XXXVI. Von der Gewohnheit des jüdischen Volks auf das Osterfest, die Loslassung eines Gefangenen zu fordern.
Es heißt bey den beyden Evangelisten Mathäus und Marcus, der Landpfleger habe die Gewohnheit gehabt, dem Volke auf das Osterfest einen Gefan- genen loszugeben; Lucas aber sagt schon, der Land- pfleger habe ihm einen nach Gewohnheit des Festes los- geben müssen, und der Evangelist Johannes bestimmt es deutlicher, daß es nicht so wohl eine Gewohnheit des Landpflegers als vielmehr ein Herkommen des jüdischen Volks gewesen sey, auf das Osterfest die Loslassung eines Gefangenen zu fordern. Die Rede ist also von einem Rechte des Volks, welches auch der römische Statthal- ter verehren mußte, und nicht von einer Gnade oder Ge- fälligkeit, wodurch derselbe sich etwa bey dem Volke be- liebter zu machen suchte. Es ist auch hier nicht von dem Volke, was wir uns unter dem Namen Pöbel gedenken, sondern von einer gleichsam zum Reichstage versammle- ten Nation die Rede, weil dieses Recht nur auf Ostern wo die Nation zu Jerusalem versammlet war, ausgeü- bet werden konnte; und so trage ich kein Bedenken die- ses Recht für das Begnadigungsrecht zu erkennen, was in andern bekannten Staaten ein Recht des Throns oder der höchsten Obrigkeit, hier aber auf eine eingeschränkte Weise dem ganzen Volke überlassen ist. Alsdenn aber zeugt es von einem sehr großen politischen Plan, den die Juden in ihrer jüngsten Verfassung zum Grunde gelegt hatten.
Ueber-
XXXVI. Von der Gewohnheit des juͤdiſchen Volks auf das Oſterfeſt, die Loslaſſung eines Gefangenen zu fordern.
Es heißt bey den beyden Evangeliſten Mathaͤus und Marcus, der Landpfleger habe die Gewohnheit gehabt, dem Volke auf das Oſterfeſt einen Gefan- genen loszugeben; Lucas aber ſagt ſchon, der Land- pfleger habe ihm einen nach Gewohnheit des Feſtes los- geben muͤſſen, und der Evangeliſt Johannes beſtimmt es deutlicher, daß es nicht ſo wohl eine Gewohnheit des Landpflegers als vielmehr ein Herkommen des juͤdiſchen Volks geweſen ſey, auf das Oſterfeſt die Loslaſſung eines Gefangenen zu fordern. Die Rede iſt alſo von einem Rechte des Volks, welches auch der roͤmiſche Statthal- ter verehren mußte, und nicht von einer Gnade oder Ge- faͤlligkeit, wodurch derſelbe ſich etwa bey dem Volke be- liebter zu machen ſuchte. Es iſt auch hier nicht von dem Volke, was wir uns unter dem Namen Poͤbel gedenken, ſondern von einer gleichſam zum Reichstage verſammle- ten Nation die Rede, weil dieſes Recht nur auf Oſtern wo die Nation zu Jeruſalem verſammlet war, ausgeuͤ- bet werden konnte; und ſo trage ich kein Bedenken die- ſes Recht fuͤr das Begnadigungsrecht zu erkennen, was in andern bekannten Staaten ein Recht des Throns oder der hoͤchſten Obrigkeit, hier aber auf eine eingeſchraͤnkte Weiſe dem ganzen Volke uͤberlaſſen iſt. Alsdenn aber zeugt es von einem ſehr großen politiſchen Plan, den die Juden in ihrer juͤngſten Verfaſſung zum Grunde gelegt hatten.
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XXXVI.
Von der Gewohnheit des juͤdiſchen Volks
auf das Oſterfeſt, die Loslaſſung eines
Gefangenen zu fordern.
Es heißt bey den beyden Evangeliſten Mathaͤus und
Marcus, der Landpfleger habe die Gewohnheit
gehabt, dem Volke auf das Oſterfeſt einen Gefan-
genen loszugeben; Lucas aber ſagt ſchon, der Land-
pfleger habe ihm einen nach Gewohnheit des Feſtes los-
geben muͤſſen, und der Evangeliſt Johannes beſtimmt es
deutlicher, daß es nicht ſo wohl eine Gewohnheit des
Landpflegers als vielmehr ein Herkommen des juͤdiſchen
Volks geweſen ſey, auf das Oſterfeſt die Loslaſſung eines
Gefangenen zu fordern. Die Rede iſt alſo von einem
Rechte des Volks, welches auch der roͤmiſche Statthal-
ter verehren mußte, und nicht von einer Gnade oder Ge-
faͤlligkeit, wodurch derſelbe ſich etwa bey dem Volke be-
liebter zu machen ſuchte. Es iſt auch hier nicht von dem
Volke, was wir uns unter dem Namen Poͤbel gedenken,
ſondern von einer gleichſam zum Reichstage verſammle-
ten Nation die Rede, weil dieſes Recht nur auf Oſtern
wo die Nation zu Jeruſalem verſammlet war, ausgeuͤ-
bet werden konnte; und ſo trage ich kein Bedenken die-
ſes Recht fuͤr das Begnadigungsrecht zu erkennen, was
in andern bekannten Staaten ein Recht des Throns oder
der hoͤchſten Obrigkeit, hier aber auf eine eingeſchraͤnkte
Weiſe dem ganzen Volke uͤberlaſſen iſt. Alsdenn aber
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/151>, abgerufen am 21.11.2024.
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