Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Ueber die Adelsprobe in Deutschland. dienstlosen Edelmanne die verdiente Verachtung; undalle Klassen verehren die Virtu, wo sie solche finden, Für- sten und Edle am ersten. Alle diese großen Vortheile, welche nichts weniger Das *) Die Amerikaner haben im ersten Eifer den Erb Adel ausge-
schlossen. Sie lassen aber doch Erb-Recht gelten; und wie in einem auf Landeigenthum gegründeten Staate, die Stimm- barkeit in der Nationalversammlung, welche in einer solchen Nation alle Ehrenfähigkeit mit sich führet, und den Adel im eigentlichen Verstande ausmacht, die Stimme mit der Land- actie nothwendig vererbt, oder auch verkaufet werden kann: so möchte man wohl fragen, ob die guten persönlichen Ver- dienste hier mehr in Betracht kommen werden, und ob das Erbrecht, oder ein Kaufcontract, eine bessere Vermutung für sich habe, als der Erbadel? Freylich, so bald man eine hand- lende Nation voraussetzt, und das Geld als das höchste Gut ansieht, muß es den Handlungsgeist befördern, wenn jeder durch Geld zur Stimmbarkeit gelangen kann. Allein die größte Summe von Tugend und Menschenkraft findet sich in hand- lenden Staaten nicht; und die Satyriker können denen, die nicht durch eigenen Fleiß reich geworden sind, eben die Vor- würfe machen, welche der Geburtsadel erdulten muß. Der alte Text, worüber schon John Bull unter Richard II. den Bauren predigte: When Adam dalf and Eve spann läßt sich auf diese, wie auf jene, anwenden. Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. dienſtloſen Edelmanne die verdiente Verachtung; undalle Klaſſen verehren die Virtù, wo ſie ſolche finden, Fuͤr- ſten und Edle am erſten. Alle dieſe großen Vortheile, welche nichts weniger Das *) Die Amerikaner haben im erſten Eifer den Erb Adel ausge-
ſchloſſen. Sie laſſen aber doch Erb-Recht gelten; und wie in einem auf Landeigenthum gegruͤndeten Staate, die Stimm- barkeit in der Nationalverſammlung, welche in einer ſolchen Nation alle Ehrenfaͤhigkeit mit ſich fuͤhret, und den Adel im eigentlichen Verſtande ausmacht, die Stimme mit der Land- actie nothwendig vererbt, oder auch verkaufet werden kann: ſo moͤchte man wohl fragen, ob die guten perſoͤnlichen Ver- dienſte hier mehr in Betracht kommen werden, und ob das Erbrecht, oder ein Kaufcontract, eine beſſere Vermutung fuͤr ſich habe, als der Erbadel? Freylich, ſo bald man eine hand- lende Nation vorausſetzt, und das Geld als das hoͤchſte Gut anſieht, muß es den Handlungsgeiſt befoͤrdern, wenn jeder durch Geld zur Stimmbarkeit gelangen kann. Allein die groͤßte Summe von Tugend und Menſchenkraft findet ſich in hand- lenden Staaten nicht; und die Satyriker koͤnnen denen, die nicht durch eigenen Fleiß reich geworden ſind, eben die Vor- wuͤrfe machen, welche der Geburtsadel erdulten muß. Der alte Text, woruͤber ſchon John Bull unter Richard II. den Bauren predigte: When Adam dalf and Eve ſpann laͤßt ſich auf dieſe, wie auf jene, anwenden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0282" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.</hi></fw><lb/> dienſtloſen Edelmanne die verdiente Verachtung; und<lb/> alle Klaſſen verehren die <hi rendition="#aq">Virtù,</hi> wo ſie ſolche finden, Fuͤr-<lb/> ſten und Edle am erſten.