Das erhabene Verdienst der Herablassung und Po- pularität, welches aller Satyren ungeachtet, von dem größten und glücklichsten Einflusse ist, verschwindet zum Nachtheil vieler guten Menschen, deren einzige Beloh- nung in dem Beyfalle der Großen bestehet, und die oft einzig und allein dadurch bewogen werden, sich dem ge- meinen Wesen aufzuopfern.
Wenn man diese einem jeden auffallende Wahrhei- ten in reifliche Erwegung zieht: so müssen nothwendig alte und junge von Adel, so wie diejenigen, welche den Adel als eine Belohnung ihrer Verdienste erwarten, einmü- thig darin übereinstimmen, daß man nicht eifrig genug seyn könne, die verschiedenen Stufen desselben in ihrem gehörigen Abstande zu erhalten, und allen Unternehmun- gen vorzubeugen, welche auf derselben Vermischung abzielen.
Jnsbesondere aber ist zu wünschen, daß das höchste Reichsoberhaupt, als die jetzige Grundquelle des Adels, diese Ehrenkrone, welche zu dessen und des Reiches An- sehen so manchen tapfern und bidern Mann erweckt hat, in dieser ihrer mächtigen Wirkung erhalten, und sie nicht allein für das wahre Verdienst um das deutsche Vater- land aufsparen, sondern auch in dem Glanze, welchen das Alterthum giebt, bestehen lassen möge. Denn die Mittel, deren sich Griechen und Römer zur Belohnung tapferer Krieger bedient haben, finden nur da statt, wo der Held den Lorbeerkranz durch einen allgemeinen Volks- schluß, und nicht durch den Willen eines einzelnen Rich- ters, erhält; und die Länge der Zeit, welche der Adel zum Reifen braucht, ersetzt gleichsam den Mangel der vielen Stimmen, die jene erkannten.
Damit aber jedoch auch diejenigen, welche den Adel von ihren Vorfahren wohl erhalten haben, nicht unge-
rechter
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
Das erhabene Verdienſt der Herablaſſung und Po- pularitaͤt, welches aller Satyren ungeachtet, von dem groͤßten und gluͤcklichſten Einfluſſe iſt, verſchwindet zum Nachtheil vieler guten Menſchen, deren einzige Beloh- nung in dem Beyfalle der Großen beſtehet, und die oft einzig und allein dadurch bewogen werden, ſich dem ge- meinen Weſen aufzuopfern.
Wenn man dieſe einem jeden auffallende Wahrhei- ten in reifliche Erwegung zieht: ſo muͤſſen nothwendig alte und junge von Adel, ſo wie diejenigen, welche den Adel als eine Belohnung ihrer Verdienſte erwarten, einmuͤ- thig darin uͤbereinſtimmen, daß man nicht eifrig genug ſeyn koͤnne, die verſchiedenen Stufen deſſelben in ihrem gehoͤrigen Abſtande zu erhalten, und allen Unternehmun- gen vorzubeugen, welche auf derſelben Vermiſchung abzielen.
Jnsbeſondere aber iſt zu wuͤnſchen, daß das hoͤchſte Reichsoberhaupt, als die jetzige Grundquelle des Adels, dieſe Ehrenkrone, welche zu deſſen und des Reiches An- ſehen ſo manchen tapfern und bidern Mann erweckt hat, in dieſer ihrer maͤchtigen Wirkung erhalten, und ſie nicht allein fuͤr das wahre Verdienſt um das deutſche Vater- land aufſparen, ſondern auch in dem Glanze, welchen das Alterthum giebt, beſtehen laſſen moͤge. Denn die Mittel, deren ſich Griechen und Roͤmer zur Belohnung tapferer Krieger bedient haben, finden nur da ſtatt, wo der Held den Lorbeerkranz durch einen allgemeinen Volks- ſchluß, und nicht durch den Willen eines einzelnen Rich- ters, erhaͤlt; und die Laͤnge der Zeit, welche der Adel zum Reifen braucht, erſetzt gleichſam den Mangel der vielen Stimmen, die jene erkannten.
