ungefähr mit jener Böhmischen Landesordnung von einem Alter seyn: und wenn darin 4 edle Ahnen erfordert wer- den; so sind dieses nach demjenigen, was hier oben be- reits angeführet ist, in der That 16, weil diese 4 Ahnen nicht edel seyn konnten, ohne ebenfalls ihre 4 Ahnen zu haben.
Die Zahl 16 ist also die gewöhnlichste gewesen; und diejenigen Capitel, Orden und Ritterschaften, welche solche später namentlich erfodert, und darüber zu mehre- rer Vorsicht, in Absicht auf Fremde besondere Vereini- gungen gemacht haben, haben weiter nichts gethan, als daß sie eine lange Gewohnheit, oder ein stillschweigendes von Kaysern, Königen, Fürsten und Herren, überall ge- billigtes Gesetz, zu einem ausdrücklichen und geschriebe- nen erhoben haben. Man wird auch, ohne den Adel gar zu leicht, und nach einer natürlichen Folge, verächtlich zu machen, nicht leicht weniger zulassen können. Jn dem Zeitraum von 4 Abstammungen, verjähret und verschwin- det das Andenken der persönlichen Fehler des ersten Er- werbers; die Nachwelt erhält den Helden und seine Tha- ten, und vergißt den Menschen; das mit ihm in der Welt gewesene Menschengeschlecht ist zugleich mit abgestorben; und es fället seinen Nachkommen minder beschwerlich, dem Urenkel die völlige Ehre zu bezeigen, als dem ersten Erwerber, der ihnen gleich, wo nicht minder, gewesen ist. Man erinnert sich eines Liberti, eines Libertini, und eines Libertini Filii, aber nicht leicht eines Libertini Ne- potis. Der Gang der menschlichen Denkungsart erfor- dert mithin diese Schonung; und es ist aus mehr als einem Grunde zu hoffen, daß das höchste Reichsober- haupt sich für die Zahl 16 gern erklären werde, wenn die Capitel, Orden, und Ritterschaften, welche in den Besitz sind, keine andre als Altadliche in ihre geschlossene
Gesell-
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
ungefaͤhr mit jener Boͤhmiſchen Landesordnung von einem Alter ſeyn: und wenn darin 4 edle Ahnen erfordert wer- den; ſo ſind dieſes nach demjenigen, was hier oben be- reits angefuͤhret iſt, in der That 16, weil dieſe 4 Ahnen nicht edel ſeyn konnten, ohne ebenfalls ihre 4 Ahnen zu haben.
Die Zahl 16 iſt alſo die gewoͤhnlichſte geweſen; und diejenigen Capitel, Orden und Ritterſchaften, welche ſolche ſpaͤter namentlich erfodert, und daruͤber zu mehre- rer Vorſicht, in Abſicht auf Fremde beſondere Vereini- gungen gemacht haben, haben weiter nichts gethan, als daß ſie eine lange Gewohnheit, oder ein ſtillſchweigendes von Kayſern, Koͤnigen, Fuͤrſten und Herren, uͤberall ge- billigtes Geſetz, zu einem ausdruͤcklichen und geſchriebe- nen erhoben haben. Man wird auch, ohne den Adel gar zu leicht, und nach einer natuͤrlichen Folge, veraͤchtlich zu machen, nicht leicht weniger zulaſſen koͤnnen. Jn dem Zeitraum von 4 Abſtammungen, verjaͤhret und verſchwin- det das Andenken der perſoͤnlichen Fehler des erſten Er- werbers; die Nachwelt erhaͤlt den Helden und ſeine Tha- ten, und vergißt den Menſchen; das mit ihm in der Welt geweſene Menſchengeſchlecht iſt zugleich mit abgeſtorben; und es faͤllet ſeinen Nachkommen minder beſchwerlich, dem Urenkel die voͤllige Ehre zu bezeigen, als dem erſten Erwerber, der ihnen gleich, wo nicht minder, geweſen iſt. Man erinnert ſich eines Liberti, eines Libertini, und eines Libertini Filii, aber nicht leicht eines Libertini Ne- potis. Der Gang der menſchlichen Denkungsart erfor- dert mithin dieſe Schonung; und es iſt aus mehr als einem Grunde zu hoffen, daß das hoͤchſte Reichsober- haupt ſich fuͤr die Zahl 16 gern erklaͤren werde, wenn die Capitel, Orden, und Ritterſchaften, welche in den Beſitz ſind, keine andre als Altadliche in ihre geſchloſſene
Geſell-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0294"n="282"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.</hi></fw><lb/>
ungefaͤhr mit jener Boͤhmiſchen Landesordnung von einem<lb/>
Alter ſeyn: und wenn darin 4 <hirendition="#fr">edle</hi> Ahnen erfordert wer-<lb/>
den; ſo ſind dieſes nach demjenigen, was hier oben be-<lb/>
