Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber die Adelsprobe in Deutschland.
viel später zuzulassen. Alle aber kommen im Grunde darin
überein, daß die 16 Ahnen von Ritters Art seyn sollen.
Die Absicht dieser Bestimmung war blos eine Erleichte-
rung des ehemaligen Beweises, und ein glücklicher Mit-
telweg, besonders für Fremde, keinesweges aber eine be-
schwerliche Neuerung für andere Stände. Denn wenn
man diese Bestimmung ganz unterlassen, und sich damit
begnügt hätte, keinen in seine geschlossene Gesellschaft
aufzunehmen, der nicht von gutem alten Adel wäre: so
würden die Nachkommen eines neugeadelten in dem Laufe
unendlicher Jahre niemals haben aufgenommen werden
können. Wahrscheinlich ist man auf die Zahl Sechszehn
durch einen uralten Gebrauch, wo nicht durch das gött-
liche Gebot, daß die Sünden der Väter bis ins 4te Glied
bestrafet werden sollen, geführet worden. Denn in der
Böhmischen Landesordnung vom Jahr 1480, heißt es
schon, man solle den Kindern der neugeschöpften Ritter,
bis in das dritte Glied, nicht Edel- und Ehrenvest, son-
dern blos Ehrbarvest geben, weil sie den alten Geschlech-
tern aus der Ritterschaft nicht gleich wären. Hier wer-
den also schon 16 Ahnen erfodert, indem die Abstammung
eines neuen Ritters erst im 4ten oder 5ten Gliede, das
Ehrenwort Edelfest erhalten soll.

Diese nähere Bestimmung war überflüßig, so lange
die Ritterwürde nicht vom Kayser, sondern von der Rit-
terlichen Jnnung als ein Meisterrecht ertheilt, und keiner
von diesen zum Waffenjungen und Knapen angenommen
wurde, der nicht von guter ritterlicher Art war. Wenn
man also höher hinauf nicht so viel von der Zahl der Ah-
nen findet: so ist dieses keinesweges ein Veweis, daß sol-
che vorher nicht erfodert wurde. Die Turnierordnungen,
so weit man solche als richtig annehmen kann, werden

unge-
S 5

Ueber die Adelsprobe in Deutſchland.
viel ſpaͤter zuzulaſſen. Alle aber kommen im Grunde darin
uͤberein, daß die 16 Ahnen von Ritters Art ſeyn ſollen.
Die Abſicht dieſer Beſtimmung war blos eine Erleichte-
rung des ehemaligen Beweiſes, und ein gluͤcklicher Mit-
telweg, beſonders fuͤr Fremde, keinesweges aber eine be-
ſchwerliche Neuerung fuͤr andere Staͤnde. Denn wenn
man dieſe Beſtimmung ganz unterlaſſen, und ſich damit
begnuͤgt haͤtte, keinen in ſeine geſchloſſene Geſellſchaft
aufzunehmen, der nicht von gutem alten Adel waͤre: ſo
wuͤrden die Nachkommen eines neugeadelten in dem Laufe
unendlicher Jahre niemals haben aufgenommen werden
koͤnnen. Wahrſcheinlich iſt man auf die Zahl Sechszehn
durch einen uralten Gebrauch, wo nicht durch das goͤtt-
liche Gebot, daß die Suͤnden der Vaͤter bis ins 4te Glied
beſtrafet werden ſollen, gefuͤhret worden. Denn in der
Boͤhmiſchen Landesordnung vom Jahr 1480, heißt es
ſchon, man ſolle den Kindern der neugeſchoͤpften Ritter,
bis in das dritte Glied, nicht Edel- und Ehrenveſt, ſon-
dern blos Ehrbarveſt geben, weil ſie den alten Geſchlech-
tern aus der Ritterſchaft nicht gleich waͤren. Hier wer-
den alſo ſchon 16 Ahnen erfodert, indem die Abſtammung
eines neuen Ritters erſt im 4ten oder 5ten Gliede, das
Ehrenwort Edelfeſt erhalten ſoll.

Dieſe naͤhere Beſtimmung war uͤberfluͤßig, ſo lange
die Ritterwuͤrde nicht vom Kayſer, ſondern von der Rit-
terlichen Jnnung als ein Meiſterrecht ertheilt, und keiner
von dieſen zum Waffenjungen und Knapen angenommen
wurde, der nicht von guter ritterlicher Art war. Wenn
man alſo hoͤher hinauf nicht ſo viel von der Zahl der Ah-
nen findet: ſo iſt dieſes keinesweges ein Veweis, daß ſol-
che vorher nicht erfodert wurde. Die Turnierordnungen,
ſo weit man ſolche als richtig annehmen kann, werden

