der Lehre von der Volksvertretung für das ganze Festland maßgebende Schule von Anhängern des Rechtsstaates. So namentlich B. Constant, Rossi, Guizot u. A. Dann aber trat auch eine neue theokratische Auffassung und eine heftige Bekämpfung des neuzeitigen Staates auf, am besten vertreten durch de Maistre, Bonald und Ballanche.
In Deutschland knüpft sich die Behandlung des phi- losophischen Staatsrechtes ganz unmittelbar an H. Grotius an. Pufendorf war der Erste, welcher dessen Lehre auf den hohen Schulen verkündete. Ihm folgte Thomasius und später Wolf; sämmtlich Anhänger der Vertragstheorie und des Rechts- staates, wenn schon in etwas verschiedener Anffassung und Ausführung. Die formell beste Begründung aber, die rein- lichste Erörterung und die weiteste Verbreitung erhielt diese Auffassung vom Staate durch Kant (Metaphysische Anfangs- gründe der Rechtslehre, 1798). Die Zahl der Schriftsteller beläuft sich allein in Deutschland in die Hunderte, und unter diesen sind viele berühmte und tüchtige Männer. So unter Anderen Hoffbauer, Bauer, Krug, Gros, Rotteck, namentlich aber auch Martini, dessen Lehrbuch Jahrzehnte lang in Oesterreich vom Staate geradezu anerkannt war. -- Später hat sich allerdings größere Selbstständigkeit gezeigt und es besteht in Deutschland jetzt eine weit größere Anzahl von rechtsphilosopischen Schulen als in irgend einem andern Lande. Als die bedeudenteren derselben erscheinen die Her- bart'sche, die Krause'sche, jetzt vorzüglich vertreten durch H. Ahrens, endlich die Hegel'sche. Davon nicht zu reden, daß auch in Deutschland ein theils berechtigter, theils unbe- rechtigter Rückschlag gegen die atomistische Vereinzelung der Menschen, gegen die Auffassung des Staates als einer bloßen Rechtsanstalt und gegen seine Begründung durch Vertrag ein- getreten ist. Dies aber nach zwei Seiten hin. Einerseits haben
der Lehre von der Volksvertretung für das ganze Feſtland maßgebende Schule von Anhängern des Rechtsſtaates. So namentlich B. Conſtant, Roſſi, Guizot u. A. Dann aber trat auch eine neue theokratiſche Auffaſſung und eine heftige Bekämpfung des neuzeitigen Staates auf, am beſten vertreten durch de Maiſtre, Bonald und Ballanche.
In Deutſchland knüpft ſich die Behandlung des phi- loſophiſchen Staatsrechtes ganz unmittelbar an H. Grotius an. Pufendorf war der Erſte, welcher deſſen Lehre auf den hohen Schulen verkündete. Ihm folgte Thomaſius und ſpäter Wolf; ſämmtlich Anhänger der Vertragstheorie und des Rechts- ſtaates, wenn ſchon in etwas verſchiedener Anffaſſung und Ausführung. Die formell beſte Begründung aber, die rein- lichſte Erörterung und die weiteſte Verbreitung erhielt dieſe Auffaſſung vom Staate durch Kant (Metaphyſiſche Anfangs- gründe der Rechtslehre, 1798). Die Zahl der Schriftſteller beläuft ſich allein in Deutſchland in die Hunderte, und unter dieſen ſind viele berühmte und tüchtige Männer. So unter Anderen Hoffbauer, Bauer, Krug, Gros, Rotteck, namentlich aber auch Martini, deſſen Lehrbuch Jahrzehnte lang in Oeſterreich vom Staate geradezu anerkannt war. — Später hat ſich allerdings größere Selbſtſtändigkeit gezeigt und es beſteht in Deutſchland jetzt eine weit größere Anzahl von rechtsphiloſopiſchen Schulen als in irgend einem andern Lande. Als die bedeudenteren derſelben erſcheinen die Her- bart’ſche, die Krauſe’ſche, jetzt vorzüglich vertreten durch H. Ahrens, endlich die Hegel’ſche. Davon nicht zu reden, daß auch in Deutſchland ein theils berechtigter, theils unbe- rechtigter Rückſchlag gegen die atomiſtiſche Vereinzelung der Menſchen, gegen die Auffaſſung des Staates als einer bloßen Rechtsanſtalt und gegen ſeine Begründung durch Vertrag ein- getreten iſt. Dies aber nach zwei Seiten hin. Einerſeits haben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0197"n="183"/>
der Lehre von der Volksvertretung für das ganze Feſtland<lb/>
maßgebende Schule von Anhängern des Rechtsſtaates. So<lb/>
namentlich B. <hirendition="#g">Conſtant, Roſſi, Guizot</hi> u. A. Dann<lb/>
aber trat auch eine neue theokratiſche Auffaſſung und eine heftige<lb/>
