Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsrecht; während Rechtsverhältnisse der verschiedenen Classen
von Zunftgenossen zu einander, die Ansprüche der Mitglie-
der an die Gesellschaftskassen, die innere Disciplin der Ge-
nossenschaften Theile des Gesellschaftsrechtes sind. Oder es sind
die landständischen Rechte des Adels im Staatsrechte, seine
Corporationseinrichtungen im Gesellschaftsrechte zu behandeln.
Kirchenpragmatiken, Concordate, Staatsaufsichtsbehörden über
die Kirche gehören in das Staatsrecht; die Organisation der
Kirche, die Zuständigkeit der kirchlichen Behörden, die Gewalt
über die Laien in das Gesellschaftsrecht. -- Daß bei dieser
Eintheilung der bisherige Schematismus der Rechtswissenschaft
geändert werden muß, ist beschwerlich, bringt aber nützliche
Folgen.

3) Verhältniß des Staatsrechtes zu dem Strafrechte und
zu den Processen. -- Strenge genommen sind die Anord-
nungen des Staates über die äußeren Mittel und Einrichtungen
zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und zur Ertheilung
von Rechtssprüchen organische Theile des Staatsrechtes 4). Allein
die große gesetzgeberische, wissenschaftliche und praktische Thätigkeit
in diesen Beziehungen hat eine Ausscheidung des Strafrechtes
und der beiden Processe herbeigeführt, und die Lehren darüber
zu selbstständigen juristischen Disciplinen ausgebildet. So wenig
systematisch dies nun auch ist, so mag es aus Zweckmäßig-
keitsgründen doch sein Bewenden dabei behalten; nur ist freilich
kaum zu vermeiden, daß einzelne Punkte, bei welchen der
Staat oder das Staatsoberhaupt nicht blos als befehlende
Gewalten, sondern auch als die Gegenstände von Rechtsbestim-
mungen erscheinen, oder wo es sich von allgemeinen staats-
bürgerlichen Rechten handelt, im Staatsrechte entweder aus-
schließlich, oder wenigstens gleichmäßig behandelt werden. Fälle
dieser Folgewidrigkeit sind: das Begnadigungs- und Aboli-
tionsrecht, die Majestäts- und Hochverrathsverbrechen, die

13*

Staatsrecht; während Rechtsverhältniſſe der verſchiedenen Claſſen
von Zunftgenoſſen zu einander, die Anſprüche der Mitglie-
der an die Geſellſchaftskaſſen, die innere Disciplin der Ge-
noſſenſchaften Theile des Geſellſchaftsrechtes ſind. Oder es ſind
die landſtändiſchen Rechte des Adels im Staatsrechte, ſeine
Corporationseinrichtungen im Geſellſchaftsrechte zu behandeln.
Kirchenpragmatiken, Concordate, Staatsaufſichtsbehörden über
die Kirche gehören in das Staatsrecht; die Organiſation der
Kirche, die Zuſtändigkeit der kirchlichen Behörden, die Gewalt
über die Laien in das Geſellſchaftsrecht. — Daß bei dieſer
Eintheilung der bisherige Schematismus der Rechtswiſſenſchaft
geändert werden muß, iſt beſchwerlich, bringt aber nützliche
Folgen.

3) Verhältniß des Staatsrechtes zu dem Strafrechte und
zu den Proceſſen. — Strenge genommen ſind die Anord-
nungen des Staates über die äußeren Mittel und Einrichtungen
zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und zur Ertheilung
von Rechtsſprüchen organiſche Theile des Staatsrechtes 4). Allein
die große geſetzgeberiſche, wiſſenſchaftliche und praktiſche Thätigkeit
in dieſen Beziehungen hat eine Ausſcheidung des Strafrechtes
und der beiden Proceſſe herbeigeführt, und die Lehren darüber
zu ſelbſtſtändigen juriſtiſchen Disciplinen ausgebildet. So wenig
ſyſtematiſch dies nun auch iſt, ſo mag es aus Zweckmäßig-
keitsgründen doch ſein Bewenden dabei behalten; nur iſt freilich
kaum zu vermeiden, daß einzelne Punkte, bei welchen der
Staat oder das Staatsoberhaupt nicht blos als befehlende
Gewalten, ſondern auch als die Gegenſtände von Rechtsbeſtim-
mungen erſcheinen, oder wo es ſich von allgemeinen ſtaats-
bürgerlichen Rechten handelt, im Staatsrechte entweder aus-
ſchließlich, oder wenigſtens gleichmäßig behandelt werden. Fälle
dieſer Folgewidrigkeit ſind: das Begnadigungs- und Aboli-
tionsrecht, die Majeſtäts- und Hochverrathsverbrechen, die

