es ein neues Wort sey, was zur Zeit der Catherine von Medicis zuerst gebraucht worden. Vorher gehörte jene Art zu handlen, die einige böse Leute schon an der Eve im Paradiese in ihrem Betragen gegen die Schlange be- merkt haben wollen, unter die namenlosen Arten von Thorheiten, deren es viele im menschlichen Leben giebet, ohne daß sie noch ein Moralist mit einem eigentlichen Na- men bezeichnet hat.
Wenn man nun dieses Wort nach seinem Ursprunge ins Deutsche übersetzen wollte: so würde man dazu einen ganz eigentlichen Ausdruck wählen, und etwa Hähnern sagen müssen; so wie man von dem Moselweine sagt, er moselt, oder vom Knaster, er knastert. Allein dieses Wort hat nicht die Mine, daß es sein Glück machen werde; ich will also eins den Westfälingern abborgen, das uns die Sache wohl auszudrucken scheint. Diese sprechen: es ist ein fängres Mädgen, das Mädgen hat fängere Augen, oder auch wohl, das Mädgen hat ein Paar Fänger im Kopfe die sich gewaschen haben. Wie wäre es also, wenn wir eine Coquette eine Fängerin, und die Coquetterie Fängerey nenneten. Der wahre Begrif einer Coquette ist doch dieser, daß sie immer auf den Fang ausgeht. Ob im Ernst oder Scherz das muß zweydeutig bleiben.
XXIX.
La Prude & la Coquette zu deutſch.
es ein neues Wort ſey, was zur Zeit der Catherine von Medicis zuerſt gebraucht worden. Vorher gehoͤrte jene Art zu handlen, die einige boͤſe Leute ſchon an der Eve im Paradieſe in ihrem Betragen gegen die Schlange be- merkt haben wollen, unter die namenloſen Arten von Thorheiten, deren es viele im menſchlichen Leben giebet, ohne daß ſie noch ein Moraliſt mit einem eigentlichen Na- men bezeichnet hat.
Wenn man nun dieſes Wort nach ſeinem Urſprunge ins Deutſche uͤberſetzen wollte: ſo wuͤrde man dazu einen ganz eigentlichen Ausdruck waͤhlen, und etwa Haͤhnern ſagen muͤſſen; ſo wie man von dem Moſelweine ſagt, er moſelt, oder vom Knaſter, er knaſtert. Allein dieſes Wort hat nicht die Mine, daß es ſein Gluͤck machen werde; ich will alſo eins den Weſtfaͤlingern abborgen, das uns die Sache wohl auszudrucken ſcheint. Dieſe ſprechen: es iſt ein faͤngres Maͤdgen, das Maͤdgen hat faͤngere Augen, oder auch wohl, das Maͤdgen hat ein Paar Faͤnger im Kopfe die ſich gewaſchen haben. Wie waͤre es alſo, wenn wir eine Coquette eine Faͤngerin, und die Coquetterie Faͤngerey nenneten. Der wahre Begrif einer Coquette iſt doch dieſer, daß ſie immer auf den Fang ausgeht. Ob im Ernſt oder Scherz das muß zweydeutig bleiben.
XXIX.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0120"n="108"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">La Prude & la Coquette</hi> zu deutſch.</hi></fw><lb/>
es ein neues Wort ſey, was zur Zeit der Catherine von<lb/>
Medicis zuerſt gebraucht worden. Vorher gehoͤrte jene<lb/>
Art zu handlen, die einige boͤſe Leute ſchon an der Eve<lb/>
im Paradieſe in ihrem Betragen gegen die Schlange be-<lb/>
merkt haben wollen, unter die namenloſen Arten von<lb/>
Thorheiten, deren es viele im menſchlichen Leben giebet,<lb/>
ohne daß ſie noch ein Moraliſt mit einem eigentlichen Na-<lb/>
men bezeichnet hat.</p><lb/><p>Wenn man nun dieſes Wort nach ſeinem Urſprunge<lb/>
ins Deutſche uͤberſetzen wollte: ſo wuͤrde man dazu einen<lb/>
ganz eigentlichen Ausdruck waͤhlen, und etwa <hirendition="#fr">Haͤhnern</hi><lb/>ſagen muͤſſen; ſo wie man von dem Moſelweine ſagt, <hirendition="#fr">er<lb/>
moſelt,</hi> oder vom Knaſter, er <hirendition="#fr">knaſtert.</hi> Allein dieſes<lb/>
Wort hat nicht die Mine, daß es ſein Gluͤck machen<lb/>
werde; ich will alſo eins den Weſtfaͤlingern abborgen,<lb/>
das uns die Sache wohl auszudrucken ſcheint. Dieſe<lb/>ſprechen: es iſt ein <hirendition="#fr">faͤngres</hi> Maͤdgen, das Maͤdgen hat<lb/><hirendition="#fr">faͤngere</hi> Augen, oder auch wohl, das Maͤdgen hat ein<lb/>
Paar <hirendition="#fr">Faͤnger</hi> im Kopfe die ſich gewaſchen haben. Wie<lb/>
waͤre es alſo, wenn wir eine Coquette eine <hirendition="#fr">Faͤngerin,</hi> und<lb/>
die Coquetterie <hirendition="#fr">Faͤngerey</hi> nenneten. Der wahre Begrif<lb/>
einer Coquette iſt doch dieſer, daß ſie immer auf den Fang<lb/>
ausgeht. Ob im Ernſt oder Scherz das muß zweydeutig<lb/>
bleiben.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XXIX.</hi></hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[108/0120]
La Prude & la Coquette zu deutſch.
es ein neues Wort ſey, was zur Zeit der Catherine von
Medicis zuerſt gebraucht worden. Vorher gehoͤrte jene
Art zu handlen, die einige boͤſe Leute ſchon an der Eve
im Paradieſe in ihrem Betragen gegen die Schlange be-
merkt haben wollen, unter die namenloſen Arten von
Thorheiten, deren es viele im menſchlichen Leben giebet,
ohne daß ſie noch ein Moraliſt mit einem eigentlichen Na-
men bezeichnet hat.
Wenn man nun dieſes Wort nach ſeinem Urſprunge
ins Deutſche uͤberſetzen wollte: ſo wuͤrde man dazu einen
ganz eigentlichen Ausdruck waͤhlen, und etwa Haͤhnern
ſagen muͤſſen; ſo wie man von dem Moſelweine ſagt, er
moſelt, oder vom Knaſter, er knaſtert. Allein dieſes
Wort hat nicht die Mine, daß es ſein Gluͤck machen
werde; ich will alſo eins den Weſtfaͤlingern abborgen,
das uns die Sache wohl auszudrucken ſcheint. Dieſe
ſprechen: es iſt ein faͤngres Maͤdgen, das Maͤdgen hat
faͤngere Augen, oder auch wohl, das Maͤdgen hat ein
Paar Faͤnger im Kopfe die ſich gewaſchen haben. Wie
waͤre es alſo, wenn wir eine Coquette eine Faͤngerin, und
die Coquetterie Faͤngerey nenneten. Der wahre Begrif
einer Coquette iſt doch dieſer, daß ſie immer auf den Fang
ausgeht. Ob im Ernſt oder Scherz das muß zweydeutig
bleiben.
XXIX.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/120>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.