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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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mit Leibeignen in freye Erbpacht.

Jn dieser Verlegenheit müssen wir wieder unsre Zu-
flucht zur Eigenthumsordnung nehmen; diese sagt:

Diejenigen welche vom Erbe mit Aussteuer abgegü-
tet, darauf Verzicht gethan oder andre Erben und
Güter angenommen haben, sollen keinen Regres
zur Erbfolge im Hofe haben, es sey dann daß der
Gutsherr sie mittelst gebührender Qualification hin-
wieder dazu lassen wolle.

Und dieses muß auch der Grund der Erbfolge im Hofe
bey freyen Personen bleiben. Jedes Kind, was aus dem
Hofe freyet, ein Ausdruck der sich auch auf die alte Hö-
rigkeit bezieht, muß, so bald der Priester den Ehesegen
gesprochen hat, nichts weiter als seine Auslobung for-
dern können, und damit von aller Erbfolge im Hofe ab-
geschnitten seyn. Das Erbrecht fällt von einem Kinde
aufs andre, so lange sie noch ungefreyet sind; unter die-
sen kann eins zum Vortheil des andern darauf Verzicht
thun, aber es kann ohne gutsherrliche Bewilligung kein
Verzicht oder Abstand zum Vortheil solcher Kinder gelten,
welche das väterliche Gehör, oder den Hof mit Heyra-
then verlassen haben. Und diesen Grundsatz zu verstär-
ken, kann man im übrigen die völlige Analogie der Ei-
genthumsordnung gelten lassen.

Bey dem Leibeignen streitet man darüber, ob dieje-
nigen Kinder, welche auf eine andre Stelle in dem näm-
lichen Eigenthum heyrathen, ihr Erbrecht verlieren? Ein
gleicher Streit erhob sich auch ehedem im Hofrechte über
die Verandersettung (etablissement ailleurs) und man be-
hauptete, daß die Kinder, welche in derselben Hulde blie-
ben, sich nicht verander setteten. Eben so konnte es auch
geschehen, daß bey dem Ausdruck aus dem Hofe heyra-
then
, die Frage entstünde, ob Kinder die im Hofe heyra-
theten und auf demselben entweder als Vormünder des

Aner-
mit Leibeignen in freye Erbpacht.

Jn dieſer Verlegenheit muͤſſen wir wieder unſre Zu-
flucht zur Eigenthumsordnung nehmen; dieſe ſagt:

Diejenigen welche vom Erbe mit Ausſteuer abgeguͤ-
tet, darauf Verzicht gethan oder andre Erben und
Guͤter angenommen haben, ſollen keinen Regres
zur Erbfolge im Hofe haben, es ſey dann daß der
Gutsherr ſie mittelſt gebuͤhrender Qualification hin-
wieder dazu laſſen wolle.

Und dieſes muß auch der Grund der Erbfolge im Hofe
bey freyen Perſonen bleiben. Jedes Kind, was aus dem
Hofe freyet, ein Ausdruck der ſich auch auf die alte Hoͤ-
rigkeit bezieht, muß, ſo bald der Prieſter den Eheſegen
geſprochen hat, nichts weiter als ſeine Auslobung for-
dern koͤnnen, und damit von aller Erbfolge im Hofe ab-
geſchnitten ſeyn. Das Erbrecht faͤllt von einem Kinde
aufs andre, ſo lange ſie noch ungefreyet ſind; unter die-
ſen kann eins zum Vortheil des andern darauf Verzicht
thun, aber es kann ohne gutsherrliche Bewilligung kein
Verzicht oder Abſtand zum Vortheil ſolcher Kinder gelten,
welche das vaͤterliche Gehoͤr, oder den Hof mit Heyra-
then verlaſſen haben. Und dieſen Grundſatz zu verſtaͤr-
ken, kann man im uͤbrigen die voͤllige Analogie der Ei-
genthumsordnung gelten laſſen.

Bey dem Leibeignen ſtreitet man daruͤber, ob dieje-
nigen Kinder, welche auf eine andre Stelle in dem naͤm-
lichen Eigenthum heyrathen, ihr Erbrecht verlieren? Ein
gleicher Streit erhob ſich auch ehedem im Hofrechte uͤber
die Veranderſettung (etabliſſement ailleurs) und man be-
hauptete, daß die Kinder, welche in derſelben Hulde blie-
ben, ſich nicht verander ſetteten. Eben ſo konnte es auch
geſchehen, daß bey dem Ausdruck aus dem Hofe heyra-
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, die Frage entſtuͤnde, ob Kinder die im Hofe heyra-
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[331/0343] mit Leibeignen in freye Erbpacht. Jn dieſer Verlegenheit muͤſſen wir wieder unſre Zu- flucht zur Eigenthumsordnung nehmen; dieſe ſagt: Diejenigen welche vom Erbe mit Ausſteuer abgeguͤ- tet, darauf Verzicht gethan oder andre Erben und Guͤter angenommen haben, ſollen keinen Regres zur Erbfolge im Hofe haben, es ſey dann daß der Gutsherr ſie mittelſt gebuͤhrender Qualification hin- wieder dazu laſſen wolle. Und dieſes muß auch der Grund der Erbfolge im Hofe bey freyen Perſonen bleiben. Jedes Kind, was aus dem Hofe freyet, ein Ausdruck der ſich auch auf die alte Hoͤ- rigkeit bezieht, muß, ſo bald der Prieſter den Eheſegen geſprochen hat, nichts weiter als ſeine Auslobung for- dern koͤnnen, und damit von aller Erbfolge im Hofe ab- geſchnitten ſeyn. Das Erbrecht faͤllt von einem Kinde aufs andre, ſo lange ſie noch ungefreyet ſind; unter die- ſen kann eins zum Vortheil des andern darauf Verzicht thun, aber es kann ohne gutsherrliche Bewilligung kein Verzicht oder Abſtand zum Vortheil ſolcher Kinder gelten, welche das vaͤterliche Gehoͤr, oder den Hof mit Heyra- then verlaſſen haben. Und dieſen Grundſatz zu verſtaͤr- ken, kann man im uͤbrigen die voͤllige Analogie der Ei- genthumsordnung gelten laſſen. Bey dem Leibeignen ſtreitet man daruͤber, ob dieje- nigen Kinder, welche auf eine andre Stelle in dem naͤm- lichen Eigenthum heyrathen, ihr Erbrecht verlieren? Ein gleicher Streit erhob ſich auch ehedem im Hofrechte uͤber die Veranderſettung (etabliſſement ailleurs) und man be- hauptete, daß die Kinder, welche in derſelben Hulde blie- ben, ſich nicht verander ſetteten. Eben ſo konnte es auch geſchehen, daß bey dem Ausdruck aus dem Hofe heyra- then, die Frage entſtuͤnde, ob Kinder die im Hofe heyra- theten und auf demſelben entweder als Vormuͤnder des Aner-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/343>, abgerufen am 25.11.2024.