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0209" n="195"/>
Staatsrecht; während Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e der ver&#x017F;chiedenen Cla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
von Zunftgeno&#x017F;&#x017F;en zu einander, die An&#x017F;prüche der Mitglie-<lb/>
der an die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftska&#x017F;&#x017F;en, die innere Disciplin der Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften Theile des Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsrechtes &#x017F;ind. Oder es &#x017F;ind<lb/>
die land&#x017F;tändi&#x017F;chen Rechte des Adels im Staatsrechte, &#x017F;eine<lb/>
Corporationseinrichtungen im Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsrechte zu behandeln.<lb/>
Kirchenpragmatiken, Concordate, Staatsauf&#x017F;ichtsbehörden über<lb/>
die Kirche gehören in das Staatsrecht; die Organi&#x017F;ation der<lb/>
Kirche, die Zu&#x017F;tändigkeit der kirchlichen Behörden, die Gewalt<lb/>
über die Laien in das Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsrecht. &#x2014; Daß bei die&#x017F;er<lb/>
Eintheilung der bisherige Schematismus der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
geändert werden muß, i&#x017F;t be&#x017F;chwerlich, bringt aber nützliche<lb/>
Folgen.</p><lb/>
                <p>3) Verhältniß des Staatsrechtes zu dem <hi rendition="#g">Strafr</hi>echte und<lb/>
zu den <hi rendition="#g">Proce&#x017F;&#x017F;en</hi>. &#x2014; Strenge genommen &#x017F;ind die Anord-<lb/>
nungen des Staates über die äußeren Mittel und Einrichtungen<lb/>
zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und zur Ertheilung<lb/>
von Rechts&#x017F;prüchen organi&#x017F;che Theile des Staatsrechtes <hi rendition="#sup">4</hi>). Allein<lb/>
die große ge&#x017F;etzgeberi&#x017F;che, wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche und prakti&#x017F;che Thätigkeit<lb/>
in die&#x017F;en Beziehungen hat eine Aus&#x017F;cheidung des Strafrechtes<lb/>
und der beiden Proce&#x017F;&#x017F;e herbeigeführt, und die Lehren darüber<lb/>
zu &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändigen juri&#x017F;ti&#x017F;chen Disciplinen ausgebildet. So wenig<lb/>
&#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch dies nun auch i&#x017F;t, &#x017F;o mag es aus Zweckmäßig-<lb/>
keitsgründen doch &#x017F;ein Bewenden dabei behalten; nur i&#x017F;t freilich<lb/>
kaum zu vermeiden, daß einzelne Punkte, bei welchen der<lb/>
Staat oder das Staatsoberhaupt nicht blos als befehlende<lb/>
Gewalten, &#x017F;ondern auch als die Gegen&#x017F;tände von Rechtsbe&#x017F;tim-<lb/>
mungen er&#x017F;cheinen, oder wo es &#x017F;ich von allgemeinen &#x017F;taats-<lb/>
bürgerlichen Rechten handelt, im Staatsrechte entweder aus-<lb/>
&#x017F;chließlich, oder wenig&#x017F;tens gleichmäßig behandelt werden. Fälle<lb/>
die&#x017F;er Folgewidrigkeit &#x017F;ind: das Begnadigungs- und Aboli-<lb/>
tionsrecht, die Maje&#x017F;täts- und Hochverrathsverbrechen, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0209] Staatsrecht; während Rechtsverhältniſſe der verſchiedenen Claſſen von Zunftgenoſſen zu einander, die Anſprüche der Mitglie- der an die Geſellſchaftskaſſen, die innere Disciplin der Ge- noſſenſchaften Theile des Geſellſchaftsrechtes ſind. Oder es ſind die landſtändiſchen Rechte des Adels im Staatsrechte, ſeine Corporationseinrichtungen im Geſellſchaftsrechte zu behandeln. Kirchenpragmatiken, Concordate, Staatsaufſichtsbehörden über die Kirche gehören in das Staatsrecht; die Organiſation der Kirche, die Zuſtändigkeit der kirchlichen Behörden, die Gewalt über die Laien in das Geſellſchaftsrecht. — Daß bei dieſer Eintheilung der bisherige Schematismus der Rechtswiſſenſchaft geändert werden muß, iſt beſchwerlich, bringt aber nützliche Folgen. 3) Verhältniß des Staatsrechtes zu dem Strafrechte und zu den Proceſſen. — Strenge genommen ſind die Anord- nungen des Staates über die äußeren Mittel und Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und zur Ertheilung von Rechtsſprüchen organiſche Theile des Staatsrechtes 4). Allein die große geſetzgeberiſche, wiſſenſchaftliche und praktiſche Thätigkeit in dieſen Beziehungen hat eine Ausſcheidung des Strafrechtes und der beiden Proceſſe herbeigeführt, und die Lehren darüber zu ſelbſtſtändigen juriſtiſchen Disciplinen ausgebildet. So wenig ſyſtematiſch dies nun auch iſt, ſo mag es aus Zweckmäßig- keitsgründen doch ſein Bewenden dabei behalten; nur iſt freilich kaum zu vermeiden, daß einzelne Punkte, bei welchen der Staat oder das Staatsoberhaupt nicht blos als befehlende Gewalten, ſondern auch als die Gegenſtände von Rechtsbeſtim- mungen erſcheinen, oder wo es ſich von allgemeinen ſtaats- bürgerlichen Rechten handelt, im Staatsrechte entweder aus- ſchließlich, oder wenigſtens gleichmäßig behandelt werden. Fälle dieſer Folgewidrigkeit ſind: das Begnadigungs- und Aboli- tionsrecht, die Majeſtäts- und Hochverrathsverbrechen, die 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/209
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/209>, abgerufen am 23.11.2024.