Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Autor am Hofe.
zeit zu schreiben, das ist doch so wunderlich; ich habe
noch einen Besuch abzustatten, den ich seit Jahr und Tag
schuldig bin; vielleicht gehe ich -- Wie manche gute
Handlung geschieht nicht aus Langerweile! o wenn es doch
die Leute nur wüßten!

Aber wo war ich? ich glaube, meine Liebe, ich wollte
Jhnen sagen, daß ich recht viel Zeit zum schreiben hätte,
und doch wohl nichts mehr schreiben würde, als daß Jhr
lieber Carl wohl sey, dieses ist Jhnen doch lieber als ein
Anecdote a la Otaheiti, und allmählich den Gelehrten
vergesse. Aber ich habe ihn auch was Rechts damit ge-
hudelt, daß er ein Buch geschrieben, und sich eingebil-
det hat, wir würden ihm dafür einen Knicks mehr als
andern machen. Anfangs schien er es sehr übel zu neh-
men, und glaubte, wir wären am Hofe noch funfzig
Jahr zurück, weil wir keine gelehrte Zeitungen läsen,
und nicht wüßten, was die Herrn Gelehrten sich einan-
der für schöne Complimente machten; allein seit dem ich
ihm durch meine Cammerjungfer den neuen Orden pour
le merite litteraire,
eine Minerve am rothen Bändgen
geschickt habe, hat er nicht das Herz mehr, einen Autor
in meiner Gegenwart zu nennen. Er wird ihn auch nicht
so keck aushängen als die Damen den Orden pour la vertu.
Zu Jhrem Troste kann ich Jhnen auch noch sagen, daß
der Minister sehr mit ihm zufrieden sey, ob er gleich zu
Zeiten über die Einbildung des jungen Autors lächelt, und
ihn, wenn diese zu sehr bey der allgemeinen Gleichgültig-
keit des Hofes gegen die Werke seiner Helden leidet,
scherzweise damit tröstet, daß keiner mehr Verdienste um
das menschliche Geschlecht habe, als der Erfinder der
Spielkarten, und keiner auch undankbarer vergessen wer-
de als er.

Der

Der Autor am Hofe.
zeit zu ſchreiben, das iſt doch ſo wunderlich; ich habe
noch einen Beſuch abzuſtatten, den ich ſeit Jahr und Tag
ſchuldig bin; vielleicht gehe ich — Wie manche gute
Handlung geſchieht nicht aus Langerweile! o wenn es doch
die Leute nur wuͤßten!

