Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.richtige Ausübung des Aufsichtsrechtes von Seiten der Staats- 6. Die Wohlfeilheit der Staatsverwaltung ist zwar 1) Es beweist ein völliges Verkennen der Aufgaben des jetzigen Staates, wenn zuweilen der kleine Regierungsaufwand in früheren Zeitabschnitten als Muster aufgestellt wird. Die Zeiten des Patrimonialstaates, welcher kaum etwas Rechtspflege, und selbst diese nur theilweise, gewährte, von allen jetzigen Einrichtungen der Präventivjustiz und der gesammten polizeilichen Thätigkeit aber gar nichts wußte, z. B. nichts von Gesundheitspolizei, von Staatsfürsorge für die Armuth, von öffentlichem Unterrichtswesen jeder Art, von Staatssammlungen für Kunst und Wissenschaft, von Posten, Land- straßen, Kanälen, Eisenbahnen, Telegraphen, -- diese Zeiten sind vorüber. Also kann auch von einer Besorgung einer Verwaltung durch einen Kanzler, wenige Räthe in der Kanzlei oder von Haus aus, und einige Schreibers- knechte nicht mehr die Rede sein. Wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen; wer die Gesittigung genießen will, muß sie bezahlen. Voll- kommen unverständig ist es daher, wenn zuweilen Ständeversammlungen eine Erweiterung der Verwaltungsmittel nicht bewilligen, trotzdem daß der zu besorgenden Gegenstände bei vermehrter Bevölkerung oder neu entstandenen Richtungen der Staatsthätigkeit weit mehr geworden sind. Das einzige Mittel, die immer steigenden Forderungen an die Staatsverwaltung und die natürlich mit ihrer Gewährung gleichen Schritt haltende Vermehrung der Staatsausgaben zu beschränken, ist eigene Besorgung gemeinschaftlicher Ange- legenheiten durch wohl organisirte Privatkraft, namentlich durch Belebung der gesunden gesellschaftlichen Bestandtheile des Volkes. Ob aber diese Besorgung gerade wohlfeiler zu stehen kommt, ist eine ganz andere richtige Ausübung des Aufſichtsrechtes von Seiten der Staats- 6. Die Wohlfeilheit der Staatsverwaltung iſt zwar 1) Es beweiſt ein völliges Verkennen der Aufgaben des jetzigen Staates, wenn zuweilen der kleine Regierungsaufwand in früheren Zeitabſchnitten als Muſter aufgeſtellt wird. Die Zeiten des Patrimonialſtaates, welcher kaum etwas Rechtspflege, und ſelbſt dieſe nur theilweiſe, gewährte, von allen jetzigen Einrichtungen der Präventivjuſtiz und der geſammten polizeilichen Thätigkeit aber gar nichts wußte, z. B. nichts von Geſundheitspolizei, von Staatsfürſorge für die Armuth, von öffentlichem Unterrichtsweſen jeder Art, von Staatsſammlungen für Kunſt und Wiſſenſchaft, von Poſten, Land- ſtraßen, Kanälen, Eiſenbahnen, Telegraphen, — dieſe Zeiten ſind vorüber. Alſo kann auch von einer Beſorgung einer Verwaltung durch einen Kanzler, wenige Räthe in der Kanzlei oder von Haus aus, und einige Schreibers- knechte nicht mehr die Rede ſein. Wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen; wer die Geſittigung genießen will, muß ſie bezahlen. Voll- kommen unverſtändig iſt es daher, wenn zuweilen Ständeverſammlungen eine Erweiterung der Verwaltungsmittel nicht bewilligen, trotzdem daß der zu beſorgenden Gegenſtände bei vermehrter Bevölkerung oder neu entſtandenen Richtungen der Staatsthätigkeit weit mehr geworden ſind. Das einzige Mittel, die immer ſteigenden Forderungen an die Staatsverwaltung und die natürlich mit ihrer Gewährung gleichen Schritt haltende Vermehrung der Staatsausgaben zu beſchränken, iſt eigene Beſorgung gemeinſchaftlicher Ange- legenheiten durch wohl organiſirte Privatkraft, namentlich durch Belebung der geſunden geſellſchaftlichen Beſtandtheile des Volkes. Ob aber dieſe Beſorgung gerade wohlfeiler zu ſtehen kommt, iſt eine ganz andere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0262" n="248"/> richtige Ausübung des Aufſichtsrechtes von Seiten der Staats-<lb/> gewalt hätte verhütet werden können <hi rendition="#sup">3</hi>).