nach, zu hart behandelt, und manches Stück ohne Grund verworfen hatte. Zur Probe lege ich Jhnen eines davon bey *), was damals als anstößig ge- gen die Religion in der Censur unterdrückt, und von meinem Vater als eine Urkunde der Denkart vor 40 Jahren aufbewahret ist.
Jetzt ist dieser Aufsatz vielleicht keinem als mei- nem Vater anstößig, der seitdem die chimische Un- tersuchung der menschlichen Tugenden höchst zweck- widrig findet, und wenn ihm das Ensemble gefällt oder wohl schmeckt, die Kunst des Meisters in Zu- sammensetzung widriger Jngredienzien bewundert. Das sonderbarste dabey ist, daß die von dem Cen- sor für ganz abscheulich erklärte Stelle: "Glaubet nur, nach funfzig Jahren kann sich kein Mensch bekehren", die im Grunde weiter nichts sagen soll, als daß man im Alter sich nicht leicht neue Fertigkeiten, die doch zu jeder Sinnesänderung erforderlich sind, er- warten kann, wörtlich aus Saurins Predigt Sur le Renvoi de la conversion genommen waren.
Es mag dieses zugleich zur Probe dienen, wie meines Vaters Geschmack sich mit den Jahren verändert hat, nachdem er von den Büchern zu Geschäften übergegangen ist.
Uebrigens vergessen Sie nicht sich zuweilen zu erinnern Jhrer Freundin Jenny von Voigts.
Jn-
*) Man sehe Nr. 49.
nach, zu hart behandelt, und manches Stuͤck ohne Grund verworfen hatte. Zur Probe lege ich Jhnen eines davon bey *), was damals als anſtoͤßig ge- gen die Religion in der Cenſur unterdruͤckt, und von meinem Vater als eine Urkunde der Denkart vor 40 Jahren aufbewahret iſt.
Jetzt iſt dieſer Aufſatz vielleicht keinem als mei- nem Vater anſtoͤßig, der ſeitdem die chimiſche Un- terſuchung der menſchlichen Tugenden hoͤchſt zweck- widrig findet, und wenn ihm das Enſemble gefaͤllt oder wohl ſchmeckt, die Kunſt des Meiſters in Zu- ſammenſetzung widriger Jngredienzien bewundert. Das ſonderbarſte dabey iſt, daß die von dem Cen- ſor fuͤr ganz abſcheulich erklaͤrte Stelle: „Glaubet nur, nach funfzig Jahren kann ſich kein Menſch bekehren“, die im Grunde weiter nichts ſagen ſoll, als daß man im Alter ſich nicht leicht neue Fertigkeiten, die doch zu jeder Sinnesaͤnderung erforderlich ſind, er- warten kann, woͤrtlich aus Saurins Predigt Sur le Renvoi de la converſion genommen waren.
Es mag dieſes zugleich zur Probe dienen, wie meines Vaters Geſchmack ſich mit den Jahren veraͤndert hat, nachdem er von den Buͤchern zu Geſchaͤften uͤbergegangen iſt.
Uebrigens vergeſſen Sie nicht ſich zuweilen zu erinnern Jhrer Freundin Jenny von Voigts.
Jn-
*) Man ſehe Nr. 49.
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[0008]
nach, zu hart behandelt, und manches Stuͤck ohne
Grund verworfen hatte. Zur Probe lege ich Jhnen
eines davon bey *), was damals als anſtoͤßig ge-
gen die Religion in der Cenſur unterdruͤckt, und von
meinem Vater als eine Urkunde der Denkart vor
40 Jahren aufbewahret iſt.
Jetzt iſt dieſer Aufſatz vielleicht keinem als mei-
nem Vater anſtoͤßig, der ſeitdem die chimiſche Un-
terſuchung der menſchlichen Tugenden hoͤchſt zweck-
widrig findet, und wenn ihm das Enſemble gefaͤllt
oder wohl ſchmeckt, die Kunſt des Meiſters in Zu-
ſammenſetzung widriger Jngredienzien bewundert.
Das ſonderbarſte dabey iſt, daß die von dem Cen-
ſor fuͤr ganz abſcheulich erklaͤrte Stelle:
„Glaubet nur, nach funfzig Jahren kann ſich
kein Menſch bekehren“,
die im Grunde weiter nichts ſagen ſoll, als daß
man im Alter ſich nicht leicht neue Fertigkeiten, die
doch zu jeder Sinnesaͤnderung erforderlich ſind, er-
warten kann, woͤrtlich aus Saurins Predigt
Sur le Renvoi de la converſion genommen waren.
Es mag dieſes zugleich zur Probe dienen, wie
meines Vaters Geſchmack ſich mit den Jahren
veraͤndert hat, nachdem er von den Buͤchern zu
Geſchaͤften uͤbergegangen iſt.
Uebrigens vergeſſen Sie nicht ſich zuweilen zu erinnern
Jhrer Freundin
Jenny von Voigts.
Jn-
*) Man ſehe Nr. 49.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/8>, abgerufen am 21.11.2024.
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