Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Was ist die Liebe zum Vaterlande?
nichts als die Rückreise in seine Heimath herstellen würde.
Nun blieb dem Herrn, wenn er sich nicht mit den Be-
gräbnißkosten beladen wollte, kein anderer Weg übrig
als ihn heimzuschicken, und von dem Augenblick an, da
dem Kranken diese frohe Nachricht verkündiget wurde,
erholte er sich dergestalt, daß er in wenig Tagen seine
Reise antreten wollte. Gott sey ewig Lob und Dank,
Morgen reise ich in mein geliebtes Vaterland, sagte er
eben mit der reinsten Andacht zu sich selbst, als sein Herr
herein kam, und ihm die Rechnung von den Unkosten
seiner Krankheit, und was er bey ihm, ohne zu arbeiten,
verzehret hätte, vorsagte. Hier, fügte er hinzu, diesen
Pfeiffenkopf, diese Schnallen und diese Knöpfe, will ich
dafür zum Unterpfande behalten, und nun könnt ihr in
Gottes Namen reisen wenn es euch gefällt.

Jn Ewigkeit nicht, erwiderte der junge Mann, nach-
dem er sich aus seiner ersten Bestürzung erholet hatte;
ich befinde mich jetzt so gut, daß ich euch gar nicht zu ver-
lassen, und Morgen anstatt die Reise anzutreten, eure
Arbeit wieder anzufangen gedenke. Er that es auch wirk-
lich und blieb so lange gesund, bis er nicht allein seine
Rechnung getilget, und seine Schnallen, seinen Pfeiffen-
kopf und seine Knöpfe zurück erhalten, sondern sich noch
ein spanisches mit Silber beschlagenes Rohr, und eine
große silberne Schnupftobacksdose erworben hatte. Nun
hielt ihn aber auch nichts ab, in sein Dorf zurück zu keh-
ren, und dort mit seinen herrlichen Sachen zu glänzen.

Ach! sagte der Pfarrer, als ihm dieses Geschichtgen
erzählet wurde, was ist die Vaterlandsliebe, wenn man
ihr das eitle Glück daheim mit den auswärts erworbe-
nen Schnallen und Knöpfen prahlen zu können entzieht?
Der eine wünscht seinem alten Rector zu zeigen, was aus

dem
F 2

Was iſt die Liebe zum Vaterlande?
nichts als die Ruͤckreiſe in ſeine Heimath herſtellen wuͤrde.
Nun blieb dem Herrn, wenn er ſich nicht mit den Be-
graͤbnißkoſten beladen wollte, kein anderer Weg uͤbrig
als ihn heimzuſchicken, und von dem Augenblick an, da
dem Kranken dieſe frohe Nachricht verkuͤndiget wurde,
erholte er ſich dergeſtalt, daß er in wenig Tagen ſeine
Reiſe antreten wollte. Gott ſey ewig Lob und Dank,
Morgen reiſe ich in mein geliebtes Vaterland, ſagte er
eben mit der reinſten Andacht zu ſich ſelbſt, als ſein Herr
herein kam, und ihm die Rechnung von den Unkoſten
ſeiner Krankheit, und was er bey ihm, ohne zu arbeiten,
verzehret haͤtte, vorſagte. Hier, fuͤgte er hinzu, dieſen
Pfeiffenkopf, dieſe Schnallen und dieſe Knoͤpfe, will ich
dafuͤr zum Unterpfande behalten, und nun koͤnnt ihr in
Gottes Namen reiſen wenn es euch gefaͤllt.

Jn Ewigkeit nicht, erwiderte der junge Mann, nach-
dem er ſich aus ſeiner erſten Beſtuͤrzung erholet hatte;
ich befinde mich jetzt ſo gut, daß ich euch gar nicht zu ver-
laſſen, und Morgen anſtatt die Reiſe anzutreten, eure
Arbeit wieder anzufangen gedenke. Er that es auch wirk-
lich und blieb ſo lange geſund, bis er nicht allein ſeine
Rechnung getilget, und ſeine Schnallen, ſeinen Pfeiffen-
kopf und ſeine Knoͤpfe zuruͤck erhalten, ſondern ſich noch
ein ſpaniſches mit Silber beſchlagenes Rohr, und eine
große ſilberne Schnupftobacksdoſe erworben hatte. Nun
hielt ihn aber auch nichts ab, in ſein Dorf zuruͤck zu keh-
ren, und dort mit ſeinen herrlichen Sachen zu glaͤnzen.

Ach! ſagte der Pfarrer, als ihm dieſes Geſchichtgen
erzaͤhlet wurde, was iſt die Vaterlandsliebe, wenn man
ihr das eitle Gluͤck daheim mit den auswaͤrts erworbe-
nen Schnallen und Knoͤpfen prahlen zu koͤnnen entzieht?
Der eine wuͤnſcht ſeinem alten Rector zu zeigen, was aus

