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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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mann und für den Gelehrten; aber für den Bürger und für
den gewöhnlichen Beamten hat sie geringen Werth, und auch
jene dürfen nicht mit ihr abschließen.

Die vergleichende Darstellung endlich ist weder für das
praktische Leben noch für die Wissenschaft gründlich genug oder
zu unmittelbarer Verwendung brauchbar; wohl aber liefert sie
Stoff zum Nachdenken und lehrt fremde gute Einrichtungen
kennen. Nur allzu häufig freilich begibt sich, daß sie in tabel-
larische Geistlosigkeit oder nutzlos wiederholende Breite ausartet.
Nimmermehr kann sie den Hauptstamm der literarischen Bear-
beitung eines öffentlichen Rechtes bilden, sondern nur eine
gelegentliche mehr oder weniger nützliche Beigabe.

1) Es darf wohl bei aller Anerkennung der großen Leistungen eines
Eichhorn und seiner Schule, die Frage aufgeworfen werden, ob die jetzt in
Deutschland ganz allgemein gewordene Darstellung der gesammten, sowohl
das Privat- als das öffentliche Recht umfassenden, Rechtsgeschichte ein Vor-
theil für das richtige Verständniß der beiden Haupttheile des vaterländischen
Rechtes ist? Unzweifelhaft ist nämlich der Stoff hierdurch für die Zeit, den
Fleiß und das Gedächtniß der Meisten zu groß geworden; auch ist das Zu-
sammensuchen des je zu einem Haupttheile Gehörigen wenigstens für den
Anfänger eine schwierige Aufgabe. So gewiß daher einzelne Hauptwerke,
welche organisch das gesammte Rechtsleben umfassen und die Geschichte dieses
Organismus geben, als Grundlage und vollständige Belehrung höchst dan-
kenswerth ja unerläßlich sind; und so unzweifelhaft auch die Bearbeitung
des öffentlichen Rechtes noch als unvollkommen anzusehen ist, so lange es
der Literatur eines Volkes noch an einer allgemeinen rechtsgeschichtlichen
Darstellung fehlt: so darf doch nicht die ganze Wissenschaft in einer solchen
aufgehen. Namentlich in Deutschland wäre es wohl an der Zeit, daß auch
wieder abgesonderte rechtsgeschichtliche Erzählungen für Staats- und für
Privatrecht gegeben würden. Es mag des Guten auch zu viel geschehen. In
Frankreich und England findet das Gegentheil statt.
§ 52.
3. Quellen und Hülfsmittel.

Das positive Staatsrecht nimmt seinen Stoff aus ver-
schiedenen Quellen.

mann und für den Gelehrten; aber für den Bürger und für
den gewöhnlichen Beamten hat ſie geringen Werth, und auch
jene dürfen nicht mit ihr abſchließen.

Die vergleichende Darſtellung endlich iſt weder für das
praktiſche Leben noch für die Wiſſenſchaft gründlich genug oder
zu unmittelbarer Verwendung brauchbar; wohl aber liefert ſie
Stoff zum Nachdenken und lehrt fremde gute Einrichtungen
kennen. Nur allzu häufig freilich begibt ſich, daß ſie in tabel-
lariſche Geiſtloſigkeit oder nutzlos wiederholende Breite ausartet.
Nimmermehr kann ſie den Hauptſtamm der literariſchen Bear-
beitung eines öffentlichen Rechtes bilden, ſondern nur eine
gelegentliche mehr oder weniger nützliche Beigabe.

