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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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mit Zwang allgemein durchgeführt ist, sondern sie nur dem
Einzelnen einer Nachhülfe Bedürftigen zur Verfügung gestellt
zu sein braucht. Aus eigenem Antriebe dagegen hat der Staat
zu handeln einerseits in der ganzen Präventivjustiz, sowie da,
wo die Bestrafung einer Rechtswidrigkeit die Aufgabe ist;
andererseits wo die polizeiliche Unterstützung ein so allgemeines
Bedürfniß ist, daß ihr unaufgefordertes Eintreten als überall
und immer erwünscht erachtet werden kann; drittens endlich
überall, wo von der Aufrechterhaltung und Durchführung des
Staatsorganismus, einzelner Verfassungsbestimmungen oder
von der Beschaffung der Staatsmittel die Rede ist 2). Sowohl
ein unzeitiges und unverlangtes Handeln, als ein nachlässiges
oder böswilliges Stillesitzen der Verwaltung ist ein Unrecht,
wenn das Gegentheil Pflicht war.

5. Wenn der Unterthan durch ein ungerechtfertigtes Ein-
schreiten oder ein unrichtiges Unterlassen der Verwaltung in
Schaden gekommen ist, so ist er zu einer Entschädigungs-
forderung
berechtigt. Ob die Klage zunächst gegen den
fehlenden Beamten oder gegen den gesammten Staat zu richten
sei, hängt davon ab, ob die fragliche Handlung nach gesetzlichen
Vorschriften selbstständig von den Beamten vorzunehmen war,
(wie namentlich gerichtliche Handlungen von einem Richter,)
oder ob sie von einer zuständigen höheren Gewalt, wenn auch
nur im Allgemeinen, angeordnet wurde. Auch in dem ersteren
Falle hat übrigens der Staat subsidiarisch zu haften, wenn der
Beamte nicht zahlungsfähig ist, weil jeden Falles der Bürger
durch den Staat genöthigt war, sich gerade an den bestimmten
Beamten zu halten und dessen Amtshandlung als eine Aeuße-
rung des Staatswillens anzuerkennen. Von selbst versteht sich,
daß nicht bloß Begehungen, sondern auch Unterlassungen zu
einer Entschädigung berechtigen, wenn die Verletzung durch eine

mit Zwang allgemein durchgeführt iſt, ſondern ſie nur dem
Einzelnen einer Nachhülfe Bedürftigen zur Verfügung geſtellt
zu ſein braucht. Aus eigenem Antriebe dagegen hat der Staat
zu handeln einerſeits in der ganzen Präventivjuſtiz, ſowie da,
wo die Beſtrafung einer Rechtswidrigkeit die Aufgabe iſt;
andererſeits wo die polizeiliche Unterſtützung ein ſo allgemeines
Bedürfniß iſt, daß ihr unaufgefordertes Eintreten als überall
und immer erwünſcht erachtet werden kann; drittens endlich
überall, wo von der Aufrechterhaltung und Durchführung des
Staatsorganismus, einzelner Verfaſſungsbeſtimmungen oder
von der Beſchaffung der Staatsmittel die Rede iſt 2). Sowohl
ein unzeitiges und unverlangtes Handeln, als ein nachläſſiges
oder böswilliges Stilleſitzen der Verwaltung iſt ein Unrecht,
wenn das Gegentheil Pflicht war.

5. Wenn der Unterthan durch ein ungerechtfertigtes Ein-
ſchreiten oder ein unrichtiges Unterlaſſen der Verwaltung in
Schaden gekommen iſt, ſo iſt er zu einer Entſchädigungs-
forderung
berechtigt. Ob die Klage zunächſt gegen den
fehlenden Beamten oder gegen den geſammten Staat zu richten
ſei, hängt davon ab, ob die fragliche Handlung nach geſetzlichen
Vorſchriften ſelbſtſtändig von den Beamten vorzunehmen war,
(wie namentlich gerichtliche Handlungen von einem Richter,)
oder ob ſie von einer zuſtändigen höheren Gewalt, wenn auch
nur im Allgemeinen, angeordnet wurde. Auch in dem erſteren
Falle hat übrigens der Staat ſubſidiariſch zu haften, wenn der
Beamte nicht zahlungsfähig iſt, weil jeden Falles der Bürger
durch den Staat genöthigt war, ſich gerade an den beſtimmten
Beamten zu halten und deſſen Amtshandlung als eine Aeuße-
rung des Staatswillens anzuerkennen. Von ſelbſt verſteht ſich,
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[247/0261] mit Zwang allgemein durchgeführt iſt, ſondern ſie nur dem Einzelnen einer Nachhülfe Bedürftigen zur Verfügung geſtellt zu ſein braucht. Aus eigenem Antriebe dagegen hat der Staat zu handeln einerſeits in der ganzen Präventivjuſtiz, ſowie da, wo die Beſtrafung einer Rechtswidrigkeit die Aufgabe iſt; andererſeits wo die polizeiliche Unterſtützung ein ſo allgemeines Bedürfniß iſt, daß ihr unaufgefordertes Eintreten als überall und immer erwünſcht erachtet werden kann; drittens endlich überall, wo von der Aufrechterhaltung und Durchführung des Staatsorganismus, einzelner Verfaſſungsbeſtimmungen oder von der Beſchaffung der Staatsmittel die Rede iſt 2). Sowohl ein unzeitiges und unverlangtes Handeln, als ein nachläſſiges oder böswilliges Stilleſitzen der Verwaltung iſt ein Unrecht, wenn das Gegentheil Pflicht war. 5. Wenn der Unterthan durch ein ungerechtfertigtes Ein- ſchreiten oder ein unrichtiges Unterlaſſen der Verwaltung in Schaden gekommen iſt, ſo iſt er zu einer Entſchädigungs- forderung berechtigt. Ob die Klage zunächſt gegen den fehlenden Beamten oder gegen den geſammten Staat zu richten ſei, hängt davon ab, ob die fragliche Handlung nach geſetzlichen Vorſchriften ſelbſtſtändig von den Beamten vorzunehmen war, (wie namentlich gerichtliche Handlungen von einem Richter,) oder ob ſie von einer zuſtändigen höheren Gewalt, wenn auch nur im Allgemeinen, angeordnet wurde. Auch in dem erſteren Falle hat übrigens der Staat ſubſidiariſch zu haften, wenn der Beamte nicht zahlungsfähig iſt, weil jeden Falles der Bürger durch den Staat genöthigt war, ſich gerade an den beſtimmten Beamten zu halten und deſſen Amtshandlung als eine Aeuße- rung des Staatswillens anzuerkennen. Von ſelbſt verſteht ſich, daß nicht bloß Begehungen, ſondern auch Unterlaſſungen zu einer Entſchädigung berechtigen, wenn die Verletzung durch eine

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/261>, abgerufen am 24.11.2024.