constitutionelles Staatsrecht, gemeinschaftliches Recht der Theokratieen u. s. f. -- Drittens, Gemeinschaft der geographischen Lage; allgemeines positives Staatsrecht der europäischen Staaten. -- Viertens, Zusammenfassung nach der Zeit; Staatsrecht des Mittelalters, der Reformationszeit u. dgl.
2) Nur bei völlig unklarem Denken ist es möglich, neben das Staats- recht oder gar neben das Verwaltungsrecht als coordinirte Wissenschaften noch ein Polizeirecht, Armenrecht, Kameralrecht u. dgl. zu stellen.
3) Es ist geradezu unbegreiflich, wie in den Encyklopädieen der St.-W. das positive Staatsrecht behandelt zu werden pflegt. Gewöhnlich ist es, ohne Zweifel im Gefühle der Schwierigkeit einer brauchbaren Behandlung, ganz übergangen; wo es aber berücksichtigt wird, sind in der Regel nur ein- zelne Formen des Staates berücksichtigt, diese dann aber wohl in endloser Wiederholung ganz gleichartiger Bestimmungen. So z. B. eine Reihenfolge von Rechtssystemen constitutioneller Staaten. Ausgezeichnet in dieser Be- ziehung ist nur Lord Brougham's Political philosophy, welche vor- treffliche Schilderungen verschiedener staatsrechtlicher Zustände liefert.
§ 51. 2. Methode der Bearbeitung.
Das in einem oder in mehreren Staaten gültige positive Staatsrecht läßt sich in dreierlei verschiedenen Weisen wissen- schaftlich behandeln, nämlich: 1. dogmatisch; 2. geschichtlich; 3. vergleichend.
1. Eine dogmatische Darstellung gibt ein vollständiges System der in einem festgestellten Augenblicke (gewöhnlich in der Gegenwart) bestehenden und gültigen Rechtssätze nach ihrem gleichzeitigen Inhalte und Umfange. Es sind also vor Allem die leitenden Grundsätze aufzustellen, sei es nun daß dieselben vom Gesetzgeber ausdrücklich ausgesprochen wurden, sei es daß sie sich aus der wissenschaftlichen Untersuchung ergeben. Ihnen werden die näheren Bestimmungen über einzelne Theile des staatlichen Lebens angereiht, welche ihrerseits aus der Geschichte, aus dem Wortlaute der Gesetze, aus nachweisbarem Gewohn- heitsrechte, endlich aus dem Geiste des Systemes richtig ausgelegt werden. Ueberall müssen die Folgesätze logisch ent-
conſtitutionelles Staatsrecht, gemeinſchaftliches Recht der Theokratieen u. ſ. f. — Drittens, Gemeinſchaft der geographiſchen Lage; allgemeines poſitives Staatsrecht der europäiſchen Staaten. — Viertens, Zuſammenfaſſung nach der Zeit; Staatsrecht des Mittelalters, der Reformationszeit u. dgl.
2) Nur bei völlig unklarem Denken iſt es möglich, neben das Staats- recht oder gar neben das Verwaltungsrecht als coordinirte Wiſſenſchaften noch ein Polizeirecht, Armenrecht, Kameralrecht u. dgl. zu ſtellen.
3) Es iſt geradezu unbegreiflich, wie in den Encyklopädieen der St.-W. das poſitive Staatsrecht behandelt zu werden pflegt. Gewöhnlich iſt es, ohne Zweifel im Gefühle der Schwierigkeit einer brauchbaren Behandlung, ganz übergangen; wo es aber berückſichtigt wird, ſind in der Regel nur ein- zelne Formen des Staates berückſichtigt, dieſe dann aber wohl in endloſer Wiederholung ganz gleichartiger Beſtimmungen. So z. B. eine Reihenfolge von Rechtsſyſtemen conſtitutioneller Staaten. Ausgezeichnet in dieſer Be- ziehung iſt nur Lord Brougham’s Political philosophy, welche vor- treffliche Schilderungen verſchiedener ſtaatsrechtlicher Zuſtände liefert.