reits angefuͤhret iſt, in der That 16, weil dieſe 4 Ahnen<lb/>
nicht edel ſeyn konnten, ohne ebenfalls ihre 4 Ahnen<lb/>
zu haben.</p><lb/><p>Die Zahl 16 iſt alſo die gewoͤhnlichſte geweſen; und<lb/>
diejenigen Capitel, Orden und Ritterſchaften, welche<lb/>ſolche ſpaͤter namentlich erfodert, und daruͤber zu mehre-<lb/>
rer Vorſicht, in Abſicht auf Fremde beſondere Vereini-<lb/>
gungen gemacht haben, haben weiter nichts gethan, als<lb/>
daß ſie eine lange Gewohnheit, oder ein ſtillſchweigendes<lb/>
von Kayſern, Koͤnigen, Fuͤrſten und Herren, uͤberall ge-<lb/>
billigtes Geſetz, zu einem ausdruͤcklichen und geſchriebe-<lb/>
nen erhoben haben. Man wird auch, ohne den Adel gar<lb/>
zu leicht, und nach einer natuͤrlichen Folge, veraͤchtlich<lb/>
zu machen, nicht leicht weniger zulaſſen koͤnnen. Jn dem<lb/>
Zeitraum von 4 Abſtammungen, verjaͤhret und verſchwin-<lb/>
det das Andenken der perſoͤnlichen Fehler des erſten Er-<lb/>
werbers; die Nachwelt erhaͤlt den Helden und ſeine Tha-<lb/>
ten, und vergißt den Menſchen; das mit ihm in der Welt<lb/>
geweſene Menſchengeſchlecht iſt zugleich mit abgeſtorben;<lb/>
und es faͤllet ſeinen Nachkommen minder beſchwerlich,<lb/>
dem Urenkel die voͤllige Ehre zu bezeigen, als dem erſten<lb/>
Erwerber, der ihnen gleich, wo nicht minder, geweſen<lb/>
iſt. Man erinnert ſich eines <hirendition="#aq">Liberti,</hi> eines <hirendition="#aq">Libertini,</hi> und<lb/>
eines <hirendition="#aq">Libertini Filii,</hi> aber nicht leicht eines <hirendition="#aq">Libertini Ne-<lb/>
potis.</hi> Der Gang der menſchlichen Denkungsart erfor-<lb/>
dert mithin dieſe Schonung; und es iſt aus mehr als<lb/>
einem Grunde zu hoffen, daß das hoͤchſte Reichsober-<lb/>
haupt ſich fuͤr die Zahl 16 gern erklaͤren werde, wenn<lb/>
die Capitel, Orden, und Ritterſchaften, welche in den<lb/>
Beſitz ſind, keine andre als Altadliche in ihre geſchloſſene<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Geſell-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[282/0294]
Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
ungefaͤhr mit jener Boͤhmiſchen Landesordnung von einem
Alter ſeyn: und wenn darin 4 edle Ahnen erfordert wer-
den; ſo ſind dieſes nach demjenigen, was hier oben be-
reits angefuͤhret iſt, in der That 16, weil dieſe 4 Ahnen
nicht edel ſeyn konnten, ohne ebenfalls ihre 4 Ahnen
zu haben.
Die Zahl 16 iſt alſo die gewoͤhnlichſte geweſen; und
diejenigen Capitel, Orden und Ritterſchaften, welche
ſolche ſpaͤter namentlich erfodert, und daruͤber zu mehre-
rer Vorſicht, in Abſicht auf Fremde beſondere Vereini-
gungen gemacht haben, haben weiter nichts gethan, als
daß ſie eine lange Gewohnheit, oder ein ſtillſchweigendes
von Kayſern, Koͤnigen, Fuͤrſten und Herren, uͤberall ge-
billigtes Geſetz, zu einem ausdruͤcklichen und geſchriebe-
nen erhoben haben. Man wird auch, ohne den Adel gar
zu leicht, und nach einer natuͤrlichen Folge, veraͤchtlich
zu machen, nicht leicht weniger zulaſſen koͤnnen. Jn dem
Zeitraum von 4 Abſtammungen, verjaͤhret und verſchwin-
det das Andenken der perſoͤnlichen Fehler des erſten Er-
werbers; die Nachwelt erhaͤlt den Helden und ſeine Tha-
ten, und vergißt den Menſchen; das mit ihm in der Welt
geweſene Menſchengeſchlecht iſt zugleich mit abgeſtorben;
und es faͤllet ſeinen Nachkommen minder beſchwerlich,
dem Urenkel die voͤllige Ehre zu bezeigen, als dem erſten
Erwerber, der ihnen gleich, wo nicht minder, geweſen
iſt. Man erinnert ſich eines Liberti, eines Libertini, und
eines Libertini Filii, aber nicht leicht eines Libertini Ne-
potis. Der Gang der menſchlichen Denkungsart erfor-
dert mithin dieſe Schonung; und es iſt aus mehr als
einem Grunde zu hoffen, daß das hoͤchſte Reichsober-
haupt ſich fuͤr die Zahl 16 gern erklaͤren werde, wenn
die Capitel, Orden, und Ritterſchaften, welche in den
Beſitz ſind, keine andre als Altadliche in ihre geſchloſſene
Geſell-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/294>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.