Nun das müste ihm freylich angenehmer seyn, als al- les, was die Cammerjungfer ihm auch noch so bitterlich hätte klagen können; und so hörte er denn mit der Gedult eines Ehemanns, die fürchterliche Geschichte von einem En- de bis zum andern an, ohne sie auch nur einmal mit einer Anmerkung zu unterbrechen, jedoch nicht ohne einige, wel- che der Leser leicht hinzudenken wird, vor sich zu machen. Seiner Frauen Unrecht zu geben, war in diesem Augen- blick nicht rathsam, die arme Lisette zu bedauren, gefähr- lich, und die Sache doch so laufen zu lassen, etwas hart. Er wandte sich also auf die Seite seines Cammerdieners, und erzählte ihr, was ihm derselbe nun seit vielen Jahren für Dienste geleistet hätte, wie sehr er wünschte, demselben endlich ein bisgen eigenes Brod zu verschaffen, und wie er geglaubt hätte, daß Sie für Lisetten, die ihr nun funfzehn Jahr treu gedient, gleiche Gesinnungen hegte. Inzwi- schen, und da er dieses nicht fände: so wollte er für seinen Bedienten auf eine andre Art sorgen.
Das wünschte ich nun eben nicht, versetzte sie eifrigst, daß etwa die Cammerjungfer der überklugen Frau Ober- stallmeisterin, durch Sie versorget werden sollte. Mich deucht es steht einer Herrschaft allemal wol an, wenn sie zunächst für die Ihrigen sorgt, und Lisette mag seyn was sie will: so ist sie doch so lange Zeit bey mir gewesen, daß ich sie nicht auf die Gasse setzen will. Aber sie kann noch warten, und ihr Johann auch, wie mich dünkt ...
Nun freylich, erwiederte der schalkhafte Mann, sie sollen warten, so lange es Ihnen gefällig ist; ich dachte nur, weil eben unser Organist verstorben ist, und Johann recht sehr gut die Orgel schlägt; ich wollte lieber ihn, als ei- nen andern, den mir die Frau Priorin von .. empfohlen hat, dazu nehmen.
Ich
Das war der Cammerjungfer recht.
Nun das muͤſte ihm freylich angenehmer ſeyn, als al- les, was die Cammerjungfer ihm auch noch ſo bitterlich haͤtte klagen koͤnnen; und ſo hoͤrte er denn mit der Gedult eines Ehemanns, die fuͤrchterliche Geſchichte von einem En- de bis zum andern an, ohne ſie auch nur einmal mit einer Anmerkung zu unterbrechen, jedoch nicht ohne einige, wel- che der Leſer leicht hinzudenken wird, vor ſich zu machen. Seiner Frauen Unrecht zu geben, war in dieſem Augen- blick nicht rathſam, die arme Liſette zu bedauren, gefaͤhr- lich, und die Sache doch ſo laufen zu laſſen, etwas hart. Er wandte ſich alſo auf die Seite ſeines Cammerdieners, und erzaͤhlte ihr, was ihm derſelbe nun ſeit vielen Jahren fuͤr Dienſte geleiſtet haͤtte, wie ſehr er wuͤnſchte, demſelben endlich ein bisgen eigenes Brod zu verſchaffen, und wie er geglaubt haͤtte, daß Sie fuͤr Liſetten, die ihr nun funfzehn Jahr treu gedient, gleiche Geſinnungen hegte. Inzwi- ſchen, und da er dieſes nicht faͤnde: ſo wollte er fuͤr ſeinen Bedienten auf eine andre Art ſorgen.
Das wuͤnſchte ich nun eben nicht, verſetzte ſie eifrigſt, daß etwa die Cammerjungfer der uͤberklugen Frau Ober- ſtallmeiſterin, durch Sie verſorget werden ſollte. Mich deucht es ſteht einer Herrſchaft allemal wol an, wenn ſie zunaͤchſt fuͤr die Ihrigen ſorgt, und Liſette mag ſeyn was ſie will: ſo iſt ſie doch ſo lange Zeit bey mir geweſen, daß ich ſie nicht auf die Gaſſe ſetzen will. Aber ſie kann noch warten, und ihr Johann auch, wie mich duͤnkt …
Nun freylich, erwiederte der ſchalkhafte Mann, ſie ſollen warten, ſo lange es Ihnen gefaͤllig iſt; ich dachte nur, weil eben unſer Organiſt verſtorben iſt, und Johann recht ſehr gut die Orgel ſchlaͤgt; ich wollte lieber ihn, als ei- nen andern, den mir die Frau Priorin von .. empfohlen hat, dazu nehmen.
Ich
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Das war der Cammerjungfer recht.
Nun das muͤſte ihm freylich angenehmer ſeyn, als al-
les, was die Cammerjungfer ihm auch noch ſo bitterlich
haͤtte klagen koͤnnen; und ſo hoͤrte er denn mit der Gedult
eines Ehemanns, die fuͤrchterliche Geſchichte von einem En-
de bis zum andern an, ohne ſie auch nur einmal mit einer
Anmerkung zu unterbrechen, jedoch nicht ohne einige, wel-
che der Leſer leicht hinzudenken wird, vor ſich zu machen.
Seiner Frauen Unrecht zu geben, war in dieſem Augen-
blick nicht rathſam, die arme Liſette zu bedauren, gefaͤhr-
lich, und die Sache doch ſo laufen zu laſſen, etwas hart.
Er wandte ſich alſo auf die Seite ſeines Cammerdieners,
und erzaͤhlte ihr, was ihm derſelbe nun ſeit vielen Jahren
fuͤr Dienſte geleiſtet haͤtte, wie ſehr er wuͤnſchte, demſelben
endlich ein bisgen eigenes Brod zu verſchaffen, und wie er
geglaubt haͤtte, daß Sie fuͤr Liſetten, die ihr nun funfzehn
Jahr treu gedient, gleiche Geſinnungen hegte. Inzwi-
ſchen, und da er dieſes nicht faͤnde: ſo wollte er fuͤr ſeinen
Bedienten auf eine andre Art ſorgen.
Das wuͤnſchte ich nun eben nicht, verſetzte ſie eifrigſt,
daß etwa die Cammerjungfer der uͤberklugen Frau Ober-
ſtallmeiſterin, durch Sie verſorget werden ſollte. Mich
deucht es ſteht einer Herrſchaft allemal wol an, wenn ſie
zunaͤchſt fuͤr die Ihrigen ſorgt, und Liſette mag ſeyn was
ſie will: ſo iſt ſie doch ſo lange Zeit bey mir geweſen, daß
ich ſie nicht auf die Gaſſe ſetzen will. Aber ſie kann noch
warten, und ihr Johann auch, wie mich duͤnkt …
Nun freylich, erwiederte der ſchalkhafte Mann, ſie
ſollen warten, ſo lange es Ihnen gefaͤllig iſt; ich dachte nur,
weil eben unſer Organiſt verſtorben iſt, und Johann recht
ſehr gut die Orgel ſchlaͤgt; ich wollte lieber ihn, als ei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/61>, abgerufen am 28.11.2024.
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