hältniß des freyen Ueberschusses, welchen der Erbpächter behält, angelegt werden.
Um mich deutlicher zu erklären, will ich den Fall setzen, daß zwey ganze Actionisten, wovon jeder von seiner Land- actie jährlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen sollen. Wie soll hier die Anlage gemacht werden? Sollen sie beyde gleich, oder soll der Freye doppelt so viel als der Schuldner, bey- tragen? Im ersten Fall kann es der Compagnie zur Noth gleichgültig seyn, ob der letztere viel oder wenig Pächte übernehme. Sie hält sich an die Actie und läßt die Pacht nicht folgen, wenn die gemeinen Beschwerden es nicht ge- statten. Im andern Falle aber widersetzt sie sich der will- kührlichen Verpachtung, und findet den Willen des Päch- ters und Verpächters nicht hinlänglich, um der Compagnie den Werth der halben Actie oder doch wenigstens ihre ein- heimische Sicherheit zu entziehen.
Noch weiter; der Verpächter hat insgemein seinen An- theil an dem Directorium, der Erbpächter aber nicht. Gesetzt nun, jener könne seine Pacht rein weg ziehen, und dieses geschieht so oft die Pächte bey der Anlage der gemei- nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieser aber müsse sich alles gefallen lassen, was ein solches Directorium be- williget: so ist die Erbpacht ein solcher Contrakt, wodurch sich der Pächter der Willkühr des Verpächters unterwirft, und diesem fehlt es an einer gesetzmäßigen Verbindlichkeit; sie ist ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren hat, die Handlung treibt, und derjenige, der für alles ste- hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den letzten Grund aller bürgerlichen Freyheit aufhebt, und wenn er gleich in der That nicht gefährlich seyn sollte, den-
noch
Der Bauerhof,
haͤltniß des freyen Ueberſchuſſes, welchen der Erbpaͤchter behaͤlt, angelegt werden.
Um mich deutlicher zu erklaͤren, will ich den Fall ſetzen, daß zwey ganze Actioniſten, wovon jeder von ſeiner Land- actie jaͤhrlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen ſollen. Wie ſoll hier die Anlage gemacht werden? Sollen ſie beyde gleich, oder ſoll der Freye doppelt ſo viel als der Schuldner, bey- tragen? Im erſten Fall kann es der Compagnie zur Noth gleichguͤltig ſeyn, ob der letztere viel oder wenig Paͤchte uͤbernehme. Sie haͤlt ſich an die Actie und laͤßt die Pacht nicht folgen, wenn die gemeinen Beſchwerden es nicht ge- ſtatten. Im andern Falle aber widerſetzt ſie ſich der will- kuͤhrlichen Verpachtung, und findet den Willen des Paͤch- ters und Verpaͤchters nicht hinlaͤnglich, um der Compagnie den Werth der halben Actie oder doch wenigſtens ihre ein- heimiſche Sicherheit zu entziehen.
Noch weiter; der Verpaͤchter hat insgemein ſeinen An- theil an dem Directorium, der Erbpaͤchter aber nicht. Geſetzt nun, jener koͤnne ſeine Pacht rein weg ziehen, und dieſes geſchieht ſo oft die Paͤchte bey der Anlage der gemei- nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieſer aber muͤſſe ſich alles gefallen laſſen, was ein ſolches Directorium be- williget: ſo iſt die Erbpacht ein ſolcher Contrakt, wodurch ſich der Paͤchter der Willkuͤhr des Verpaͤchters unterwirft, und dieſem fehlt es an einer geſetzmaͤßigen Verbindlichkeit; ſie iſt ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren hat, die Handlung treibt, und derjenige, der fuͤr alles ſte- hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den letzten Grund aller buͤrgerlichen Freyheit aufhebt, und wenn er gleich in der That nicht gefaͤhrlich ſeyn ſollte, den-
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[310/0324]
Der Bauerhof,
haͤltniß des freyen Ueberſchuſſes, welchen der Erbpaͤchter
behaͤlt, angelegt werden.
Um mich deutlicher zu erklaͤren, will ich den Fall ſetzen,
daß zwey ganze Actioniſten, wovon jeder von ſeiner Land-
actie jaͤhrlich hundert Thaler einzunehmen, der eine aber
funfzig Thaler Pacht, der andre hingegen nichts abzugeben
hat, zu einer gemeinen Ausgabe beytragen ſollen. Wie ſoll
hier die Anlage gemacht werden? Sollen ſie beyde gleich,
oder ſoll der Freye doppelt ſo viel als der Schuldner, bey-
tragen? Im erſten Fall kann es der Compagnie zur Noth
gleichguͤltig ſeyn, ob der letztere viel oder wenig Paͤchte
uͤbernehme. Sie haͤlt ſich an die Actie und laͤßt die Pacht
nicht folgen, wenn die gemeinen Beſchwerden es nicht ge-
ſtatten. Im andern Falle aber widerſetzt ſie ſich der will-
kuͤhrlichen Verpachtung, und findet den Willen des Paͤch-
ters und Verpaͤchters nicht hinlaͤnglich, um der Compagnie
den Werth der halben Actie oder doch wenigſtens ihre ein-
heimiſche Sicherheit zu entziehen.
Noch weiter; der Verpaͤchter hat insgemein ſeinen An-
theil an dem Directorium, der Erbpaͤchter aber nicht.
Geſetzt nun, jener koͤnne ſeine Pacht rein weg ziehen, und
dieſes geſchieht ſo oft die Paͤchte bey der Anlage der gemei-
nen Ausgaben vorabgezogen werden; dieſer aber muͤſſe
ſich alles gefallen laſſen, was ein ſolches Directorium be-
williget: ſo iſt die Erbpacht ein ſolcher Contrakt, wodurch
ſich der Paͤchter der Willkuͤhr des Verpaͤchters unterwirft,
und dieſem fehlt es an einer geſetzmaͤßigen Verbindlichkeit;
ſie iſt ein Contrakt, wo derjenige, der nichts zu verlieren
hat, die Handlung treibt, und derjenige, der fuͤr alles ſte-
hen muß, gar nichts zu handeln hat, ein Contrakt der den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/324>, abgerufen am 24.11.2024.
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