unge-
S 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="281"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Adelsprobe in Deut&#x017F;chland.</hi></fw><lb/>
viel &#x017F;pa&#x0364;ter zuzula&#x017F;&#x017F;en. Alle aber kommen im Grunde darin<lb/>
u&#x0364;berein, daß die 16 Ahnen von Ritters Art &#x017F;eyn &#x017F;ollen.<lb/>
Die Ab&#x017F;icht die&#x017F;er Be&#x017F;timmung war blos eine Erleichte-<lb/>
rung des ehemaligen Bewei&#x017F;es, und ein glu&#x0364;cklicher Mit-<lb/>
telweg, be&#x017F;onders fu&#x0364;r Fremde, keinesweges aber eine be-<lb/>
&#x017F;chwerliche Neuerung fu&#x0364;r andere Sta&#x0364;nde. Denn wenn<lb/>
man die&#x017F;e Be&#x017F;timmung ganz unterla&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ich damit<lb/>
begnu&#x0364;gt ha&#x0364;tte, keinen in &#x017F;eine ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
aufzunehmen, der nicht von gutem alten Adel wa&#x0364;re: &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rden die Nachkommen eines neugeadelten in dem Laufe<lb/>
unendlicher Jahre niemals haben aufgenommen werden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t man auf die Zahl <hi rendition="#fr">Sechszehn</hi><lb/>
durch einen uralten Gebrauch, wo nicht durch das go&#x0364;tt-<lb/>
liche Gebot, daß die Su&#x0364;nden der Va&#x0364;ter bis ins 4te <hi rendition="#fr">Glied</hi><lb/>
be&#x017F;trafet werden &#x017F;ollen, gefu&#x0364;hret worden. Denn in der<lb/>
Bo&#x0364;hmi&#x017F;chen Landesordnung vom Jahr 1480, heißt es<lb/>
&#x017F;chon, man &#x017F;olle den Kindern der neuge&#x017F;cho&#x0364;pften Ritter,<lb/>
bis in das dritte Glied, nicht <hi rendition="#fr">Edel- und Ehrenve&#x017F;t</hi>, &#x017F;on-<lb/>
dern blos <hi rendition="#fr">Ehrbarve&#x017F;t</hi> geben, weil &#x017F;ie den alten Ge&#x017F;chlech-<lb/>
tern aus der Ritter&#x017F;chaft nicht gleich wa&#x0364;ren. Hier wer-<lb/>
den al&#x017F;o &#x017F;chon 16 Ahnen erfodert, indem die Ab&#x017F;tammung<lb/>
eines neuen Ritters er&#x017F;t im 4ten oder 5ten Gliede, das<lb/>
Ehrenwort <hi rendition="#fr">Edelfe&#x017F;t</hi> erhalten &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e na&#x0364;here Be&#x017F;timmung war u&#x0364;berflu&#x0364;ßig, &#x017F;o lange<lb/>
die Ritterwu&#x0364;rde nicht vom Kay&#x017F;er, &#x017F;ondern von der Rit-<lb/>
terlichen Jnnung als ein Mei&#x017F;terrecht ertheilt, und keiner<lb/>
von die&#x017F;en zum Waffenjungen und Knapen angenommen<lb/>
wurde, der nicht von guter ritterlicher Art war. Wenn<lb/>
man al&#x017F;o ho&#x0364;her hinauf nicht &#x017F;o viel von der Zahl der Ah-<lb/>
nen findet: &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;es keinesweges ein Veweis, daß &#x017F;ol-<lb/>
che vorher nicht erfodert wurde. Die Turnierordnungen,<lb/>
&#x017F;o weit man &#x017F;olche als richtig annehmen kann, werden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 5</fw><fw place="bottom" type="catch">unge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0293] Ueber die Adelsprobe in Deutſchland. viel ſpaͤter zuzulaſſen. Alle aber kommen im Grunde darin uͤberein, daß die 16 Ahnen von Ritters Art ſeyn ſollen. Die Abſicht dieſer Beſtimmung war blos eine Erleichte- rung des ehemaligen Beweiſes, und ein gluͤcklicher Mit- telweg, beſonders fuͤr Fremde, keinesweges aber eine be- ſchwerliche Neuerung fuͤr andere Staͤnde. Denn wenn man dieſe Beſtimmung ganz unterlaſſen, und ſich damit begnuͤgt haͤtte, keinen in ſeine geſchloſſene Geſellſchaft aufzunehmen, der nicht von gutem alten Adel waͤre: ſo wuͤrden die Nachkommen eines neugeadelten in dem Laufe unendlicher Jahre niemals haben aufgenommen werden koͤnnen. Wahrſcheinlich iſt man auf die Zahl Sechszehn durch einen uralten Gebrauch, wo nicht durch das goͤtt- liche Gebot, daß die Suͤnden der Vaͤter bis ins 4te Glied beſtrafet werden ſollen, gefuͤhret worden. Denn in der Boͤhmiſchen Landesordnung vom Jahr 1480, heißt es ſchon, man ſolle den Kindern der neugeſchoͤpften Ritter, bis in das dritte Glied, nicht Edel- und Ehrenveſt, ſon- dern blos Ehrbarveſt geben, weil ſie den alten Geſchlech- tern aus der Ritterſchaft nicht gleich waͤren. Hier wer- den alſo ſchon 16 Ahnen erfodert, indem die Abſtammung eines neuen Ritters erſt im 4ten oder 5ten Gliede, das Ehrenwort Edelfeſt erhalten ſoll. Dieſe naͤhere Beſtimmung war uͤberfluͤßig, ſo lange die Ritterwuͤrde nicht vom Kayſer, ſondern von der Rit- terlichen Jnnung als ein Meiſterrecht ertheilt, und keiner von dieſen zum Waffenjungen und Knapen angenommen wurde, der nicht von guter ritterlicher Art war. Wenn man alſo hoͤher hinauf nicht ſo viel von der Zahl der Ah- nen findet: ſo iſt dieſes keinesweges ein Veweis, daß ſol- che vorher nicht erfodert wurde. Die Turnierordnungen, ſo weit man ſolche als richtig annehmen kann, werden unge- S 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/293
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/293>, abgerufen am 21.11.2024.