§ 51. 2. Methode der Bearbeitung.
Das in einem oder in mehreren Staaten gültige poſitive Staatsrecht läßt ſich in dreierlei verſchiedenen Weiſen wiſſen- ſchaftlich behandeln, nämlich: 1. dogmatiſch; 2. geſchichtlich; 3. vergleichend.
1. Eine dogmatiſche Darſtellung gibt ein vollſtändiges Syſtem der in einem feſtgeſtellten Augenblicke (gewöhnlich in der Gegenwart) beſtehenden und gültigen Rechtsſätze nach ihrem gleichzeitigen Inhalte und Umfange. Es ſind alſo vor Allem die leitenden Grundſätze aufzuſtellen, ſei es nun daß dieſelben vom Geſetzgeber ausdrücklich ausgeſprochen wurden, ſei es daß ſie ſich aus der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung ergeben. Ihnen werden die näheren Beſtimmungen über einzelne Theile des ſtaatlichen Lebens angereiht, welche ihrerſeits aus der Geſchichte, aus dem Wortlaute der Geſetze, aus nachweisbarem Gewohn- heitsrechte, endlich aus dem Geiſte des Syſtemes richtig ausgelegt werden. Ueberall müſſen die Folgeſätze logiſch ent-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><noteplace="end"n="1)"><pbfacs="#f0397"n="383"/>
conſtitutionelles Staatsrecht, gemeinſchaftliches Recht der Theokratieen u. ſ. f.<lb/>— Drittens, Gemeinſchaft der geographiſchen Lage; allgemeines poſitives<lb/>
Staatsrecht der europäiſchen Staaten. — Viertens, Zuſammenfaſſung nach<lb/>
der Zeit; Staatsrecht des Mittelalters, der Reformationszeit u. dgl.</note><lb/><noteplace="end"n="2)">Nur bei völlig unklarem Denken iſt es möglich, <hirendition="#g">neben</hi> das Staats-<lb/>
recht oder gar neben das Verwaltungsrecht als coordinirte Wiſſenſchaften<lb/>
noch ein Polizeirecht, Armenrecht, Kameralrecht u. dgl. zu ſtellen.</note><lb/><noteplace="end"n="3)">Es iſt geradezu unbegreiflich, wie in den Encyklopädieen der St.-W.<lb/>
das poſitive Staatsrecht behandelt zu werden pflegt. Gewöhnlich iſt es, ohne<lb/>
Zweifel im Gefühle der Schwierigkeit einer brauchbaren Behandlung, ganz<lb/>
übergangen; wo es aber berückſichtigt wird, ſind in der Regel nur ein-<lb/>
zelne Formen des Staates berückſichtigt, dieſe dann aber wohl in endloſer<lb/>
Wiederholung ganz gleichartiger Beſtimmungen. So z. B. eine Reihenfolge<lb/>
von Rechtsſyſtemen conſtitutioneller Staaten. Ausgezeichnet in dieſer Be-<lb/>
ziehung iſt nur Lord <hirendition="#g">Brougham</hi>’s <hirendition="#aq">Political philosophy,</hi> welche vor-<lb/>
treffliche Schilderungen verſchiedener ſtaatsrechtlicher Zuſtände liefert.</note></div><lb/><divn="5"><head>§ 51.<lb/><hirendition="#b">2. Methode der Bearbeitung.</hi></head><lb/><p>Das in einem oder in mehreren Staaten gültige poſitive<lb/>
Staatsrecht läßt ſich in dreierlei verſchiedenen Weiſen wiſſen-<lb/>ſchaftlich behandeln, nämlich: 1. dogmatiſch; 2. geſchichtlich;<lb/>
3. vergleichend.</p><lb/><p>1. Eine <hirendition="#g">dogmatiſche</hi> Darſtellung gibt ein vollſtändiges<lb/>
Syſtem der in einem feſtgeſtellten Augenblicke (gewöhnlich in<lb/>
der Gegenwart) beſtehenden und gültigen Rechtsſätze nach ihrem<lb/>
