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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Also sollte man den Zweykämpfen
Wiederkunft beym Regimente Ehrenhalber würden hal-
ten müssen, weil ihr Wortwechsel in Gegenwart mehre-
rer Officiere vom Regimente entstanden war. Beyde er-
kannten die Nothwendigkeit desselben, und selbst der Va-
ter des Einen, der sie beyde als seine Söhne liebte, war
der Meinung, daß der eine Genugthuung haben, und
der andre sie geben müßte, weil sonst keiner mit dem Be-
leidigten dienen würde. Aber versetzte seine liebenswür-
dige Tochter, die bisher für den Erretter ihres Bruders
die zärtlichste Sorgfalt gehabt hatte, und noch immer
glaubte, daß alles Scherz wäre: können sie denn nicht
gegen einander ein Paar Kugeln vorbeyschießen, oder
mit stumpfen Degen fechten? Man schwieg um sie nicht
zu beunruhigen, jedoch ein jeder dachte bey sich, daß der-
gleichen Kinderspiele keinem rechtschaffenen Mann geziem-
ten, und daß ein jeder von ihnen um so viel ernsthafter
zu Werke gehen müßte, je größer der Verdacht wäre,
daß sie sich als Freunde einander schonen würden.

Jn diesen Gesinnungen reiseten sie mit einander ab,
und schwerlich ist ein Abschied zärtlicher und trauriger
gewesen. Die Schwester wollte ihren Bruder nicht aus
den Armen lassen, oder er sollte schwören .... aber
dieser riß sich fort; und nun wagte sie es in diesem gros-
sen Augenblicke, auch den Eerretter desselben zum er-
stenmal zu umarmen, und ihn zu beschwören -- aber
auch er entwandte sich ihren mächtigen Thränen. Der
Vater sahe ihnen mit segnenden Augen nach, und hoffte
sie würden als Männer von Ehre handeln.

Jndessen hatte er doch die Vorsicht gehabt, und den
ganzen Vorfall ihrem General gemeldet; weil es ihm
wirklich zweifelhaft geschienen, ob die Sache einen Zwey-
kampf erforderte, und er denselben nur aus dem Grunde
gebilliget hätte, daß ein Mann von Ehre auch in einem

zwei-

Alſo ſollte man den Zweykaͤmpfen
Wiederkunft beym Regimente Ehrenhalber wuͤrden hal-
ten muͤſſen, weil ihr Wortwechſel in Gegenwart mehre-
rer Officiere vom Regimente entſtanden war. Beyde er-
kannten die Nothwendigkeit deſſelben, und ſelbſt der Va-
ter des Einen, der ſie beyde als ſeine Soͤhne liebte, war
der Meinung, daß der eine Genugthuung haben, und
der andre ſie geben muͤßte, weil ſonſt keiner mit dem Be-
leidigten dienen wuͤrde. Aber verſetzte ſeine liebenswuͤr-
dige Tochter, die bisher fuͤr den Erretter ihres Bruders
die zaͤrtlichſte Sorgfalt gehabt hatte, und noch immer
glaubte, daß alles Scherz waͤre: koͤnnen ſie denn nicht
gegen einander ein Paar Kugeln vorbeyſchießen, oder
mit ſtumpfen Degen fechten? Man ſchwieg um ſie nicht
zu beunruhigen, jedoch ein jeder dachte bey ſich, daß der-
gleichen Kinderſpiele keinem rechtſchaffenen Mann geziem-
ten, und daß ein jeder von ihnen um ſo viel ernſthafter
zu Werke gehen muͤßte, je groͤßer der Verdacht waͤre,
daß ſie ſich als Freunde einander ſchonen wuͤrden.

Jn dieſen Geſinnungen reiſeten ſie mit einander ab,
und ſchwerlich iſt ein Abſchied zaͤrtlicher und trauriger
geweſen. Die Schweſter wollte ihren Bruder nicht aus
den Armen laſſen, oder er ſollte ſchwoͤren .... aber
dieſer riß ſich fort; und nun wagte ſie es in dieſem groſ-
ſen Augenblicke, auch den Eerretter deſſelben zum er-
ſtenmal zu umarmen, und ihn zu beſchwoͤren — aber
auch er entwandte ſich ihren maͤchtigen Thraͤnen. Der
Vater ſahe ihnen mit ſegnenden Augen nach, und hoffte
ſie wuͤrden als Maͤnner von Ehre handeln.

Jndeſſen hatte er doch die Vorſicht gehabt, und den
ganzen Vorfall ihrem General gemeldet; weil es ihm
wirklich zweifelhaft geſchienen, ob die Sache einen Zwey-
kampf erforderte, und er denſelben nur aus dem Grunde
gebilliget haͤtte, daß ein Mann von Ehre auch in einem

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[136/0148] Alſo ſollte man den Zweykaͤmpfen Wiederkunft beym Regimente Ehrenhalber wuͤrden hal- ten muͤſſen, weil ihr Wortwechſel in Gegenwart mehre- rer Officiere vom Regimente entſtanden war. Beyde er- kannten die Nothwendigkeit deſſelben, und ſelbſt der Va- ter des Einen, der ſie beyde als ſeine Soͤhne liebte, war der Meinung, daß der eine Genugthuung haben, und der andre ſie geben muͤßte, weil ſonſt keiner mit dem Be- leidigten dienen wuͤrde. Aber verſetzte ſeine liebenswuͤr- dige Tochter, die bisher fuͤr den Erretter ihres Bruders die zaͤrtlichſte Sorgfalt gehabt hatte, und noch immer glaubte, daß alles Scherz waͤre: koͤnnen ſie denn nicht gegen einander ein Paar Kugeln vorbeyſchießen, oder mit ſtumpfen Degen fechten? Man ſchwieg um ſie nicht zu beunruhigen, jedoch ein jeder dachte bey ſich, daß der- gleichen Kinderſpiele keinem rechtſchaffenen Mann geziem- ten, und daß ein jeder von ihnen um ſo viel ernſthafter zu Werke gehen muͤßte, je groͤßer der Verdacht waͤre, daß ſie ſich als Freunde einander ſchonen wuͤrden. Jn dieſen Geſinnungen reiſeten ſie mit einander ab, und ſchwerlich iſt ein Abſchied zaͤrtlicher und trauriger geweſen. Die Schweſter wollte ihren Bruder nicht aus den Armen laſſen, oder er ſollte ſchwoͤren .... aber dieſer riß ſich fort; und nun wagte ſie es in dieſem groſ- ſen Augenblicke, auch den Eerretter deſſelben zum er- ſtenmal zu umarmen, und ihn zu beſchwoͤren — aber auch er entwandte ſich ihren maͤchtigen Thraͤnen. Der Vater ſahe ihnen mit ſegnenden Augen nach, und hoffte ſie wuͤrden als Maͤnner von Ehre handeln. Jndeſſen hatte er doch die Vorſicht gehabt, und den ganzen Vorfall ihrem General gemeldet; weil es ihm wirklich zweifelhaft geſchienen, ob die Sache einen Zwey- kampf erforderte, und er denſelben nur aus dem Grunde gebilliget haͤtte, daß ein Mann von Ehre auch in einem zwei-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/148>, abgerufen am 21.11.2024.