Aber wo war ich? ich glaube, meine Liebe, ich wollte
Jhnen ſagen, daß ich recht viel Zeit zum ſchreiben haͤtte,
und doch wohl nichts mehr ſchreiben wuͤrde, als daß Jhr
lieber Carl wohl ſey, dieſes iſt Jhnen doch lieber als ein
Anecdote à la Otaheiti, und allmaͤhlich den Gelehrten
vergeſſe. Aber ich habe ihn auch was Rechts damit ge-
hudelt, daß er ein Buch geſchrieben, und ſich eingebil-
det hat, wir wuͤrden ihm dafuͤr einen Knicks mehr als
andern machen. Anfangs ſchien er es ſehr uͤbel zu neh-
men, und glaubte, wir waͤren am Hofe noch funfzig
Jahr zuruͤck, weil wir keine gelehrte Zeitungen laͤſen,
und nicht wuͤßten, was die Herrn Gelehrten ſich einan-
der fuͤr ſchoͤne Complimente machten; allein ſeit dem ich
ihm durch meine Cammerjungfer den neuen Orden pour
le merite litteraire,
eine Minerve am rothen Baͤndgen
geſchickt habe, hat er nicht das Herz mehr, einen Autor
in meiner Gegenwart zu nennen. Er wird ihn auch nicht
ſo keck aushaͤngen als die Damen den Orden pour la vertu.
Zu Jhrem Troſte kann ich Jhnen auch noch ſagen, daß
der Miniſter ſehr mit ihm zufrieden ſey, ob er gleich zu
Zeiten uͤber die Einbildung des jungen Autors laͤchelt, und
ihn, wenn dieſe zu ſehr bey der allgemeinen Gleichguͤltig-
keit des Hofes gegen die Werke ſeiner Helden leidet,
ſcherzweiſe damit troͤſtet, daß keiner mehr Verdienſte um
das menſchliche Geſchlecht habe, als der Erfinder der
Spielkarten, und keiner auch undankbarer vergeſſen wer-
de als er.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0106" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Autor am Hofe.</hi></fw><lb/>
zeit zu &#x017F;chreiben, das i&#x017F;t doch &#x017F;o wunderlich; ich habe<lb/>
noch einen Be&#x017F;uch abzu&#x017F;tatten, den ich &#x017F;eit Jahr und Tag<lb/>
&#x017F;chuldig bin; vielleicht gehe ich &#x2014; Wie manche gute<lb/>
Handlung ge&#x017F;chieht nicht aus Langerweile! o wenn es doch<lb/>
die Leute nur wu&#x0364;ßten!</p><lb/>
            <p>Aber wo war ich? ich glaube, meine Liebe, ich wollte<lb/>
Jhnen &#x017F;agen, daß ich recht viel Zeit zum &#x017F;chreiben ha&#x0364;tte,<lb/>
und doch wohl nichts mehr &#x017F;chreiben wu&#x0364;rde, als daß Jhr<lb/>
lieber Carl wohl &#x017F;ey, die&#x017F;es i&#x017F;t Jhnen doch lieber als ein<lb/>
Anecdote <hi rendition="#aq">à la Otaheiti,</hi> und allma&#x0364;hlich den Gelehrten<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;e. Aber ich habe ihn auch was Rechts damit ge-<lb/>
hudelt, daß er ein Buch ge&#x017F;chrieben, und &#x017F;ich eingebil-<lb/>
det hat, wir wu&#x0364;rden ihm dafu&#x0364;r einen Knicks mehr als<lb/>
andern machen. Anfangs &#x017F;chien er es &#x017F;ehr u&#x0364;bel zu neh-<lb/>
men, und glaubte, wir wa&#x0364;ren am Hofe noch funfzig<lb/>
Jahr zuru&#x0364;ck, weil wir keine gelehrte Zeitungen la&#x0364;&#x017F;en,<lb/>
und nicht wu&#x0364;ßten, was die Herrn Gelehrten &#x017F;ich einan-<lb/>
der fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;ne Complimente machten; allein &#x017F;eit dem ich<lb/>
ihm durch meine Cammerjungfer den neuen Orden <hi rendition="#aq">pour<lb/>
le merite litteraire,</hi> eine Minerve am rothen Ba&#x0364;ndgen<lb/>
ge&#x017F;chickt habe, hat er nicht das Herz mehr, einen Autor<lb/>
in meiner Gegenwart zu nennen. Er wird ihn auch nicht<lb/>
&#x017F;o keck ausha&#x0364;ngen als die Damen den Orden <hi rendition="#aq">pour la vertu.</hi><lb/>
Zu Jhrem Tro&#x017F;te kann ich Jhnen auch noch &#x017F;agen, daß<lb/>
der Mini&#x017F;ter &#x017F;ehr mit ihm zufrieden &#x017F;ey, ob er gleich zu<lb/>
Zeiten u&#x0364;ber die Einbildung des jungen Autors la&#x0364;chelt, und<lb/>
ihn, wenn die&#x017F;e zu &#x017F;ehr bey der allgemeinen Gleichgu&#x0364;ltig-<lb/>
keit des Hofes gegen die Werke &#x017F;einer Helden leidet,<lb/>
&#x017F;cherzwei&#x017F;e damit tro&#x0364;&#x017F;tet, daß keiner mehr Verdien&#x017F;te um<lb/>
das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht habe, als der Erfinder der<lb/>
Spielkarten, und keiner auch undankbarer verge&#x017F;&#x017F;en wer-<lb/>
de als er.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0106] Der Autor am Hofe. zeit zu ſchreiben, das iſt doch ſo wunderlich; ich habe noch einen Beſuch abzuſtatten, den ich ſeit Jahr und Tag ſchuldig bin; vielleicht gehe ich — Wie manche gute Handlung geſchieht nicht aus Langerweile! o wenn es doch die Leute nur wuͤßten! Aber wo war ich? ich glaube, meine Liebe, ich wollte Jhnen ſagen, daß ich recht viel Zeit zum ſchreiben haͤtte, und doch wohl nichts mehr ſchreiben wuͤrde, als daß Jhr lieber Carl wohl ſey, dieſes iſt Jhnen doch lieber als ein Anecdote à la Otaheiti, und allmaͤhlich den Gelehrten vergeſſe. Aber ich habe ihn auch was Rechts damit ge- hudelt, daß er ein Buch geſchrieben, und ſich eingebil- det hat, wir wuͤrden ihm dafuͤr einen Knicks mehr als andern machen. Anfangs ſchien er es ſehr uͤbel zu neh- men, und glaubte, wir waͤren am Hofe noch funfzig Jahr zuruͤck, weil wir keine gelehrte Zeitungen laͤſen, und nicht wuͤßten, was die Herrn Gelehrten ſich einan- der fuͤr ſchoͤne Complimente machten; allein ſeit dem ich ihm durch meine Cammerjungfer den neuen Orden pour le merite litteraire, eine Minerve am rothen Baͤndgen geſchickt habe, hat er nicht das Herz mehr, einen Autor in meiner Gegenwart zu nennen. Er wird ihn auch nicht ſo keck aushaͤngen als die Damen den Orden pour la vertu. Zu Jhrem Troſte kann ich Jhnen auch noch ſagen, daß der Miniſter ſehr mit ihm zufrieden ſey, ob er gleich zu Zeiten uͤber die Einbildung des jungen Autors laͤchelt, und ihn, wenn dieſe zu ſehr bey der allgemeinen Gleichguͤltig- keit des Hofes gegen die Werke ſeiner Helden leidet, ſcherzweiſe damit troͤſtet, daß keiner mehr Verdienſte um das menſchliche Geſchlecht habe, als der Erfinder der Spielkarten, und keiner auch undankbarer vergeſſen wer- de als er. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/106
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/106>, abgerufen am 21.11.2024.