</p><lb/> <p>6. Die <hi rendition="#g">Wohlfeilheit</hi> der Staatsverwaltung iſt zwar<lb/> nicht die oberſte Rückſicht, vielmehr muß vor Allem der Zweck<lb/> erreicht und das hierzu erforderliche Maß von Mitteln aufge-<lb/> wendet werden; allein es iſt allerdings rechtliche Pflicht gegen<lb/> den Bürger, ihm nur die unvermeidlichen Laſten aufzuladen.<lb/> Somit muß Alles unterlaſſen werden, was zu Erreichung der<lb/> Zwecke nicht nothwendig iſt, beſtehe dieſes nun in überflüſſigen<lb/> Einrichtungen und Perſonen, oder in einer luxuriöſen Ausſtat-<lb/> tung der Verwaltung. 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B. nichts von Geſundheitspolizei, von<lb/> Staatsfürſorge für die Armuth, von öffentlichem Unterrichtsweſen jeder Art,<lb/> von Staatsſammlungen für Kunſt und Wiſſenſchaft, von Poſten, Land-<lb/> ſtraßen, Kanälen, Eiſenbahnen, Telegraphen, — dieſe Zeiten ſind vorüber.<lb/> Alſo kann auch von einer Beſorgung einer Verwaltung durch einen Kanzler,<lb/> wenige Räthe in der Kanzlei oder von Haus aus, und einige Schreibers-<lb/> knechte nicht mehr die Rede ſein. Wer den Zweck will, muß auch die<lb/> Mittel wollen; wer die Geſittigung genießen will, muß ſie bezahlen. Voll-<lb/> kommen unverſtändig iſt es daher, wenn zuweilen Ständeverſammlungen<lb/> eine Erweiterung der Verwaltungsmittel nicht bewilligen, trotzdem daß der<lb/> zu beſorgenden Gegenſtände bei vermehrter Bevölkerung oder neu entſtandenen<lb/> Richtungen der Staatsthätigkeit weit mehr geworden ſind. 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richtige Ausübung des Aufſichtsrechtes von Seiten der Staats-
gewalt hätte verhütet werden können 3).
6. Die Wohlfeilheit der Staatsverwaltung iſt zwar
nicht die oberſte Rückſicht, vielmehr muß vor Allem der Zweck
erreicht und das hierzu erforderliche Maß von Mitteln aufge-
wendet werden; allein es iſt allerdings rechtliche Pflicht gegen
den Bürger, ihm nur die unvermeidlichen Laſten aufzuladen.
Somit muß Alles unterlaſſen werden, was zu Erreichung der
Zwecke nicht nothwendig iſt, beſtehe dieſes nun in überflüſſigen
Einrichtungen und Perſonen, oder in einer luxuriöſen Ausſtat-
tung der Verwaltung. Namentlich ſind größere Beamtengehalte,
als nothwendig iſt zur Gewinnung der enſprechenden geiſtigen
Kräfte oder zur Bewahrung der Ehrlichkeit in Geldſachen, durch-
aus verwerflich 4).
¹⁾ Es beweiſt ein völliges Verkennen der Aufgaben des jetzigen Staates,
wenn zuweilen der kleine Regierungsaufwand in früheren Zeitabſchnitten als
Muſter aufgeſtellt wird. Die Zeiten des Patrimonialſtaates, welcher kaum
etwas Rechtspflege, und ſelbſt dieſe nur theilweiſe, gewährte, von allen
jetzigen Einrichtungen der Präventivjuſtiz und der geſammten polizeilichen
Thätigkeit aber gar nichts wußte, z. B. nichts von Geſundheitspolizei, von
Staatsfürſorge für die Armuth, von öffentlichem Unterrichtsweſen jeder Art,
von Staatsſammlungen für Kunſt und Wiſſenſchaft, von Poſten, Land-
ſtraßen, Kanälen, Eiſenbahnen, Telegraphen, — dieſe Zeiten ſind vorüber.
Alſo kann auch von einer Beſorgung einer Verwaltung durch einen Kanzler,
wenige Räthe in der Kanzlei oder von Haus aus, und einige Schreibers-
knechte nicht mehr die Rede ſein. Wer den Zweck will, muß auch die
Mittel wollen; wer die Geſittigung genießen will, muß ſie bezahlen. Voll-
kommen unverſtändig iſt es daher, wenn zuweilen Ständeverſammlungen
eine Erweiterung der Verwaltungsmittel nicht bewilligen, trotzdem daß der
zu beſorgenden Gegenſtände bei vermehrter Bevölkerung oder neu entſtandenen
Richtungen der Staatsthätigkeit weit mehr geworden ſind. Das einzige
Mittel, die immer ſteigenden Forderungen an die Staatsverwaltung und die
natürlich mit ihrer Gewährung gleichen Schritt haltende Vermehrung der
Staatsausgaben zu beſchränken, iſt eigene Beſorgung gemeinſchaftlicher Ange-
legenheiten durch wohl organiſirte Privatkraft, namentlich durch Belebung
der geſunden geſellſchaftlichen Beſtandtheile des Volkes. Ob aber dieſe
Beſorgung gerade wohlfeiler zu ſtehen kommt, iſt eine ganz andere
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