</p><lb/> <p>Alle dieſe großen Vortheile, welche nichts weniger<lb/> auf ſich haben, als dem groͤßten und wichtigſten Theile<lb/> der Nation die hoͤchſte Gnade und Gerechtigkeit in einem<lb/> billigen Verhaͤltniſſe zufließen zu laſſen, fallen aber auf<lb/> einmal weg, ſo bald man den politiſchen Stand mit dem<lb/> moraliſchen verwechſelt, oder uͤberall und allein auf per-<lb/> ſoͤnliche Verdienſte ſieht <note place="foot" n="*)">Die Amerikaner haben im erſten Eifer den <hi rendition="#fr">Erb Adel</hi> ausge-<lb/> ſchloſſen. Sie laſſen aber doch <hi rendition="#fr">Erb-Recht</hi> gelten; und wie<lb/> in einem auf Landeigenthum gegruͤndeten Staate, die Stimm-<lb/> barkeit in der Nationalverſammlung, welche in einer ſolchen<lb/> Nation alle Ehrenfaͤhigkeit mit ſich fuͤhret, und den Adel im<lb/> eigentlichen Verſtande ausmacht, die Stimme mit der Land-<lb/> actie nothwendig vererbt, oder auch verkaufet werden kann:<lb/> ſo moͤchte man wohl fragen, ob die guten perſoͤnlichen Ver-<lb/> dienſte hier mehr in Betracht kommen werden, und ob das<lb/> Erbrecht, oder ein Kaufcontract, eine beſſere Vermutung fuͤr<lb/> ſich habe, als der Erbadel? Freylich, ſo bald man eine hand-<lb/> lende Nation vorausſetzt, und das Geld als das hoͤchſte Gut<lb/> anſieht, muß es den Handlungsgeiſt befoͤrdern, wenn jeder<lb/> durch Geld zur Stimmbarkeit gelangen kann. Allein die groͤßte<lb/> Summe von Tugend und Menſchenkraft findet ſich in hand-<lb/> lenden Staaten nicht; und die Satyriker koͤnnen denen, die<lb/> nicht durch eigenen Fleiß reich geworden ſind, eben die Vor-<lb/> wuͤrfe machen, welche der Geburtsadel erdulten muß. Der<lb/> alte Text, woruͤber ſchon <hi rendition="#fr">John Bull</hi> unter Richard <hi rendition="#aq">II.</hi> den<lb/> Bauren predigte:<lb/><cit><quote><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">When Adam dalf and Eve ſpann<lb/> Who was than a Gentleman?<lb/> WALSIN. Riechard II.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/> laͤßt ſich auf dieſe, wie auf jene, anwenden.</note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0282]
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
dienſtloſen Edelmanne die verdiente Verachtung; und
alle Klaſſen verehren die Virtù, wo ſie ſolche finden, Fuͤr-
ſten und Edle am erſten.
Alle dieſe großen Vortheile, welche nichts weniger
auf ſich haben, als dem groͤßten und wichtigſten Theile
der Nation die hoͤchſte Gnade und Gerechtigkeit in einem
billigen Verhaͤltniſſe zufließen zu laſſen, fallen aber auf
einmal weg, ſo bald man den politiſchen Stand mit dem
moraliſchen verwechſelt, oder uͤberall und allein auf per-
ſoͤnliche Verdienſte ſieht *).
Das
*) Die Amerikaner haben im erſten Eifer den Erb Adel ausge-
ſchloſſen. Sie laſſen aber doch Erb-Recht gelten; und wie
in einem auf Landeigenthum gegruͤndeten Staate, die Stimm-
barkeit in der Nationalverſammlung, welche in einer ſolchen
Nation alle Ehrenfaͤhigkeit mit ſich fuͤhret, und den Adel im
eigentlichen Verſtande ausmacht, die Stimme mit der Land-
actie nothwendig vererbt, oder auch verkaufet werden kann:
ſo moͤchte man wohl fragen, ob die guten perſoͤnlichen Ver-
dienſte hier mehr in Betracht kommen werden, und ob das
Erbrecht, oder ein Kaufcontract, eine beſſere Vermutung fuͤr
ſich habe, als der Erbadel? Freylich, ſo bald man eine hand-
lende Nation vorausſetzt, und das Geld als das hoͤchſte Gut
anſieht, muß es den Handlungsgeiſt befoͤrdern, wenn jeder
durch Geld zur Stimmbarkeit gelangen kann. Allein die groͤßte
Summe von Tugend und Menſchenkraft findet ſich in hand-
lenden Staaten nicht; und die Satyriker koͤnnen denen, die
nicht durch eigenen Fleiß reich geworden ſind, eben die Vor-
wuͤrfe machen, welche der Geburtsadel erdulten muß. Der
alte Text, woruͤber ſchon John Bull unter Richard II. den
Bauren predigte:
When Adam dalf and Eve ſpann
Who was than a Gentleman?
WALSIN. Riechard II.
laͤßt ſich auf dieſe, wie auf jene, anwenden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |