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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die Politik im Unglück.
mir, so machen sie sich keinen Schimpf daraus, zu Fuße
und auch wohl ein bisgen durch den Koth zu gehen, wenn
es nicht anders seyn kann; bleibt irgend ein Schuh stecken,
nun so verstehts sich, man geht sodann im Strumpfe, be-
sonders wenn es kein Wetter ist, sich lange zu verweilen.
Unterwegens erzählen sie denn allen die ihnen begegnen, ihr
kleines Unglück, damit die Leute nicht glauben mögen, sie
wären von den Leuten, die zu Fusse reiseten; sagen auch wohl
zu sich selbst, daß sie dieses nur um deswillen thäten, da-
mit man sie nicht für eine Landstreicherin ansehen mögte,
die irgendwo mit einem Schuhe flüchten müßen: denn man
will doch in seinen eignen Augen nicht gern eitel scheinen;
und wenn Sie diese kleine Ceremonie mit sich und andern be-
obachtet haben: so schämen Sie sich ihres Zustandes, wenn
Sie in einem Schuhe zu Fuße gehen, nicht weiter. Die-
ses ist nun gerade mein Fall auch; nur mit dem Unterschiede,
daß meine Reise zu Fuße vielleicht etwas länger ist, und
besonders, daß ich die eitle Erzählung sparen kann. Die
ganze Stadt weiß meinen Fall; habe ich ihn verdient: so
muß ich mich bessern, wo ich nicht im Kothe stecken bleiben
will; und habe ich ihn nicht verdient, so muß ich auch lau-
fen, daß ich aufs Trockne komme. In beyden Fällen thut
meine Aufführung dasjenige, was ihre kleine Erzählung
thut. Sie sagt den Leuten, zu welchen alle ich nicht selbst
gehen mögte, daß ich nicht als eine Landstreicherin zu Fuße
gehe. Meine Einschränkung bis aufs Nothwendigste hat
die Würkung, daß mich niemand flieht, weil niemand be-
sorgen darf, daß ich etwas von ihm bitten oder borgen will.
Je mehr ich in meinen Handlungen, Klugheit und Entschlos-
senheit zeige, desto größer ist das Vertrauen, was ich mir
erwerbe, und die Achtung, die ich auf diese Weise erlange,
hält mich für die Bewunderung schadlos, die man ehedem
meinem Aufzuge weihte. Ein bisgen Koketterie läuft hier

vielleicht

Die Politik im Ungluͤck.
mir, ſo machen ſie ſich keinen Schimpf daraus, zu Fuße
und auch wohl ein bisgen durch den Koth zu gehen, wenn
es nicht anders ſeyn kann; bleibt irgend ein Schuh ſtecken,
nun ſo verſtehts ſich, man geht ſodann im Strumpfe, be-
ſonders wenn es kein Wetter iſt, ſich lange zu verweilen.
Unterwegens erzaͤhlen ſie denn allen die ihnen begegnen, ihr
kleines Ungluͤck, damit die Leute nicht glauben moͤgen, ſie
waͤren von den Leuten, die zu Fuſſe reiſeten; ſagen auch wohl
zu ſich ſelbſt, daß ſie dieſes nur um deswillen thaͤten, da-
mit man ſie nicht fuͤr eine Landſtreicherin anſehen moͤgte,
die irgendwo mit einem Schuhe fluͤchten muͤßen: denn man
will doch in ſeinen eignen Augen nicht gern eitel ſcheinen;
und wenn Sie dieſe kleine Ceremonie mit ſich und andern be-
obachtet haben: ſo ſchaͤmen Sie ſich ihres Zuſtandes, wenn
Sie in einem Schuhe zu Fuße gehen, nicht weiter. Die-
ſes iſt nun gerade mein Fall auch; nur mit dem Unterſchiede,
daß meine Reiſe zu Fuße vielleicht etwas laͤnger iſt, und
beſonders, daß ich die eitle Erzaͤhlung ſparen kann. Die
ganze Stadt weiß meinen Fall; habe ich ihn verdient: ſo
muß ich mich beſſern, wo ich nicht im Kothe ſtecken bleiben
will; und habe ich ihn nicht verdient, ſo muß ich auch lau-
fen, daß ich aufs Trockne komme. In beyden Faͤllen thut
meine Auffuͤhrung dasjenige, was ihre kleine Erzaͤhlung
thut. Sie ſagt den Leuten, zu welchen alle ich nicht ſelbſt
gehen moͤgte, daß ich nicht als eine Landſtreicherin zu Fuße
gehe. Meine Einſchraͤnkung bis aufs Nothwendigſte hat
die Wuͤrkung, daß mich niemand flieht, weil niemand be-
ſorgen darf, daß ich etwas von ihm bitten oder borgen will.
Je mehr ich in meinen Handlungen, Klugheit und Entſchloſ-
ſenheit zeige, deſto groͤßer iſt das Vertrauen, was ich mir
erwerbe, und die Achtung, die ich auf dieſe Weiſe erlange,
haͤlt mich fuͤr die Bewunderung ſchadlos, die man ehedem
meinem Aufzuge weihte. Ein bisgen Koketterie laͤuft hier

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[29/0043] Die Politik im Ungluͤck. mir, ſo machen ſie ſich keinen Schimpf daraus, zu Fuße und auch wohl ein bisgen durch den Koth zu gehen, wenn es nicht anders ſeyn kann; bleibt irgend ein Schuh ſtecken, nun ſo verſtehts ſich, man geht ſodann im Strumpfe, be- ſonders wenn es kein Wetter iſt, ſich lange zu verweilen. Unterwegens erzaͤhlen ſie denn allen die ihnen begegnen, ihr kleines Ungluͤck, damit die Leute nicht glauben moͤgen, ſie waͤren von den Leuten, die zu Fuſſe reiſeten; ſagen auch wohl zu ſich ſelbſt, daß ſie dieſes nur um deswillen thaͤten, da- mit man ſie nicht fuͤr eine Landſtreicherin anſehen moͤgte, die irgendwo mit einem Schuhe fluͤchten muͤßen: denn man will doch in ſeinen eignen Augen nicht gern eitel ſcheinen; und wenn Sie dieſe kleine Ceremonie mit ſich und andern be- obachtet haben: ſo ſchaͤmen Sie ſich ihres Zuſtandes, wenn Sie in einem Schuhe zu Fuße gehen, nicht weiter. Die- ſes iſt nun gerade mein Fall auch; nur mit dem Unterſchiede, daß meine Reiſe zu Fuße vielleicht etwas laͤnger iſt, und beſonders, daß ich die eitle Erzaͤhlung ſparen kann. Die ganze Stadt weiß meinen Fall; habe ich ihn verdient: ſo muß ich mich beſſern, wo ich nicht im Kothe ſtecken bleiben will; und habe ich ihn nicht verdient, ſo muß ich auch lau- fen, daß ich aufs Trockne komme. In beyden Faͤllen thut meine Auffuͤhrung dasjenige, was ihre kleine Erzaͤhlung thut. Sie ſagt den Leuten, zu welchen alle ich nicht ſelbſt gehen moͤgte, daß ich nicht als eine Landſtreicherin zu Fuße gehe. Meine Einſchraͤnkung bis aufs Nothwendigſte hat die Wuͤrkung, daß mich niemand flieht, weil niemand be- ſorgen darf, daß ich etwas von ihm bitten oder borgen will. Je mehr ich in meinen Handlungen, Klugheit und Entſchloſ- ſenheit zeige, deſto groͤßer iſt das Vertrauen, was ich mir erwerbe, und die Achtung, die ich auf dieſe Weiſe erlange, haͤlt mich fuͤr die Bewunderung ſchadlos, die man ehedem meinem Aufzuge weihte. Ein bisgen Koketterie laͤuft hier vielleicht

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/43>, abgerufen am 21.11.2024.