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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Unter den Schriften des Mittelalters sind denn namentlich
folgende bezeichnende Beispiele dieser drei Richtungen:

Christlich-theokratisch mit Begünstigung des geistlichen Ober-
hauptes sind: Thomas von Aquino, (De rebus publicis
et principum institutione;
) und Isidorus Isolanus,
(De regum principumque institutis.)

Auf christlicher Grundanschauung mit ghibellinischer Rich-
tung stehen z. B.: Dante, (De monarchia;) Marsilius,
(De translatione imperii;) P. von Andlo, (De imperio
romano-germanico.
)

Von den an die Griechen und Römer sich Anschließenden
sind vorzugsweise zu nennen: Egidius Romanus, Engel-
bertus Admontensis, F. Patricius
, vor Allen aber
Macchiavelli in seinen Abhandlungen über Livius.

Völlig mundgerecht für unsere wissenschaftlichen Bedürfnisse
und Formen sind diese Theorien freilich erst gemacht worden
von J. H. Majer, F. K. Eichhorn und Stahl.

III. Die neuere Zeit.

Die scholastisch-theokratische Philosophie des Mittelalters
wurde durch ein doppeltes Ereigniß zerstört. Eines Theiles durch
eine Umwandlung der Wissenschaft, welche ihrerseits wieder
theils von dem allgemeinen Wiedererwachen der klassischen Bil-
dung, theils von Bacon's neuer Methode der Untersuchung her-
rührte; anderen Theiles durch die Reformation, mit welcher die
Lehre von dem Einen christlichen Weltstaate unvereinbar war, und
welche überhaupt zu verständigem Prüfen auf allen geistigen
Gebieten den Anstoß gab. Die Wirkung trat jedoch erst lang-
sam ein, da zunächst kirchliche Streitigkeiten die allgemeine Theil-
nahme fesselten.

Als Gründer einer neuen Staatsrechtsphilosophie trat Hugo
Grotius
auf, welchen sein Bemühen, ein philosophisches Recht

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Unter den Schriften des Mittelalters ſind denn namentlich
folgende bezeichnende Beiſpiele dieſer drei Richtungen:

Chriſtlich-theokratiſch mit Begünſtigung des geiſtlichen Ober-
hauptes ſind: Thomas von Aquino, (De rebus publicis
et principum institutione;
) und Iſidorus Iſolanus,
(De regum principumque institutis.)

Auf chriſtlicher Grundanſchauung mit ghibelliniſcher Rich-
tung ſtehen z. B.: Dante, (De monarchia;) Marſilius,
(De translatione imperii;) P. von Andlo, (De imperio
romano-germanico.
)

Von den an die Griechen und Römer ſich Anſchließenden
ſind vorzugsweiſe zu nennen: Egidius Romanus, Engel-
bertus Admontenſis, F. Patricius
, vor Allen aber
Macchiavelli in ſeinen Abhandlungen über Livius.

Völlig mundgerecht für unſere wiſſenſchaftlichen Bedürfniſſe
und Formen ſind dieſe Theorien freilich erſt gemacht worden
von J. H. Majer, F. K. Eichhorn und Stahl.

III. Die neuere Zeit.

Die ſcholaſtiſch-theokratiſche Philoſophie des Mittelalters
wurde durch ein doppeltes Ereigniß zerſtört. Eines Theiles durch
eine Umwandlung der Wiſſenſchaft, welche ihrerſeits wieder
theils von dem allgemeinen Wiedererwachen der klaſſiſchen Bil-
dung, theils von Bacon’s neuer Methode der Unterſuchung her-
rührte; anderen Theiles durch die Reformation, mit welcher die
Lehre von dem Einen chriſtlichen Weltſtaate unvereinbar war, und
welche überhaupt zu verſtändigem Prüfen auf allen geiſtigen
Gebieten den Anſtoß gab. Die Wirkung trat jedoch erſt lang-
ſam ein, da zunächſt kirchliche Streitigkeiten die allgemeine Theil-
nahme feſſelten.

Als Gründer einer neuen Staatsrechtsphiloſophie trat Hugo
Grotius
auf, welchen ſein Bemühen, ein philoſophiſches Recht

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[179/0193] Unter den Schriften des Mittelalters ſind denn namentlich folgende bezeichnende Beiſpiele dieſer drei Richtungen: Chriſtlich-theokratiſch mit Begünſtigung des geiſtlichen Ober- hauptes ſind: Thomas von Aquino, (De rebus publicis et principum institutione;) und Iſidorus Iſolanus, (De regum principumque institutis.) Auf chriſtlicher Grundanſchauung mit ghibelliniſcher Rich- tung ſtehen z. B.: Dante, (De monarchia;) Marſilius, (De translatione imperii;) P. von Andlo, (De imperio romano-germanico.) Von den an die Griechen und Römer ſich Anſchließenden ſind vorzugsweiſe zu nennen: Egidius Romanus, Engel- bertus Admontenſis, F. Patricius, vor Allen aber Macchiavelli in ſeinen Abhandlungen über Livius. Völlig mundgerecht für unſere wiſſenſchaftlichen Bedürfniſſe und Formen ſind dieſe Theorien freilich erſt gemacht worden von J. H. Majer, F. K. Eichhorn und Stahl. III. Die neuere Zeit. Die ſcholaſtiſch-theokratiſche Philoſophie des Mittelalters wurde durch ein doppeltes Ereigniß zerſtört. Eines Theiles durch eine Umwandlung der Wiſſenſchaft, welche ihrerſeits wieder theils von dem allgemeinen Wiedererwachen der klaſſiſchen Bil- dung, theils von Bacon’s neuer Methode der Unterſuchung her- rührte; anderen Theiles durch die Reformation, mit welcher die Lehre von dem Einen chriſtlichen Weltſtaate unvereinbar war, und welche überhaupt zu verſtändigem Prüfen auf allen geiſtigen Gebieten den Anſtoß gab. Die Wirkung trat jedoch erſt lang- ſam ein, da zunächſt kirchliche Streitigkeiten die allgemeine Theil- nahme feſſelten. Als Gründer einer neuen Staatsrechtsphiloſophie trat Hugo Grotius auf, welchen ſein Bemühen, ein philoſophiſches Recht 12*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/193>, abgerufen am 23.11.2024.