Damit aber jedoch auch diejenigen, welche den Adel von ihren Vorfahren wohl erhalten haben, nicht unge-
rechter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0283"n="271"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.</hi></fw><lb/><p>Das erhabene Verdienſt der Herablaſſung und Po-<lb/>
pularitaͤt, welches aller Satyren ungeachtet, von dem<lb/>
groͤßten und gluͤcklichſten Einfluſſe iſt, verſchwindet zum<lb/>
Nachtheil vieler guten Menſchen, deren einzige Beloh-<lb/>
nung in dem Beyfalle der Großen beſtehet, und die oft<lb/>
einzig und allein dadurch bewogen werden, ſich dem ge-<lb/>
meinen Weſen aufzuopfern.</p><lb/><p>Wenn man dieſe einem jeden auffallende Wahrhei-<lb/>
ten in reifliche Erwegung zieht: ſo muͤſſen nothwendig alte<lb/>
und junge von Adel, ſo wie diejenigen, welche den Adel<lb/>
als eine Belohnung ihrer Verdienſte erwarten, einmuͤ-<lb/>
thig darin uͤbereinſtimmen, daß man nicht eifrig genug<lb/>ſeyn koͤnne, die verſchiedenen Stufen deſſelben in ihrem<lb/>
gehoͤrigen Abſtande zu erhalten, und allen Unternehmun-<lb/>
gen vorzubeugen, welche auf derſelben Vermiſchung<lb/>
abzielen.</p><lb/><p>Jnsbeſondere aber iſt zu wuͤnſchen, daß das hoͤchſte<lb/>
Reichsoberhaupt, als die jetzige Grundquelle des Adels,<lb/>
dieſe Ehrenkrone, welche zu deſſen und des Reiches An-<lb/>ſehen ſo manchen tapfern und bidern Mann erweckt hat,<lb/>
in dieſer ihrer maͤchtigen Wirkung erhalten, und ſie nicht<lb/>
allein fuͤr das wahre Verdienſt um das deutſche Vater-<lb/>
land aufſparen, ſondern auch in dem Glanze, welchen<lb/>
das Alterthum giebt, beſtehen laſſen moͤge. Denn die<lb/>
Mittel, deren ſich Griechen und Roͤmer zur Belohnung<lb/>
tapferer Krieger bedient haben, finden nur da ſtatt, wo<lb/>
der Held den Lorbeerkranz durch einen allgemeinen Volks-<lb/>ſchluß, und nicht durch den Willen eines einzelnen Rich-<lb/>
ters, erhaͤlt; und die Laͤnge der Zeit, welche der Adel<lb/>
zum Reifen braucht, erſetzt gleichſam den Mangel der<lb/>
vielen Stimmen, die jene erkannten.</p><lb/><p>Damit aber jedoch auch diejenigen, welche den Adel<lb/>
von ihren Vorfahren wohl erhalten haben, nicht unge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">rechter</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[271/0283]
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
Das erhabene Verdienſt der Herablaſſung und Po-
pularitaͤt, welches aller Satyren ungeachtet, von dem
groͤßten und gluͤcklichſten Einfluſſe iſt, verſchwindet zum
Nachtheil vieler guten Menſchen, deren einzige Beloh-
nung in dem Beyfalle der Großen beſtehet, und die oft
einzig und allein dadurch bewogen werden, ſich dem ge-
meinen Weſen aufzuopfern.
Wenn man dieſe einem jeden auffallende Wahrhei-
ten in reifliche Erwegung zieht: ſo muͤſſen nothwendig alte
und junge von Adel, ſo wie diejenigen, welche den Adel
als eine Belohnung ihrer Verdienſte erwarten, einmuͤ-
thig darin uͤbereinſtimmen, daß man nicht eifrig genug
ſeyn koͤnne, die verſchiedenen Stufen deſſelben in ihrem
gehoͤrigen Abſtande zu erhalten, und allen Unternehmun-
gen vorzubeugen, welche auf derſelben Vermiſchung
abzielen.
Jnsbeſondere aber iſt zu wuͤnſchen, daß das hoͤchſte
Reichsoberhaupt, als die jetzige Grundquelle des Adels,
dieſe Ehrenkrone, welche zu deſſen und des Reiches An-
ſehen ſo manchen tapfern und bidern Mann erweckt hat,
in dieſer ihrer maͤchtigen Wirkung erhalten, und ſie nicht
allein fuͤr das wahre Verdienſt um das deutſche Vater-
land aufſparen, ſondern auch in dem Glanze, welchen
das Alterthum giebt, beſtehen laſſen moͤge. Denn die
Mittel, deren ſich Griechen und Roͤmer zur Belohnung
tapferer Krieger bedient haben, finden nur da ſtatt, wo
der Held den Lorbeerkranz durch einen allgemeinen Volks-
ſchluß, und nicht durch den Willen eines einzelnen Rich-
ters, erhaͤlt; und die Laͤnge der Zeit, welche der Adel
zum Reifen braucht, erſetzt gleichſam den Mangel der
vielen Stimmen, die jene erkannten.
Damit aber jedoch auch diejenigen, welche den Adel
von ihren Vorfahren wohl erhalten haben, nicht unge-
rechter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/283>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.