gleichzeitigen Inhalte und Umfange. Es ſind alſo vor Allem<lb/>
die leitenden Grundſätze aufzuſtellen, ſei es nun daß dieſelben<lb/>
vom Geſetzgeber ausdrücklich ausgeſprochen wurden, ſei es daß<lb/>ſie ſich aus der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung ergeben. Ihnen<lb/>
werden die näheren Beſtimmungen über einzelne Theile des<lb/>ſtaatlichen Lebens angereiht, welche ihrerſeits aus der Geſchichte,<lb/>
aus dem Wortlaute der Geſetze, aus nachweisbarem Gewohn-<lb/>
heitsrechte, endlich aus dem Geiſte des Syſtemes richtig<lb/>
ausgelegt werden. Ueberall müſſen die Folgeſätze logiſch ent-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[383/0397]
¹⁾ conſtitutionelles Staatsrecht, gemeinſchaftliches Recht der Theokratieen u. ſ. f.
— Drittens, Gemeinſchaft der geographiſchen Lage; allgemeines poſitives
Staatsrecht der europäiſchen Staaten. — Viertens, Zuſammenfaſſung nach
der Zeit; Staatsrecht des Mittelalters, der Reformationszeit u. dgl.
²⁾ Nur bei völlig unklarem Denken iſt es möglich, neben das Staats-
recht oder gar neben das Verwaltungsrecht als coordinirte Wiſſenſchaften
noch ein Polizeirecht, Armenrecht, Kameralrecht u. dgl. zu ſtellen.
³⁾ Es iſt geradezu unbegreiflich, wie in den Encyklopädieen der St.-W.
das poſitive Staatsrecht behandelt zu werden pflegt. Gewöhnlich iſt es, ohne
Zweifel im Gefühle der Schwierigkeit einer brauchbaren Behandlung, ganz
übergangen; wo es aber berückſichtigt wird, ſind in der Regel nur ein-
zelne Formen des Staates berückſichtigt, dieſe dann aber wohl in endloſer
Wiederholung ganz gleichartiger Beſtimmungen. So z. B. eine Reihenfolge
von Rechtsſyſtemen conſtitutioneller Staaten. Ausgezeichnet in dieſer Be-
ziehung iſt nur Lord Brougham’s Political philosophy, welche vor-
treffliche Schilderungen verſchiedener ſtaatsrechtlicher Zuſtände liefert.
§ 51.
2. Methode der Bearbeitung.
Das in einem oder in mehreren Staaten gültige poſitive
Staatsrecht läßt ſich in dreierlei verſchiedenen Weiſen wiſſen-
ſchaftlich behandeln, nämlich: 1. dogmatiſch; 2. geſchichtlich;
3. vergleichend.
1. Eine dogmatiſche Darſtellung gibt ein vollſtändiges
Syſtem der in einem feſtgeſtellten Augenblicke (gewöhnlich in
der Gegenwart) beſtehenden und gültigen Rechtsſätze nach ihrem
gleichzeitigen Inhalte und Umfange. Es ſind alſo vor Allem
die leitenden Grundſätze aufzuſtellen, ſei es nun daß dieſelben
vom Geſetzgeber ausdrücklich ausgeſprochen wurden, ſei es daß
ſie ſich aus der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung ergeben. Ihnen
werden die näheren Beſtimmungen über einzelne Theile des
ſtaatlichen Lebens angereiht, welche ihrerſeits aus der Geſchichte,
aus dem Wortlaute der Geſetze, aus nachweisbarem Gewohn-
heitsrechte, endlich aus dem Geiſte des Syſtemes richtig
ausgelegt werden. Ueberall müſſen die Folgeſätze logiſch ent-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/397>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.