Bekämpfung des neuzeitigen Staates auf, am beſten vertreten<lb/>
durch <hirendition="#g">de Maiſtre, Bonald</hi> und <hirendition="#g">Ballanche</hi>.</p><lb/><p>In <hirendition="#g">Deutſchland</hi> knüpft ſich die Behandlung des phi-<lb/>
loſophiſchen Staatsrechtes ganz unmittelbar an H. Grotius an.<lb/><hirendition="#g">Pufendorf</hi> war der Erſte, welcher deſſen Lehre auf den hohen<lb/>
Schulen verkündete. Ihm folgte <hirendition="#g">Thomaſius</hi> und ſpäter<lb/><hirendition="#g">Wolf</hi>; ſämmtlich Anhänger der Vertragstheorie und des Rechts-<lb/>ſtaates, wenn ſchon in etwas verſchiedener Anffaſſung und<lb/>
Ausführung. Die formell beſte Begründung aber, die rein-<lb/>
lichſte Erörterung und die weiteſte Verbreitung erhielt dieſe<lb/>
Auffaſſung vom Staate durch <hirendition="#g">Kant</hi> (Metaphyſiſche Anfangs-<lb/>
gründe der Rechtslehre, 1798). Die Zahl der Schriftſteller<lb/>
beläuft ſich allein in Deutſchland in die Hunderte, und unter<lb/>
dieſen ſind viele berühmte und tüchtige Männer. So unter<lb/>
Anderen <hirendition="#g">Hoffbauer, Bauer, Krug, Gros, Rotteck</hi>,<lb/>
namentlich aber auch <hirendition="#g">Martini</hi>, deſſen Lehrbuch Jahrzehnte<lb/>
lang in Oeſterreich vom Staate geradezu anerkannt war. —<lb/>
Später hat ſich allerdings größere Selbſtſtändigkeit gezeigt und<lb/>
es beſteht in Deutſchland jetzt eine weit größere Anzahl<lb/>
von rechtsphiloſopiſchen Schulen als in irgend einem andern<lb/>
Lande. Als die bedeudenteren derſelben erſcheinen die <hirendition="#g">Her-<lb/>
bart’ſ</hi>che, die <hirendition="#g">Krauſe’ſ</hi>che, jetzt vorzüglich vertreten durch<lb/>
H. <hirendition="#g">Ahrens</hi>, endlich die <hirendition="#g">Hegel’ſ</hi>che. Davon nicht zu reden,<lb/>
daß auch in Deutſchland ein theils berechtigter, theils unbe-<lb/>
rechtigter Rückſchlag gegen die atomiſtiſche Vereinzelung der<lb/>
Menſchen, gegen die Auffaſſung des Staates als einer bloßen<lb/>
Rechtsanſtalt und gegen ſeine Begründung durch Vertrag ein-<lb/>
getreten iſt. Dies aber nach zwei Seiten hin. Einerſeits haben<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[183/0197]
der Lehre von der Volksvertretung für das ganze Feſtland
maßgebende Schule von Anhängern des Rechtsſtaates. So
namentlich B. Conſtant, Roſſi, Guizot u. A. Dann
aber trat auch eine neue theokratiſche Auffaſſung und eine heftige
Bekämpfung des neuzeitigen Staates auf, am beſten vertreten
durch de Maiſtre, Bonald und Ballanche.
In Deutſchland knüpft ſich die Behandlung des phi-
loſophiſchen Staatsrechtes ganz unmittelbar an H. Grotius an.
Pufendorf war der Erſte, welcher deſſen Lehre auf den hohen
Schulen verkündete. Ihm folgte Thomaſius und ſpäter
Wolf; ſämmtlich Anhänger der Vertragstheorie und des Rechts-
ſtaates, wenn ſchon in etwas verſchiedener Anffaſſung und
Ausführung. Die formell beſte Begründung aber, die rein-
lichſte Erörterung und die weiteſte Verbreitung erhielt dieſe
Auffaſſung vom Staate durch Kant (Metaphyſiſche Anfangs-
gründe der Rechtslehre, 1798). Die Zahl der Schriftſteller
beläuft ſich allein in Deutſchland in die Hunderte, und unter
dieſen ſind viele berühmte und tüchtige Männer. So unter
Anderen Hoffbauer, Bauer, Krug, Gros, Rotteck,
namentlich aber auch Martini, deſſen Lehrbuch Jahrzehnte
lang in Oeſterreich vom Staate geradezu anerkannt war. —
Später hat ſich allerdings größere Selbſtſtändigkeit gezeigt und
es beſteht in Deutſchland jetzt eine weit größere Anzahl
von rechtsphiloſopiſchen Schulen als in irgend einem andern
Lande. Als die bedeudenteren derſelben erſcheinen die Her-
bart’ſche, die Krauſe’ſche, jetzt vorzüglich vertreten durch
H. Ahrens, endlich die Hegel’ſche. Davon nicht zu reden,
daß auch in Deutſchland ein theils berechtigter, theils unbe-
rechtigter Rückſchlag gegen die atomiſtiſche Vereinzelung der
Menſchen, gegen die Auffaſſung des Staates als einer bloßen
Rechtsanſtalt und gegen ſeine Begründung durch Vertrag ein-
getreten iſt. Dies aber nach zwei Seiten hin. Einerſeits haben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/197>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.