Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
4) Ein bezeichnendes Beispiel von der unergründlichen Begriffsver-
wirrung hinsichtlich der polizeilichen Thätigkeit des Staates ist die Auffassung
der Meisten, mit Einfluß der Gesetzgebungen, über das Wesen und über
die Erlaubtheit der Polizeistrafen. Während auf der einen Seite, voll-
kommen sinnlos, die unbedeutenderen Rechtsverletzungen, z. B. kleine Dieb-
stähle, Verbalinjurien u. dgl., Polizeivergehen genannt werden und deren
Bestrafung den Polizeibehörden übertragen ist: werden manche Fälle von
Verletzungen bloßer Polizeimaßregeln unter die Verbrechen gereiht, ja
wird überhaupt der Polizei die Berechtigung streitig gemacht, in ihren eigenen
Angelegenheiten Strafen zu erkennen. Letzteres geschieht denn namentlich
auch deßhalb, weil sie nicht unbefangen sei und in eigner Sache richten
würde; wie wenn die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Staatsein-
richtung ein persönliches Interesse der Beamten wäre und Unparteilichkeit
ausschlösse, und wie wenn nicht auch die Gerichte ganz in demselben Ver-
hältnisse zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung stünden und somit eben-
falls, als betheiligt, Rechtsverletzungen nicht bestrafen dürften!
§ 37.
e. Vom Kriegswesen.

Die noch unvollkommene Gesittigung der Völker und ihrer
Oberhäupter nöthigt alle Staaten, zur Vertheidigung gegen
Außen nach Kräften gerüstet zu sein. Auch läßt die Möglich-
keit ausgedehnter oder hartnäckiger Auflehnungen gegen die
Staatsgewalt im Innern die Bereithaltung einer bewaffneten
Macht als Bedürfniß erscheinen. Die Einrichtung dieses gewal-
tigen und große Opfer erfordernden Mittels ist ein wichtiger
Theil der Verwaltung, und auch hier die Einhaltung mancher
Rechtsforderungen zu verlangen 1).

Wenn Vertheidigung der Gesammtheit und ihres Orga-
nismus nöthig ist, so folgt mit logischer Nothwendigkeit, daß
jeder Bürger die Verpflichtung hat, dazu beizutragen; und zwar
sowohl, wenn es verlangt wird, durch persönliche Leistungen,
als durch Beischaffung der Geldmittel. -- Der persönliche Dienst
mag auf verschiedene Weise eingerichtet sein. Vor Allem kann
allgemeine Verpflichtung aller (versteht sich waffenfähiger) Männer

4) Ein bezeichnendes Beiſpiel von der unergründlichen Begriffsver-
wirrung hinſichtlich der polizeilichen Thätigkeit des Staates iſt die Auffaſſung
der Meiſten, mit Einfluß der Geſetzgebungen, über das Weſen und über
die Erlaubtheit der Polizeiſtrafen. Während auf der einen Seite, voll-
kommen ſinnlos, die unbedeutenderen Rechtsverletzungen, z. B. kleine Dieb-
ſtähle, Verbalinjurien u. dgl., Polizeivergehen genannt werden und deren
Beſtrafung den Polizeibehörden übertragen iſt: werden manche Fälle von
Verletzungen bloßer Polizeimaßregeln unter die Verbrechen gereiht, ja
wird überhaupt der Polizei die Berechtigung ſtreitig gemacht, in ihren eigenen
Angelegenheiten Strafen zu erkennen. Letzteres geſchieht denn namentlich
auch deßhalb, weil ſie nicht unbefangen ſei und in eigner Sache richten
würde; wie wenn die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Staatsein-
richtung ein perſönliches Intereſſe der Beamten wäre und Unparteilichkeit
ausſchlöſſe, und wie wenn nicht auch die Gerichte ganz in demſelben Ver-
hältniſſe zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung ſtünden und ſomit eben-
falls, als betheiligt, Rechtsverletzungen nicht beſtrafen dürften!
§ 37.
e. Vom Kriegsweſen.

