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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Der Autor am Hofe.

Der Obersthofemeister nimmt sich sehr seiner an.
Sie kennen den rechtschaffenen Mann, der alles mit ei-
nem Blick übersieht, gleich den Ton des Tages stimmt,
und so wie er nur der Fürstinn ihren kleinen Finger ge-
sehen hat, den Augenblick weiß, was und wie sie es ha-
ben will. Carl bewunderte ihn schön, und dieses ist der
erste Schritt zur Nachahmung. Nur glaube ich nicht,
daß die Leute, welche Bücher geschrieben haben, es je-
mals in der Kunst der Aufmerksamkeit denjenigen gleich
thun werden, die sich gewöhnt haben alles mit einem
natürlichen Auge zu betrachten, und dem ersten Urtheil
ihrer Sinne zu folgen. Der Fürst sagte einmal bey der
Tafel, ein General könne wohl ein vortrefliches Buch
schreiben, aber ein Bücherschreiber kein General werden,
und das glaube ich überhaupt wahr zu seyn; unser Hof-
jude soll in Geschäften zehnmal brauchbarer seyn als die
Professoren zu .... die jedoch auch in ihrer Stelle tau-
sendmal besser seyn mögen als der Jude; jedes Ding an
seinem Orte ....

Jch hatte gestern hier abgebrochen, weil mir bey
dem langen Schreiben der Kopf kraus geworden war.
Heute hat mich Carl mit einem Büchlein beschenkt, was
der Musen-Almanach heißt und mir bey der Toilette
daraus vorgelesen. Die Wissenschaften als Spielwerk be-
trachtet mag er am Hofe immer lieben. Verschiedene
Dinge aus dem Almanach haben mich würklich amusirt;
und Carl war außer sich, als ich eins lobte, was er, wie
er mir hernach sagte, selbst gemacht hatte. Nun, sagte
er, ist es nicht schön, etwas zu schreiben, wenn man so
viel damit gewinnen kann? Sie sehen hieraus, liebste
Freundinn! daß Jhr guter Carl sich nicht ganz verstudirt
hat. Magst immer schreiben, Vetter, war meine Ant-
wort, es wird dich vielleicht ans Toilet aber nicht ins

Cabi-
Der Autor am Hofe.

Der Oberſthofemeiſter nimmt ſich ſehr ſeiner an.
Sie kennen den rechtſchaffenen Mann, der alles mit ei-
nem Blick uͤberſieht, gleich den Ton des Tages ſtimmt,
und ſo wie er nur der Fuͤrſtinn ihren kleinen Finger ge-
ſehen hat, den Augenblick weiß, was und wie ſie es ha-
ben will. Carl bewunderte ihn ſchoͤn, und dieſes iſt der
erſte Schritt zur Nachahmung. Nur glaube ich nicht,
daß die Leute, welche Buͤcher geſchrieben haben, es je-
mals in der Kunſt der Aufmerkſamkeit denjenigen gleich
thun werden, die ſich gewoͤhnt haben alles mit einem
natuͤrlichen Auge zu betrachten, und dem erſten Urtheil
ihrer Sinne zu folgen. Der Fuͤrſt ſagte einmal bey der
Tafel, ein General koͤnne wohl ein vortrefliches Buch
ſchreiben, aber ein Buͤcherſchreiber kein General werden,
und das glaube ich uͤberhaupt wahr zu ſeyn; unſer Hof-
jude ſoll in Geſchaͤften zehnmal brauchbarer ſeyn als die
Profeſſoren zu .... die jedoch auch in ihrer Stelle tau-
ſendmal beſſer ſeyn moͤgen als der Jude; jedes Ding an
ſeinem Orte ....

Jch hatte geſtern hier abgebrochen, weil mir bey
dem langen Schreiben der Kopf kraus geworden war.
Heute hat mich Carl mit einem Buͤchlein beſchenkt, was
der Muſen-Almanach heißt und mir bey der Toilette
daraus vorgeleſen. Die Wiſſenſchaften als Spielwerk be-
trachtet mag er am Hofe immer lieben. Verſchiedene
Dinge aus dem Almanach haben mich wuͤrklich amuſirt;
und Carl war außer ſich, als ich eins lobte, was er, wie
er mir hernach ſagte, ſelbſt gemacht hatte. Nun, ſagte
er, iſt es nicht ſchoͤn, etwas zu ſchreiben, wenn man ſo
viel damit gewinnen kann? Sie ſehen hieraus, liebſte
Freundinn! daß Jhr guter Carl ſich nicht ganz verſtudirt
hat. Magſt immer ſchreiben, Vetter, war meine Ant-
wort, es wird dich vielleicht ans Toilet aber nicht ins

Cabi-
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[95/0107] Der Autor am Hofe. Der Oberſthofemeiſter nimmt ſich ſehr ſeiner an. Sie kennen den rechtſchaffenen Mann, der alles mit ei- nem Blick uͤberſieht, gleich den Ton des Tages ſtimmt, und ſo wie er nur der Fuͤrſtinn ihren kleinen Finger ge- ſehen hat, den Augenblick weiß, was und wie ſie es ha- ben will. Carl bewunderte ihn ſchoͤn, und dieſes iſt der erſte Schritt zur Nachahmung. Nur glaube ich nicht, daß die Leute, welche Buͤcher geſchrieben haben, es je- mals in der Kunſt der Aufmerkſamkeit denjenigen gleich thun werden, die ſich gewoͤhnt haben alles mit einem natuͤrlichen Auge zu betrachten, und dem erſten Urtheil ihrer Sinne zu folgen. Der Fuͤrſt ſagte einmal bey der Tafel, ein General koͤnne wohl ein vortrefliches Buch ſchreiben, aber ein Buͤcherſchreiber kein General werden, und das glaube ich uͤberhaupt wahr zu ſeyn; unſer Hof- jude ſoll in Geſchaͤften zehnmal brauchbarer ſeyn als die Profeſſoren zu .... die jedoch auch in ihrer Stelle tau- ſendmal beſſer ſeyn moͤgen als der Jude; jedes Ding an ſeinem Orte .... Jch hatte geſtern hier abgebrochen, weil mir bey dem langen Schreiben der Kopf kraus geworden war. Heute hat mich Carl mit einem Buͤchlein beſchenkt, was der Muſen-Almanach heißt und mir bey der Toilette daraus vorgeleſen. Die Wiſſenſchaften als Spielwerk be- trachtet mag er am Hofe immer lieben. Verſchiedene Dinge aus dem Almanach haben mich wuͤrklich amuſirt; und Carl war außer ſich, als ich eins lobte, was er, wie er mir hernach ſagte, ſelbſt gemacht hatte. Nun, ſagte er, iſt es nicht ſchoͤn, etwas zu ſchreiben, wenn man ſo viel damit gewinnen kann? Sie ſehen hieraus, liebſte Freundinn! daß Jhr guter Carl ſich nicht ganz verſtudirt hat. Magſt immer ſchreiben, Vetter, war meine Ant- wort, es wird dich vielleicht ans Toilet aber nicht ins Cabi-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/107>, abgerufen am 21.11.2024.