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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Ständen oder Volksvertretung, kann das Staatsoberhaupt
weder über die Art noch über die Größe der Geldleistun-
gen allein und nach Belieben bestimmen, sondern es
ist die Zustimmung der Zahlenden selbst in verschiede-
nem Maße erforderlich. Dennoch bleiben mit Nothwen-
digkeit dem Regenten auch in Beziehung auf die Wirth-
schaft des Staates große Rechte. Abgesehen von der Be-
stimmung oder wenigstens Mitbestimmung der Leistungen
des Volkes, liegt ihm nämlich ob: die ganze Einrichtung
für den richtigen Einzug der Beiträge von den Einzelnen,
die oberste Leitung und Aufsicht über die Verwaltung und
Verrechnung des gesammten Staatseigenthumes, die wirk-
liche Anordnung der Ausgaben. Falls die Bedürfnisse
des Staates ganz oder theilweise aus eigenem Grundbesitze
oder aus Gewerben bestritten werden, steht dem Staats-
oberhaupte auch noch die Leitung der bestmöglichen Be-
wirthschaftung dieser Einkommensquellen zu.
1) Es ist nicht richtig, wenn die Rechte des Staatsoberhauptes ohne
Weiteres als gleichbedeutend mit dem Inhalte der Staatsgewalt angenommen
und daher häufig nicht besonders neben diesem betrachtet werden. In mehreren
Staatsgattungen und Staatsarten ist dem allerdings so, und in keinem
richtig organisirten Staate kann dem Staatsoberhaupte die Einwirkung auf
irgend eine Aufgabe des Staates ganz entzogen sein: allein rechtlich und
politisch möglich ist es immerhin, daß in bestimmten Fällen die Anwendung
der Staatsgewalt nicht einseitig und in jeder Beziehung von dem Staats-
oberhaupte abhängt. Darin eben besteht ja die größere oder kleinere poli-
tische Freiheit, ob eine Theilnahme der Unterthanen bei gewissen wichtigen
Staatshandlungen stattfindet, oder nicht.
2) Es ist nicht blos kurzsichtig und thörigt, sondern geradezu unrecht-
lich, (weil ein Hinderniß für die Erreichung der Staatszwecke,) wenn einer
gesetzlichen Aufzählung der Rechte der Staatsgewalt und des Oberhauptes
insbesondere ausdrücklich die Bestimmung beigefügt ist, daß ihm weitere
Befugnisse nicht zustehen. Hier liegt offenbar die gleich schlimme Alternative
in einem nicht berücksichtigten aber thatsächlich eintretenden Falle vor: daß
entweder der naturgemäß zum Handeln Berufene, also im Zweifel das
Staatsoberhaupt, das positive Gesetz übertreten und sich vielleicht großen
Ständen oder Volksvertretung, kann das Staatsoberhaupt
weder über die Art noch über die Größe der Geldleiſtun-
gen allein und nach Belieben beſtimmen, ſondern es
iſt die Zuſtimmung der Zahlenden ſelbſt in verſchiede-
nem Maße erforderlich. Dennoch bleiben mit Nothwen-
digkeit dem Regenten auch in Beziehung auf die Wirth-
ſchaft des Staates große Rechte. Abgeſehen von der Be-
ſtimmung oder wenigſtens Mitbeſtimmung der Leiſtungen
des Volkes, liegt ihm nämlich ob: die ganze Einrichtung
für den richtigen Einzug der Beiträge von den Einzelnen,
die oberſte Leitung und Aufſicht über die Verwaltung und
Verrechnung des geſammten Staatseigenthumes, die wirk-
liche Anordnung der Ausgaben. Falls die Bedürfniſſe
des Staates ganz oder theilweiſe aus eigenem Grundbeſitze
oder aus Gewerben beſtritten werden, ſteht dem Staats-
oberhaupte auch noch die Leitung der beſtmöglichen Be-
wirthſchaftung dieſer Einkommensquellen zu.
