Ich weiß nicht, was die Priorin sich immer untersteht, ihre Leute auf unsre Kosten zu versorgen: hat sie doch letzt- hin meinen Bedienten, für welchen ich mir von ihr die Stistsschreiberstelle ausbat, mit der kahlen Endschuldigung abgewiesen, daß er sich zu spät gemeldet hätte. Nein, Ihr Johann muß Organist werden, und Lisette ... ja, wenn das Mensch nur nicht so viel Staat auf dem Leibe hätte. Es ist ein Unglück mit den Cammerdienern und Cammer- jungfern; sie gewöhnen sich so sehr den Herrn und die Frau zu spielen, daß sie hernach in keinem Stande auskommen können, und bey aller Fürsorge, die man für sie trägt, dennoch zuletzt betteln müssen.
O! das ist eine sehr wahre Bemerkung, schlos endlich der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann nicht Organist, und Lisette nicht Frau Organistin werden sollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterstaat zu ver- kaufen, und sich so zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es ihnen vorschreiben würden. Was dünkt Ihnen, wenn wir ihnen für ihre langjährige Dienste ein kleines Gnadengehalt unter der Bedingung dabey gäben, daß die Frau Organi- stin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir- che kommen, widrigenfalls aber sogleich ihr Gnadengehalt verlieren sollte?
Sie versprach dieses in nähere Ueberlegung zu nehmen; und klingelte sogleich, wie der Mann weg war, der be- trübten Lisette, die nun in Erwartung ihres förmlichen Ab- schiedes mit Zittern herauf kam. Höre, redete sie dieselbe an, du hast mich diesen Morgen auf eine recht empfind- liche Art beleidigt, aber ich war selbst Schuld daran, und hier hast du den Dukaten, den ich dir versprochen habe, betrachte ihn alle Tage einmal, und -- bleibe immer so aufrichtig, wie du heute gewesen bist.
Lisette,
Das war der Cammerjungfer recht.
Ich weiß nicht, was die Priorin ſich immer unterſteht, ihre Leute auf unſre Koſten zu verſorgen: hat ſie doch letzt- hin meinen Bedienten, fuͤr welchen ich mir von ihr die Stiſtsſchreiberſtelle ausbat, mit der kahlen Endſchuldigung abgewieſen, daß er ſich zu ſpaͤt gemeldet haͤtte. Nein, Ihr Johann muß Organiſt werden, und Liſette … ja, wenn das Menſch nur nicht ſo viel Staat auf dem Leibe haͤtte. Es iſt ein Ungluͤck mit den Cammerdienern und Cammer- jungfern; ſie gewoͤhnen ſich ſo ſehr den Herrn und die Frau zu ſpielen, daß ſie hernach in keinem Stande auskommen koͤnnen, und bey aller Fuͤrſorge, die man fuͤr ſie traͤgt, dennoch zuletzt betteln muͤſſen.
O! das iſt eine ſehr wahre Bemerkung, ſchlos endlich der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann nicht Organiſt, und Liſette nicht Frau Organiſtin werden ſollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterſtaat zu ver- kaufen, und ſich ſo zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es ihnen vorſchreiben wuͤrden. Was duͤnkt Ihnen, wenn wir ihnen fuͤr ihre langjaͤhrige Dienſte ein kleines Gnadengehalt unter der Bedingung dabey gaͤben, daß die Frau Organi- ſtin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir- che kommen, widrigenfalls aber ſogleich ihr Gnadengehalt verlieren ſollte?
Sie verſprach dieſes in naͤhere Ueberlegung zu nehmen; und klingelte ſogleich, wie der Mann weg war, der be- truͤbten Liſette, die nun in Erwartung ihres foͤrmlichen Ab- ſchiedes mit Zittern herauf kam. Hoͤre, redete ſie dieſelbe an, du haſt mich dieſen Morgen auf eine recht empfind- liche Art beleidigt, aber ich war ſelbſt Schuld daran, und hier haſt du den Dukaten, den ich dir verſprochen habe, betrachte ihn alle Tage einmal, und — bleibe immer ſo aufrichtig, wie du heute geweſen biſt.
Liſette,
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Das war der Cammerjungfer recht.
Ich weiß nicht, was die Priorin ſich immer unterſteht,
ihre Leute auf unſre Koſten zu verſorgen: hat ſie doch letzt-
hin meinen Bedienten, fuͤr welchen ich mir von ihr die
Stiſtsſchreiberſtelle ausbat, mit der kahlen Endſchuldigung
abgewieſen, daß er ſich zu ſpaͤt gemeldet haͤtte. Nein, Ihr
Johann muß Organiſt werden, und Liſette … ja, wenn
das Menſch nur nicht ſo viel Staat auf dem Leibe haͤtte.
Es iſt ein Ungluͤck mit den Cammerdienern und Cammer-
jungfern; ſie gewoͤhnen ſich ſo ſehr den Herrn und die Frau
zu ſpielen, daß ſie hernach in keinem Stande auskommen
koͤnnen, und bey aller Fuͤrſorge, die man fuͤr ſie traͤgt,
dennoch zuletzt betteln muͤſſen.
O! das iſt eine ſehr wahre Bemerkung, ſchlos endlich
der liebe Mann; und ich habe lange gedacht, daß Johann
nicht Organiſt, und Liſette nicht Frau Organiſtin werden
ſollte, ohne vorher beyde ihren jetzigen Flitterſtaat zu ver-
kaufen, und ſich ſo zu kleiden, wie Sie, meine Liebe, es
ihnen vorſchreiben wuͤrden. Was duͤnkt Ihnen, wenn wir
ihnen fuͤr ihre langjaͤhrige Dienſte ein kleines Gnadengehalt
unter der Bedingung dabey gaͤben, daß die Frau Organi-
ſtin nicht anders, als in einem Rock von Camelot zur Kir-
che kommen, widrigenfalls aber ſogleich ihr Gnadengehalt
verlieren ſollte?
Sie verſprach dieſes in naͤhere Ueberlegung zu nehmen;
und klingelte ſogleich, wie der Mann weg war, der be-
truͤbten Liſette, die nun in Erwartung ihres foͤrmlichen Ab-
ſchiedes mit Zittern herauf kam. Hoͤre, redete ſie dieſelbe
an, du haſt mich dieſen Morgen auf eine recht empfind-
liche Art beleidigt, aber ich war ſelbſt Schuld daran, und
hier haſt du den Dukaten, den ich dir verſprochen habe,
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Liſette,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/62>, abgerufen am 09.11.2024.
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