Die noch unvollkommene Geſittigung der Völker und ihrer
Oberhäupter nöthigt alle Staaten, zur Vertheidigung gegen
Außen nach Kräften gerüſtet zu ſein. Auch läßt die Möglich-
keit ausgedehnter oder hartnäckiger Auflehnungen gegen die
Staatsgewalt im Innern die Bereithaltung einer bewaffneten
Macht als Bedürfniß erſcheinen. Die Einrichtung dieſes gewal-
tigen und große Opfer erfordernden Mittels iſt ein wichtiger
Theil der Verwaltung, und auch hier die Einhaltung mancher
Rechtsforderungen zu verlangen 1).

Wenn Vertheidigung der Geſammtheit und ihres Orga-
nismus nöthig iſt, ſo folgt mit logiſcher Nothwendigkeit, daß
jeder Bürger die Verpflichtung hat, dazu beizutragen; und zwar
ſowohl, wenn es verlangt wird, durch perſönliche Leiſtungen,
als durch Beiſchaffung der Geldmittel. — Der perſönliche Dienſt
mag auf verſchiedene Weiſe eingerichtet ſein. Vor Allem kann
allgemeine Verpflichtung aller (verſteht ſich waffenfähiger) Männer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0294" n="280"/>
                    <note place="end" n="4)">Ein bezeichnendes Bei&#x017F;piel von der unergründlichen Begriffsver-<lb/>
wirrung hin&#x017F;ichtlich der polizeilichen Thätigkeit des Staates i&#x017F;t die Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
der Mei&#x017F;ten, mit Einfluß der Ge&#x017F;etzgebungen, über das We&#x017F;en und über<lb/>
die Erlaubtheit der <hi rendition="#g">Polizei&#x017F;trafen</hi>. Während auf der einen Seite, voll-<lb/>
kommen &#x017F;innlos, die unbedeutenderen Rechtsverletzungen, z. B. kleine Dieb-<lb/>
&#x017F;tähle, Verbalinjurien u. dgl., <hi rendition="#g">Polizeiv</hi>ergehen genannt werden und deren<lb/>
Be&#x017F;trafung den Polizeibehörden übertragen i&#x017F;t: werden manche Fälle von<lb/>
Verletzungen bloßer Polizeimaßregeln unter die <hi rendition="#g">Verbrechen</hi> gereiht, ja<lb/>
wird überhaupt der Polizei die Berechtigung &#x017F;treitig gemacht, in ihren eigenen<lb/>
Angelegenheiten Strafen zu erkennen. Letzteres ge&#x017F;chieht denn namentlich<lb/>
auch deßhalb, weil &#x017F;ie nicht unbefangen &#x017F;ei und in eigner Sache richten<lb/>
würde; wie wenn die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Staatsein-<lb/>
richtung ein per&#x017F;önliches Intere&#x017F;&#x017F;e der Beamten wäre und Unparteilichkeit<lb/>
aus&#x017F;chlö&#x017F;&#x017F;e, und wie wenn nicht auch die Gerichte ganz in dem&#x017F;elben Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung &#x017F;tünden und &#x017F;omit eben-<lb/>
falls, als betheiligt, Rechtsverletzungen nicht be&#x017F;trafen dürften!</note>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§ 37.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">e.</hi> Vom Kriegswe&#x017F;en.</hi></head><lb/>
                    <p>Die noch unvollkommene Ge&#x017F;ittigung der Völker und ihrer<lb/>
Oberhäupter nöthigt alle Staaten, zur Vertheidigung gegen<lb/>
Außen nach Kräften gerü&#x017F;tet zu &#x017F;ein. Auch läßt die Möglich-<lb/>
keit ausgedehnter oder hartnäckiger Auflehnungen gegen die<lb/>
Staatsgewalt im Innern die Bereithaltung einer bewaffneten<lb/>
Macht als Bedürfniß er&#x017F;cheinen. Die Einrichtung die&#x017F;es gewal-<lb/>
