werden ſoll, muͤſſen die Urſachen, wel-
che den Vater dazu bewegen, von den zwoͤlf aͤlteſten Freyen
unter der Eiche gebilligt ſeyn.
Die abgehenden Soͤhne erhalten Koſt und Kleidung in
ihrem elterlichen Hauſe bis ins 21 Jahr; und dann bekom-
men ſie zur Ausſteuer ſechs Hemde, ein vollſtaͤndiges Kleid,
und ein Malter Korn. Giebt ihnen der Vater mehr: ſo
iſt es ſein freyer Wille, der Sohn aber kann es mit Recht
nicht fordern. Die Toͤchter hingegen, welche bis in ihr 18
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/251>, abgerufen am 29.11.2024.
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