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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Absteuer der Töchter
alles aufgeschrieben, angeschlagen und zur genauesten
Rechnung gebracht werden? Müssen hier nicht die Ziegel
auf den Dächern und die Bäume im Walde gezählt, alle
Grundstücke angeschlagen, alle Register ausgezogen, alle
Siegel geöffnet, alle Kleinodien geschätzt, alle Löffel und
Kannen gewogen und wohl gar alle Gläubiger durch öf-
fentliche Ladungen herbey gerufen werden? Muß man
hier nicht die Forderungen der Gläubiger, ob sie wahr
oder falsch aufgestellet worden, rechtlich prüfen, die Ge-
rechtigkeiten der Güter alle in Richtigkeit bringen, und
die Güter, wenn man sich über ihren Werth nicht verei-
nigen kann, ein, zwey und dreymal in eines, zweyen
oder dreyen Herrn Landen feil bieten?

Wenn man sich nicht in der Güte vertragen kann:
so muß freylich ein Dritter erwählet werden, der beyde
Theile auseinander setze, aber dieses braucht kein Rich-
ter zu seyn, der durch die ganze Ceremonie des Jnventa-
riums geht, die Gläubiger in dreyen Herrn Ländern auf-
rufen, und die Erbgüter in eben so vielen Jntelligenz-
blättern ausbieten läßt, vielmehr müssen einige Schieds-
freunde von beyden Theilen erwählet, und mit der Voll-
macht versehen werden, dasjenige zu bestimmen, was in
dem vorkommenden Falle adlich, sittlich und billig ist.
Dies kann der ordentliche Richter nicht, ohne sich in ei-
nen Despoten zu verwandeln. Aber wo den Partheyen
die Wahl der Personen bleibt, sollten sie auch den Ob-
mann durch die Würfel wählen, da kann ihre Vollmacht
immer durch die Gesetze unbedenklich groß gemacht
werden.

Man erwähle also Schiedsfreunde und zwar solche
die mit den Partheyen von gleichem Stande sind; Schieds-
freunde die auch Kinder und Güter haben, die auch wis-
sen und fühlen, was ein Stammherr für Last habe, wenn

er

Ueber die Abſteuer der Toͤchter
alles aufgeſchrieben, angeſchlagen und zur genaueſten
Rechnung gebracht werden? Muͤſſen hier nicht die Ziegel
auf den Daͤchern und die Baͤume im Walde gezaͤhlt, alle
Grundſtuͤcke angeſchlagen, alle Regiſter ausgezogen, alle
Siegel geoͤffnet, alle Kleinodien geſchaͤtzt, alle Loͤffel und
Kannen gewogen und wohl gar alle Glaͤubiger durch oͤf-
fentliche Ladungen herbey gerufen werden? Muß man
hier nicht die Forderungen der Glaͤubiger, ob ſie wahr
oder falſch aufgeſtellet worden, rechtlich pruͤfen, die Ge-
rechtigkeiten der Guͤter alle in Richtigkeit bringen, und
die Guͤter, wenn man ſich uͤber ihren Werth nicht verei-
nigen kann, ein, zwey und dreymal in eines, zweyen
oder dreyen Herrn Landen feil bieten?

Wenn man ſich nicht in der Guͤte vertragen kann:
ſo muß freylich ein Dritter erwaͤhlet werden, der beyde
Theile auseinander ſetze, aber dieſes braucht kein Rich-
ter zu ſeyn, der durch die ganze Ceremonie des Jnventa-
riums geht, die Glaͤubiger in dreyen Herrn Laͤndern auf-
rufen, und die Erbguͤter in eben ſo vielen Jntelligenz-
blaͤttern ausbieten laͤßt, vielmehr muͤſſen einige Schieds-
freunde von beyden Theilen erwaͤhlet, und mit der Voll-
macht verſehen werden, dasjenige zu beſtimmen, was in
dem vorkommenden Falle adlich, ſittlich und billig iſt.
Dies kann der ordentliche Richter nicht, ohne ſich in ei-
nen Deſpoten zu verwandeln. Aber wo den Partheyen
die Wahl der Perſonen bleibt, ſollten ſie auch den Ob-
mann durch die Wuͤrfel waͤhlen, da kann ihre Vollmacht
immer durch die Geſetze unbedenklich groß gemacht
werden.

Man erwaͤhle alſo Schiedsfreunde und zwar ſolche
die mit den Partheyen von gleichem Stande ſind; Schieds-
freunde die auch Kinder und Guͤter haben, die auch wiſ-
ſen und fuͤhlen, was ein Stammherr fuͤr Laſt habe, wenn

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[232/0244] Ueber die Abſteuer der Toͤchter alles aufgeſchrieben, angeſchlagen und zur genaueſten Rechnung gebracht werden? Muͤſſen hier nicht die Ziegel auf den Daͤchern und die Baͤume im Walde gezaͤhlt, alle Grundſtuͤcke angeſchlagen, alle Regiſter ausgezogen, alle Siegel geoͤffnet, alle Kleinodien geſchaͤtzt, alle Loͤffel und Kannen gewogen und wohl gar alle Glaͤubiger durch oͤf- fentliche Ladungen herbey gerufen werden? Muß man hier nicht die Forderungen der Glaͤubiger, ob ſie wahr oder falſch aufgeſtellet worden, rechtlich pruͤfen, die Ge- rechtigkeiten der Guͤter alle in Richtigkeit bringen, und die Guͤter, wenn man ſich uͤber ihren Werth nicht verei- nigen kann, ein, zwey und dreymal in eines, zweyen oder dreyen Herrn Landen feil bieten? Wenn man ſich nicht in der Guͤte vertragen kann: ſo muß freylich ein Dritter erwaͤhlet werden, der beyde Theile auseinander ſetze, aber dieſes braucht kein Rich- ter zu ſeyn, der durch die ganze Ceremonie des Jnventa- riums geht, die Glaͤubiger in dreyen Herrn Laͤndern auf- rufen, und die Erbguͤter in eben ſo vielen Jntelligenz- blaͤttern ausbieten laͤßt, vielmehr muͤſſen einige Schieds- freunde von beyden Theilen erwaͤhlet, und mit der Voll- macht verſehen werden, dasjenige zu beſtimmen, was in dem vorkommenden Falle adlich, ſittlich und billig iſt. Dies kann der ordentliche Richter nicht, ohne ſich in ei- nen Deſpoten zu verwandeln. Aber wo den Partheyen die Wahl der Perſonen bleibt, ſollten ſie auch den Ob- mann durch die Wuͤrfel waͤhlen, da kann ihre Vollmacht immer durch die Geſetze unbedenklich groß gemacht werden. Man erwaͤhle alſo Schiedsfreunde und zwar ſolche die mit den Partheyen von gleichem Stande ſind; Schieds- freunde die auch Kinder und Guͤter haben, die auch wiſ- ſen und fuͤhlen, was ein Stammherr fuͤr Laſt habe, wenn er

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/244>, abgerufen am 21.11.2024.