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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Der Herr Sohn ist schlau.
und habe manches Geschäfte unter Händen gehabt, aber
immer die Leute gefürchtet, die keine Sache gut aus-
führen können, ohne auch die Ehre davon zu suchen und
sich dieselbe in reicher Maaße geben zu lassen. Bey mir
finden dergleichen Leute nie Vertrauen, und der Mann,
der seinem Freund nicht dienen kann, ohne mit einem
glänzenden Blicke um seinen Dank zu buhlen, ist doch
immer ein eitler Mann, der sich von andern selbstsüchti-
gen Menschen nur in der sanftern Manier und in einer
glücklichern Wahl unterscheidet. Zwar glänzt auch die
Freudenthräne in unserm Auge, und fließet der Erkennt-
lichkeit eines Freundes entgegen, den wir glücklich ge-
macht haben; dieses wissen Sie, gnädige Frau am be-
sten! ... Aber dieser, o dieser Glanz, wie sehr unter-
scheidet er sich von dem Ausdruck der gierigen Selbstge-
fälligkeit, die uns mit einem halb verschobenen Auge im
Vertrauen sagt: Gelt das habe ich recht klug gemacht!
hier habe ich ihnen recht gedienet!

Jedoch ich will hier der Natur etwas Spielraum
lassen, und wo diese endlich die verschiedenen Schatti-
rungen in einander fließen läßt, keine Gränzpfäle schla-
gen; ich möchte sonst, wenn ich einmal ein bisgen Ver-
dienst bey Jhnen nöthig hätte, und Jhnen eine recht gute
Handlung von mir erzählen könnte, vor lauter Philoso-
phie davon gar schweigen, und der Freundschaft die süße-
ste Nahrung entziehen. Nur das wollte ich eigentlich sa-
gen: Jhr Herr Sohn muß sich abgewöhnen für schlau
gelten zu wollen.

Unmöglich kann ich den Mann für würklich schlau
halten, der schlau scheinen will. So verführerisch der
Ruhm eines überlegnen Verstandes ist, und so gern wir
diesem lieben Götzen opfern: so gewiß handeln wir ge-
gen unsere eigne Absicht, und gegen unser wahres Jn-

teresse,
F 3

Der Herr Sohn iſt ſchlau.
und habe manches Geſchaͤfte unter Haͤnden gehabt, aber
immer die Leute gefuͤrchtet, die keine Sache gut aus-
fuͤhren koͤnnen, ohne auch die Ehre davon zu ſuchen und
ſich dieſelbe in reicher Maaße geben zu laſſen. Bey mir
finden dergleichen Leute nie Vertrauen, und der Mann,
der ſeinem Freund nicht dienen kann, ohne mit einem
glaͤnzenden Blicke um ſeinen Dank zu buhlen, iſt doch
immer ein eitler Mann, der ſich von andern ſelbſtſuͤchti-
gen Menſchen nur in der ſanftern Manier und in einer
gluͤcklichern Wahl unterſcheidet. Zwar glaͤnzt auch die
Freudenthraͤne in unſerm Auge, und fließet der Erkennt-
lichkeit eines Freundes entgegen, den wir gluͤcklich ge-
macht haben; dieſes wiſſen Sie, gnaͤdige Frau am be-
ſten! … Aber dieſer, o dieſer Glanz, wie ſehr unter-
ſcheidet er ſich von dem Ausdruck der gierigen Selbſtge-
faͤlligkeit, die uns mit einem halb verſchobenen Auge im
Vertrauen ſagt: Gelt das habe ich recht klug gemacht!
hier habe ich ihnen recht gedienet!

Jedoch ich will hier der Natur etwas Spielraum
laſſen, und wo dieſe endlich die verſchiedenen Schatti-
rungen in einander fließen laͤßt, keine Graͤnzpfaͤle ſchla-
gen; ich moͤchte ſonſt, wenn ich einmal ein bisgen Ver-
dienſt bey Jhnen noͤthig haͤtte, und Jhnen eine recht gute
Handlung von mir erzaͤhlen koͤnnte, vor lauter Philoſo-
phie davon gar ſchweigen, und der Freundſchaft die ſuͤße-
ſte Nahrung entziehen. Nur das wollte ich eigentlich ſa-
gen: Jhr Herr Sohn muß ſich abgewoͤhnen fuͤr ſchlau
gelten zu wollen.

Unmoͤglich kann ich den Mann fuͤr wuͤrklich ſchlau
halten, der ſchlau ſcheinen will. So verfuͤhreriſch der
Ruhm eines uͤberlegnen Verſtandes iſt, und ſo gern wir
dieſem lieben Goͤtzen opfern: ſo gewiß handeln wir ge-
gen unſere eigne Abſicht, und gegen unſer wahres Jn-

tereſſe,
F 3
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[85/0097] Der Herr Sohn iſt ſchlau. und habe manches Geſchaͤfte unter Haͤnden gehabt, aber immer die Leute gefuͤrchtet, die keine Sache gut aus- fuͤhren koͤnnen, ohne auch die Ehre davon zu ſuchen und ſich dieſelbe in reicher Maaße geben zu laſſen. Bey mir finden dergleichen Leute nie Vertrauen, und der Mann, der ſeinem Freund nicht dienen kann, ohne mit einem glaͤnzenden Blicke um ſeinen Dank zu buhlen, iſt doch immer ein eitler Mann, der ſich von andern ſelbſtſuͤchti- gen Menſchen nur in der ſanftern Manier und in einer gluͤcklichern Wahl unterſcheidet. Zwar glaͤnzt auch die Freudenthraͤne in unſerm Auge, und fließet der Erkennt- lichkeit eines Freundes entgegen, den wir gluͤcklich ge- macht haben; dieſes wiſſen Sie, gnaͤdige Frau am be- ſten! … Aber dieſer, o dieſer Glanz, wie ſehr unter- ſcheidet er ſich von dem Ausdruck der gierigen Selbſtge- faͤlligkeit, die uns mit einem halb verſchobenen Auge im Vertrauen ſagt: Gelt das habe ich recht klug gemacht! hier habe ich ihnen recht gedienet! Jedoch ich will hier der Natur etwas Spielraum laſſen, und wo dieſe endlich die verſchiedenen Schatti- rungen in einander fließen laͤßt, keine Graͤnzpfaͤle ſchla- gen; ich moͤchte ſonſt, wenn ich einmal ein bisgen Ver- dienſt bey Jhnen noͤthig haͤtte, und Jhnen eine recht gute Handlung von mir erzaͤhlen koͤnnte, vor lauter Philoſo- phie davon gar ſchweigen, und der Freundſchaft die ſuͤße- ſte Nahrung entziehen. Nur das wollte ich eigentlich ſa- gen: Jhr Herr Sohn muß ſich abgewoͤhnen fuͤr ſchlau gelten zu wollen. Unmoͤglich kann ich den Mann fuͤr wuͤrklich ſchlau halten, der ſchlau ſcheinen will. So verfuͤhreriſch der Ruhm eines uͤberlegnen Verſtandes iſt, und ſo gern wir dieſem lieben Goͤtzen opfern: ſo gewiß handeln wir ge- gen unſere eigne Abſicht, und gegen unſer wahres Jn- tereſſe, F 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/97>, abgerufen am 21.11.2024.