dem
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="83"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Was i&#x017F;t die Liebe zum Vaterlande?</hi></fw><lb/>
nichts als die Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e in &#x017F;eine Heimath her&#x017F;tellen wu&#x0364;rde.<lb/>
Nun blieb dem Herrn, wenn er &#x017F;ich nicht mit den Be-<lb/>
gra&#x0364;bnißko&#x017F;ten beladen wollte, kein anderer Weg u&#x0364;brig<lb/>
als ihn heimzu&#x017F;chicken, und von dem Augenblick an, da<lb/>
dem Kranken die&#x017F;e frohe Nachricht verku&#x0364;ndiget wurde,<lb/>
erholte er &#x017F;ich derge&#x017F;talt, daß er in wenig Tagen &#x017F;eine<lb/>
Rei&#x017F;e antreten wollte. Gott &#x017F;ey ewig Lob und Dank,<lb/>
Morgen rei&#x017F;e ich in mein geliebtes Vaterland, &#x017F;agte er<lb/>
eben mit der rein&#x017F;ten Andacht zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, als &#x017F;ein Herr<lb/>
herein kam, und ihm die Rechnung von den Unko&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;einer Krankheit, und was er bey ihm, ohne zu arbeiten,<lb/>
verzehret ha&#x0364;tte, vor&#x017F;agte. Hier, fu&#x0364;gte er hinzu, die&#x017F;en<lb/>
Pfeiffenkopf, die&#x017F;e Schnallen und die&#x017F;e Kno&#x0364;pfe, will ich<lb/>
dafu&#x0364;r zum Unterpfande behalten, und nun ko&#x0364;nnt ihr in<lb/>
Gottes Namen rei&#x017F;en wenn es euch gefa&#x0364;llt.</p><lb/>
          <p>Jn Ewigkeit nicht, erwiderte der junge Mann, nach-<lb/>
dem er &#x017F;ich aus &#x017F;einer er&#x017F;ten Be&#x017F;tu&#x0364;rzung erholet hatte;<lb/>
ich befinde mich jetzt &#x017F;o gut, daß ich euch gar nicht zu ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und Morgen an&#x017F;tatt die Rei&#x017F;e anzutreten, eure<lb/>
Arbeit wieder anzufangen gedenke. Er that es auch wirk-<lb/>
lich und blieb &#x017F;o lange ge&#x017F;und, bis er nicht allein &#x017F;eine<lb/>
Rechnung getilget, und &#x017F;eine Schnallen, &#x017F;einen Pfeiffen-<lb/>
kopf und &#x017F;eine Kno&#x0364;pfe zuru&#x0364;ck erhalten, &#x017F;ondern &#x017F;ich noch<lb/>
ein &#x017F;pani&#x017F;ches mit Silber be&#x017F;chlagenes Rohr, und eine<lb/>
große &#x017F;ilberne Schnupftobacksdo&#x017F;e erworben hatte. Nun<lb/>
hielt ihn aber auch nichts ab, in &#x017F;ein Dorf zuru&#x0364;ck zu keh-<lb/>
ren, und dort mit &#x017F;einen herrlichen Sachen zu gla&#x0364;nzen.</p><lb/>
          <p>Ach! &#x017F;agte der Pfarrer, als ihm die&#x017F;es Ge&#x017F;chichtgen<lb/>
erza&#x0364;hlet wurde, was i&#x017F;t die Vaterlandsliebe, wenn man<lb/>
ihr das eitle Glu&#x0364;ck daheim mit den auswa&#x0364;rts erworbe-<lb/>
nen Schnallen und Kno&#x0364;pfen prahlen zu ko&#x0364;nnen entzieht?<lb/>
Der eine wu&#x0364;n&#x017F;cht &#x017F;einem alten Rector zu zeigen, was aus<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0095] Was iſt die Liebe zum Vaterlande? nichts als die Ruͤckreiſe in ſeine Heimath herſtellen wuͤrde. Nun blieb dem Herrn, wenn er ſich nicht mit den Be- graͤbnißkoſten beladen wollte, kein anderer Weg uͤbrig als ihn heimzuſchicken, und von dem Augenblick an, da dem Kranken dieſe frohe Nachricht verkuͤndiget wurde, erholte er ſich dergeſtalt, daß er in wenig Tagen ſeine Reiſe antreten wollte. Gott ſey ewig Lob und Dank, Morgen reiſe ich in mein geliebtes Vaterland, ſagte er eben mit der reinſten Andacht zu ſich ſelbſt, als ſein Herr herein kam, und ihm die Rechnung von den Unkoſten ſeiner Krankheit, und was er bey ihm, ohne zu arbeiten, verzehret haͤtte, vorſagte. Hier, fuͤgte er hinzu, dieſen Pfeiffenkopf, dieſe Schnallen und dieſe Knoͤpfe, will ich dafuͤr zum Unterpfande behalten, und nun koͤnnt ihr in Gottes Namen reiſen wenn es euch gefaͤllt. Jn Ewigkeit nicht, erwiderte der junge Mann, nach- dem er ſich aus ſeiner erſten Beſtuͤrzung erholet hatte; ich befinde mich jetzt ſo gut, daß ich euch gar nicht zu ver- laſſen, und Morgen anſtatt die Reiſe anzutreten, eure Arbeit wieder anzufangen gedenke. Er that es auch wirk- lich und blieb ſo lange geſund, bis er nicht allein ſeine Rechnung getilget, und ſeine Schnallen, ſeinen Pfeiffen- kopf und ſeine Knoͤpfe zuruͤck erhalten, ſondern ſich noch ein ſpaniſches mit Silber beſchlagenes Rohr, und eine große ſilberne Schnupftobacksdoſe erworben hatte. Nun hielt ihn aber auch nichts ab, in ſein Dorf zuruͤck zu keh- ren, und dort mit ſeinen herrlichen Sachen zu glaͤnzen. Ach! ſagte der Pfarrer, als ihm dieſes Geſchichtgen erzaͤhlet wurde, was iſt die Vaterlandsliebe, wenn man ihr das eitle Gluͤck daheim mit den auswaͤrts erworbe- nen Schnallen und Knoͤpfen prahlen zu koͤnnen entzieht? Der eine wuͤnſcht ſeinem alten Rector zu zeigen, was aus dem F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/95
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/95>, abgerufen am 31.10.2024.