1) Es darf wohl bei aller Anerkennung der großen Leiſtungen eines
Eichhorn und ſeiner Schule, die Frage aufgeworfen werden, ob die jetzt in
Deutſchland ganz allgemein gewordene Darſtellung der geſammten, ſowohl
das Privat- als das öffentliche Recht umfaſſenden, Rechtsgeſchichte ein Vor-
theil für das richtige Verſtändniß der beiden Haupttheile des vaterländiſchen
Rechtes iſt? Unzweifelhaft iſt nämlich der Stoff hierdurch für die Zeit, den
Fleiß und das Gedächtniß der Meiſten zu groß geworden; auch iſt das Zu-
ſammenſuchen des je zu einem Haupttheile Gehörigen wenigſtens für den
Anfänger eine ſchwierige Aufgabe. So gewiß daher einzelne Hauptwerke,
welche organiſch das geſammte Rechtsleben umfaſſen und die Geſchichte dieſes
Organismus geben, als Grundlage und vollſtändige Belehrung höchſt dan-
kenswerth ja unerläßlich ſind; und ſo unzweifelhaft auch die Bearbeitung
des öffentlichen Rechtes noch als unvollkommen anzuſehen iſt, ſo lange es
der Literatur eines Volkes noch an einer allgemeinen rechtsgeſchichtlichen
Darſtellung fehlt: ſo darf doch nicht die ganze Wiſſenſchaft in einer ſolchen
aufgehen. Namentlich in Deutſchland wäre es wohl an der Zeit, daß auch
wieder abgeſonderte rechtsgeſchichtliche Erzählungen für Staats- und für
Privatrecht gegeben würden. Es mag des Guten auch zu viel geſchehen. In
Frankreich und England findet das Gegentheil ſtatt.
§ 52.
3. Quellen und Hülfsmittel.

Das poſitive Staatsrecht nimmt ſeinen Stoff aus ver-
ſchiedenen Quellen.

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[388/0402] mann und für den Gelehrten; aber für den Bürger und für den gewöhnlichen Beamten hat ſie geringen Werth, und auch jene dürfen nicht mit ihr abſchließen. Die vergleichende Darſtellung endlich iſt weder für das praktiſche Leben noch für die Wiſſenſchaft gründlich genug oder zu unmittelbarer Verwendung brauchbar; wohl aber liefert ſie Stoff zum Nachdenken und lehrt fremde gute Einrichtungen kennen. Nur allzu häufig freilich begibt ſich, daß ſie in tabel- lariſche Geiſtloſigkeit oder nutzlos wiederholende Breite ausartet. Nimmermehr kann ſie den Hauptſtamm der literariſchen Bear- beitung eines öffentlichen Rechtes bilden, ſondern nur eine gelegentliche mehr oder weniger nützliche Beigabe. ¹⁾ Es darf wohl bei aller Anerkennung der großen Leiſtungen eines Eichhorn und ſeiner Schule, die Frage aufgeworfen werden, ob die jetzt in Deutſchland ganz allgemein gewordene Darſtellung der geſammten, ſowohl das Privat- als das öffentliche Recht umfaſſenden, Rechtsgeſchichte ein Vor- theil für das richtige Verſtändniß der beiden Haupttheile des vaterländiſchen Rechtes iſt? Unzweifelhaft iſt nämlich der Stoff hierdurch für die Zeit, den Fleiß und das Gedächtniß der Meiſten zu groß geworden; auch iſt das Zu- ſammenſuchen des je zu einem Haupttheile Gehörigen wenigſtens für den Anfänger eine ſchwierige Aufgabe. So gewiß daher einzelne Hauptwerke, welche organiſch das geſammte Rechtsleben umfaſſen und die Geſchichte dieſes Organismus geben, als Grundlage und vollſtändige Belehrung höchſt dan- kenswerth ja unerläßlich ſind; und ſo unzweifelhaft auch die Bearbeitung des öffentlichen Rechtes noch als unvollkommen anzuſehen iſt, ſo lange es der Literatur eines Volkes noch an einer allgemeinen rechtsgeſchichtlichen Darſtellung fehlt: ſo darf doch nicht die ganze Wiſſenſchaft in einer ſolchen aufgehen. Namentlich in Deutſchland wäre es wohl an der Zeit, daß auch wieder abgeſonderte rechtsgeſchichtliche Erzählungen für Staats- und für Privatrecht gegeben würden. Es mag des Guten auch zu viel geſchehen. In Frankreich und England findet das Gegentheil ſtatt. § 52. 3. Quellen und Hülfsmittel. Das poſitive Staatsrecht nimmt ſeinen Stoff aus ver- ſchiedenen Quellen.

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/402>, abgerufen am 24.11.2024.