tigen und große Opfer erfordernden Mittels i&#x017F;t ein wichtiger<lb/>
Theil der Verwaltung, und auch hier die Einhaltung mancher<lb/>
Rechtsforderungen zu verlangen <hi rendition="#sup">1</hi>).</p><lb/>
                    <p>Wenn Vertheidigung der Ge&#x017F;ammtheit und ihres Orga-<lb/>
nismus nöthig i&#x017F;t, &#x017F;o folgt mit logi&#x017F;cher Nothwendigkeit, daß<lb/>
jeder Bürger die Verpflichtung hat, dazu beizutragen; und zwar<lb/>
&#x017F;owohl, wenn es verlangt wird, durch per&#x017F;önliche Lei&#x017F;tungen,<lb/>
als durch Bei&#x017F;chaffung der Geldmittel. &#x2014; Der per&#x017F;önliche Dien&#x017F;t<lb/>
mag auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e eingerichtet &#x017F;ein. Vor Allem kann<lb/>
allgemeine Verpflichtung aller (ver&#x017F;teht &#x017F;ich waffenfähiger) Männer<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0294] ⁴⁾ Ein bezeichnendes Beiſpiel von der unergründlichen Begriffsver- wirrung hinſichtlich der polizeilichen Thätigkeit des Staates iſt die Auffaſſung der Meiſten, mit Einfluß der Geſetzgebungen, über das Weſen und über die Erlaubtheit der Polizeiſtrafen. Während auf der einen Seite, voll- kommen ſinnlos, die unbedeutenderen Rechtsverletzungen, z. B. kleine Dieb- ſtähle, Verbalinjurien u. dgl., Polizeivergehen genannt werden und deren Beſtrafung den Polizeibehörden übertragen iſt: werden manche Fälle von Verletzungen bloßer Polizeimaßregeln unter die Verbrechen gereiht, ja wird überhaupt der Polizei die Berechtigung ſtreitig gemacht, in ihren eigenen Angelegenheiten Strafen zu erkennen. Letzteres geſchieht denn namentlich auch deßhalb, weil ſie nicht unbefangen ſei und in eigner Sache richten würde; wie wenn die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Staatsein- richtung ein perſönliches Intereſſe der Beamten wäre und Unparteilichkeit ausſchlöſſe, und wie wenn nicht auch die Gerichte ganz in demſelben Ver- hältniſſe zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung ſtünden und ſomit eben- falls, als betheiligt, Rechtsverletzungen nicht beſtrafen dürften! § 37. e. Vom Kriegsweſen. Die noch unvollkommene Geſittigung der Völker und ihrer Oberhäupter nöthigt alle Staaten, zur Vertheidigung gegen Außen nach Kräften gerüſtet zu ſein. Auch läßt die Möglich- keit ausgedehnter oder hartnäckiger Auflehnungen gegen die Staatsgewalt im Innern die Bereithaltung einer bewaffneten Macht als Bedürfniß erſcheinen. Die Einrichtung dieſes gewal- tigen und große Opfer erfordernden Mittels iſt ein wichtiger Theil der Verwaltung, und auch hier die Einhaltung mancher Rechtsforderungen zu verlangen 1). Wenn Vertheidigung der Geſammtheit und ihres Orga- nismus nöthig iſt, ſo folgt mit logiſcher Nothwendigkeit, daß jeder Bürger die Verpflichtung hat, dazu beizutragen; und zwar ſowohl, wenn es verlangt wird, durch perſönliche Leiſtungen, als durch Beiſchaffung der Geldmittel. — Der perſönliche Dienſt mag auf verſchiedene Weiſe eingerichtet ſein. Vor Allem kann allgemeine Verpflichtung aller (verſteht ſich waffenfähiger) Männer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/294
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/294>, abgerufen am 24.11.2024.