1) Es iſt nicht richtig, wenn die Rechte des Staatsoberhauptes ohne
Weiteres als gleichbedeutend mit dem Inhalte der Staatsgewalt angenommen
und daher häufig nicht beſonders neben dieſem betrachtet werden. In mehreren
Staatsgattungen und Staatsarten iſt dem allerdings ſo, und in keinem
richtig organiſirten Staate kann dem Staatsoberhaupte die Einwirkung auf
irgend eine Aufgabe des Staates ganz entzogen ſein: allein rechtlich und
politiſch möglich iſt es immerhin, daß in beſtimmten Fällen die Anwendung
der Staatsgewalt nicht einſeitig und in jeder Beziehung von dem Staats-
oberhaupte abhängt. Darin eben beſteht ja die größere oder kleinere poli-
tiſche Freiheit, ob eine Theilnahme der Unterthanen bei gewiſſen wichtigen
Staatshandlungen ſtattfindet, oder nicht.
2) Es iſt nicht blos kurzſichtig und thörigt, ſondern geradezu unrecht-
lich, (weil ein Hinderniß für die Erreichung der Staatszwecke,) wenn einer
geſetzlichen Aufzählung der Rechte der Staatsgewalt und des Oberhauptes
insbeſondere ausdrücklich die Beſtimmung beigefügt iſt, daß ihm weitere
Befugniſſe nicht zuſtehen. Hier liegt offenbar die gleich ſchlimme Alternative
in einem nicht berückſichtigten aber thatſächlich eintretenden Falle vor: daß
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[216/0230] Ständen oder Volksvertretung, kann das Staatsoberhaupt weder über die Art noch über die Größe der Geldleiſtun- gen allein und nach Belieben beſtimmen, ſondern es iſt die Zuſtimmung der Zahlenden ſelbſt in verſchiede- nem Maße erforderlich. Dennoch bleiben mit Nothwen- digkeit dem Regenten auch in Beziehung auf die Wirth- ſchaft des Staates große Rechte. Abgeſehen von der Be- ſtimmung oder wenigſtens Mitbeſtimmung der Leiſtungen des Volkes, liegt ihm nämlich ob: die ganze Einrichtung für den richtigen Einzug der Beiträge von den Einzelnen, die oberſte Leitung und Aufſicht über die Verwaltung und Verrechnung des geſammten Staatseigenthumes, die wirk- liche Anordnung der Ausgaben. Falls die Bedürfniſſe des Staates ganz oder theilweiſe aus eigenem Grundbeſitze oder aus Gewerben beſtritten werden, ſteht dem Staats- oberhaupte auch noch die Leitung der beſtmöglichen Be- wirthſchaftung dieſer Einkommensquellen zu. ¹⁾ Es iſt nicht richtig, wenn die Rechte des Staatsoberhauptes ohne Weiteres als gleichbedeutend mit dem Inhalte der Staatsgewalt angenommen und daher häufig nicht beſonders neben dieſem betrachtet werden. In mehreren Staatsgattungen und Staatsarten iſt dem allerdings ſo, und in keinem richtig organiſirten Staate kann dem Staatsoberhaupte die Einwirkung auf irgend eine Aufgabe des Staates ganz entzogen ſein: allein rechtlich und politiſch möglich iſt es immerhin, daß in beſtimmten Fällen die Anwendung der Staatsgewalt nicht einſeitig und in jeder Beziehung von dem Staats- oberhaupte abhängt. Darin eben beſteht ja die größere oder kleinere poli- tiſche Freiheit, ob eine Theilnahme der Unterthanen bei gewiſſen wichtigen Staatshandlungen ſtattfindet, oder nicht. ²⁾ Es iſt nicht blos kurzſichtig und thörigt, ſondern geradezu unrecht- lich, (weil ein Hinderniß für die Erreichung der Staatszwecke,) wenn einer geſetzlichen Aufzählung der Rechte der Staatsgewalt und des Oberhauptes insbeſondere ausdrücklich die Beſtimmung beigefügt iſt, daß ihm weitere Befugniſſe nicht zuſtehen. Hier liegt offenbar die gleich ſchlimme Alternative in einem nicht berückſichtigten aber thatſächlich eintretenden Falle vor: daß entweder der naturgemäß zum Handeln Berufene, alſo im Zweifel das Staatsoberhaupt, das poſitive Geſetz übertreten und ſich vielleicht großen

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/230>, abgerufen am 23.11.2024.