Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.dieser rechtlichen Natur der Entstehung ändert der Inhalt der dem Beamten vom Staatsoberhaupte verliehenen Rechte, und namentlich die Frage, ob dieselben die Natur von Privilegien haben, durchaus nichts. Die Rechte gegenüber von den Unterthanen und die Pflichten gegen den Staat und dessen Haupt werden durch den Umstand, daß der Träger dieses Verhält- nisses dasselbe vertragsmäßig übernahm, nicht im Mindesten geändert. Da die höhern Beamten notorisch nicht im Reihendienste eingetreten sind, noch mit Gewalt ausgehoben werden, sondern sie sich um das Amt freiwillig melden und es ihnen aus freiem Entschlusse übertragen wird, oder umge- kehrt, das Anerbieten an sie geschieht und sie es ohne Zwang annehmen: so liegen doch offenbar alle Erfordernisse eines Vertrages, und die keines andern Rechtsverhältnisses vor. Völlig abgeschmackt ist es freilich, diesen Vertrag unter eine der Formen der Innominatkontracte des römischen Rechtes, oder unter das Mandatsverhältniß, das precarium und die locatio con- ductio operarum zu zwängen. -- S. Schmitthenner, a. a. O. 6) Nicht zu verwechseln mit dem deutschen Diensthandel des 18. Jahr- hunderts, jener unglaublichen Schlechtigkeit und Anzeige von Fäulniß, ist das System, welches gewisse Aemter als ein Privateigenthum des jewei- ligen Inhabers betrachtet, und daher diesem (nicht dem Staate oder dem Fürsten) Abtretung durch Kauf gestattet. Unzweifelhaft ist diese ganze Auf- fassung verkehrt und hat dasselbe, wo nicht ungemischt doch vorherrschend, große Nachtheile. Allein es ist ein öffentlich anerkanntes rechtliches Ver- hältniß und kein Verbrechen. So z. B. das Eigenthumsrecht an die Offi- ziersstellen im englischen Landheere; so in Frankreich vor der Revolution das Privatrecht an viele Richterstellen, und auch jetzt noch an die Stellen der Notare, der Anwälte (avoues) und der Wechselagenten. -- Ueber die Nachtheile einer solchen Einrichtung s. Bellet, V., Offices et officiers ministeriels. Par., 1850; zu vertheidigen sucht sie: Bataillard, Ch., Du droit de propriete et de transmission des offices ministeriels. Par., 1840. 7) Eine der schreiendsten Ungerechtigkeiten in unserem jetzigen Staats- leben ist die geringe Entschädigung, welche die zwangsmäßig in das Heer Eingereihten erhalten, und welche kaum über die nothwendigste Lebenser- haltung während des Dienstes hinausgeht. Freilich wäre mit einer wirklichen Entschädigung für die Störung des ganzen Lebenszweckes oder mindestens für die Verfügung über die besten Jugendjahre die Größe der jetzigen stehenden Heere unvereinbar. Ob aber deren Verminderung ein Unglück wäre, ist billig die Frage. 8) Belege, daß auch höhere Aemter im Wege der Zwangsüber- tragung besetzt werden können, sind z. B. die Senatorenstellen in Hamburg, die Sherifstellen in England u. s. w. dieſer rechtlichen Natur der Entſtehung ändert der Inhalt der dem Beamten vom Staatsoberhaupte verliehenen Rechte, und namentlich die Frage, ob dieſelben die Natur von Privilegien haben, durchaus nichts. Die Rechte gegenüber von den Unterthanen und die Pflichten gegen den Staat und deſſen Haupt werden durch den Umſtand, daß der Träger dieſes Verhält- niſſes daſſelbe vertragsmäßig übernahm, nicht im Mindeſten geändert. Da die höhern Beamten notoriſch nicht im Reihendienſte eingetreten ſind, noch mit Gewalt ausgehoben werden, ſondern ſie ſich um das Amt freiwillig melden und es ihnen aus freiem Entſchluſſe übertragen wird, oder umge- kehrt, das Anerbieten an ſie geſchieht und ſie es ohne Zwang annehmen: ſo liegen doch offenbar alle Erforderniſſe eines Vertrages, und die keines andern Rechtsverhältniſſes vor. Völlig abgeſchmackt iſt es freilich, dieſen Vertrag unter eine der Formen der Innominatkontracte des römiſchen Rechtes, oder unter das Mandatsverhältniß, das precarium und die locatio con- ductio operarum zu zwängen. — S. Schmitthenner, a. a. O. 6) Nicht zu verwechſeln mit dem deutſchen Dienſthandel des 18. Jahr- hunderts, jener unglaublichen Schlechtigkeit und Anzeige von Fäulniß, iſt das Syſtem, welches gewiſſe Aemter als ein Privateigenthum des jewei- ligen Inhabers betrachtet, und daher dieſem (nicht dem Staate oder dem Fürſten) Abtretung durch Kauf geſtattet. Unzweifelhaft iſt dieſe ganze Auf- faſſung verkehrt und hat daſſelbe, wo nicht ungemiſcht doch vorherrſchend, große Nachtheile. Allein es iſt ein öffentlich anerkanntes rechtliches Ver- hältniß und kein Verbrechen. So z. B. das Eigenthumsrecht an die Offi- ziersſtellen im engliſchen Landheere; ſo in Frankreich vor der Revolution das Privatrecht an viele Richterſtellen, und auch jetzt noch an die Stellen der Notare, der Anwälte (avoués) und der Wechſelagenten. — Ueber die Nachtheile einer ſolchen Einrichtung ſ. Bellet, V., Offices et officiers ministeriels. Par., 1850; zu vertheidigen ſucht ſie: Bataillard, Ch., Du droit de propriété et de transmission des offices ministeriels. Par., 1840. 7) Eine der ſchreiendſten Ungerechtigkeiten in unſerem jetzigen Staats- leben iſt die geringe Entſchädigung, welche die zwangsmäßig in das Heer Eingereihten erhalten, und welche kaum über die nothwendigſte Lebenser- haltung während des Dienſtes hinausgeht. Freilich wäre mit einer wirklichen Entſchädigung für die Störung des ganzen Lebenszweckes oder mindeſtens für die Verfügung über die beſten Jugendjahre die Größe der jetzigen ſtehenden Heere unvereinbar. Ob aber deren Verminderung ein Unglück wäre, iſt billig die Frage. 8) Belege, daß auch höhere Aemter im Wege der Zwangsüber- tragung beſetzt werden können, ſind z. B. die Senatorenſtellen in Hamburg, die Sherifſtellen in England u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <note place="end" n="5)"><pb facs="#f0276" n="262"/> dieſer rechtlichen Natur der Entſtehung ändert der Inhalt der dem Beamten<lb/> vom Staatsoberhaupte verliehenen Rechte, und namentlich die Frage, ob<lb/> dieſelben die Natur von Privilegien haben, durchaus nichts. 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⁵⁾ dieſer rechtlichen Natur der Entſtehung ändert der Inhalt der dem Beamten
vom Staatsoberhaupte verliehenen Rechte, und namentlich die Frage, ob
dieſelben die Natur von Privilegien haben, durchaus nichts. Die Rechte
gegenüber von den Unterthanen und die Pflichten gegen den Staat und
deſſen Haupt werden durch den Umſtand, daß der Träger dieſes Verhält-
niſſes daſſelbe vertragsmäßig übernahm, nicht im Mindeſten geändert. Da
die höhern Beamten notoriſch nicht im Reihendienſte eingetreten ſind, noch
mit Gewalt ausgehoben werden, ſondern ſie ſich um das Amt freiwillig
melden und es ihnen aus freiem Entſchluſſe übertragen wird, oder umge-
kehrt, das Anerbieten an ſie geſchieht und ſie es ohne Zwang annehmen:
ſo liegen doch offenbar alle Erforderniſſe eines Vertrages, und die keines
andern Rechtsverhältniſſes vor. Völlig abgeſchmackt iſt es freilich, dieſen
Vertrag unter eine der Formen der Innominatkontracte des römiſchen Rechtes,
oder unter das Mandatsverhältniß, das precarium und die locatio con-
ductio operarum zu zwängen. — S. Schmitthenner, a. a. O.
⁶⁾ Nicht zu verwechſeln mit dem deutſchen Dienſthandel des 18. Jahr-
hunderts, jener unglaublichen Schlechtigkeit und Anzeige von Fäulniß,
iſt das Syſtem, welches gewiſſe Aemter als ein Privateigenthum des jewei-
ligen Inhabers betrachtet, und daher dieſem (nicht dem Staate oder dem
Fürſten) Abtretung durch Kauf geſtattet. Unzweifelhaft iſt dieſe ganze Auf-
faſſung verkehrt und hat daſſelbe, wo nicht ungemiſcht doch vorherrſchend,
große Nachtheile. Allein es iſt ein öffentlich anerkanntes rechtliches Ver-
hältniß und kein Verbrechen. So z. B. das Eigenthumsrecht an die Offi-
ziersſtellen im engliſchen Landheere; ſo in Frankreich vor der Revolution
das Privatrecht an viele Richterſtellen, und auch jetzt noch an die Stellen
der Notare, der Anwälte (avoués) und der Wechſelagenten. — Ueber die
Nachtheile einer ſolchen Einrichtung ſ. Bellet, V., Offices et officiers
ministeriels. Par., 1850; zu vertheidigen ſucht ſie: Bataillard, Ch.,
Du droit de propriété et de transmission des offices ministeriels.
Par., 1840.
⁷⁾ Eine der ſchreiendſten Ungerechtigkeiten in unſerem jetzigen Staats-
leben iſt die geringe Entſchädigung, welche die zwangsmäßig in das Heer
Eingereihten erhalten, und welche kaum über die nothwendigſte Lebenser-
haltung während des Dienſtes hinausgeht. Freilich wäre mit einer wirklichen
Entſchädigung für die Störung des ganzen Lebenszweckes oder mindeſtens
für die Verfügung über die beſten Jugendjahre die Größe der jetzigen
ſtehenden Heere unvereinbar. Ob aber deren Verminderung ein Unglück wäre,
iſt billig die Frage.
⁸⁾ Belege, daß auch höhere Aemter im Wege der Zwangsüber-
tragung beſetzt werden können, ſind z. B. die Senatorenſtellen in Hamburg,
die Sherifſtellen in England u. ſ. w.
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