gutem Glauben Zank vermieden und eine richtige Behandlung des einzelnen vorkommenden Falles vorbereitet. Begründete Ausstellungen und an rechter Stelle angebrachte Wünsche machen aufmerksam und bahnen Verbesserungen an. Ein Werk dieser Art ist also eine Stütze des Rechtes, eine Veranlassung zu Besserem, und ein bequemes Hülfsmittel bei den Vorkommnissen des täglichen Lebens. -- Dagegen besteht hier freilich auch die Gefahr, daß eine falsche aber den Schein der Wahrheit tragende Darstellung unrichtige Auslegungen begünstige, unbegründete Forderungen hervorrufe oder wenigstens unterstütze, bisher Gesichertes zweifelhaft mache, und überhaupt an die Stelle des wirklich bestehenden Rechtes eine nur subjective Auffassung oder gar Absicht setze. Jedenfalls ist der Vortheil für Kritik, Ver- besserung und Zukunft größer, als für Pietät und Erhaltung des Bestehenden.
Der bezeichnende und in der That höchst bedeutende Nutzen einer guten rechtsgeschichtlichen Darstellung ist das wahre Ver- ständniß des concreten Rechts. Man wird durch Kenntniß des wirklichen Herganges bewahrt vor falschen Voraussetzungen, wie sich solche aus Unwissenheit in der Geschichte oder aus der Anwendung fremdartiger und an sich falscher Systeme leicht ergeben. Durch die Erzählung früherer Versuche und Fehler wird gewarnt vor falschen Schritten, namentlich vor Belebungs- versuchen bereits verstorbener Anstalten. Ein geschichtlicher Sinn bewahrt vor Sprüngen in Aenderungen. -- Als nach- theilig dagegen ergibt sich, daß eine solche Behandlungsweise des Rechtes mehr für das Wissen als für die richtige und sichere Behandlung des Lebens leistet; daß leicht eine Verwechs- lung von geschichtlich richtiger Darstellung mit theoretischer und praktischer Löblichkeit entsteht; daß der Blick mehr rückwärts, als auf Verbesserung und Vorschreiten gerichtet wird. Die Rechtsgeschichte ist eine nothwendige Vorkenntniß für den Staats-
25*
gutem Glauben Zank vermieden und eine richtige Behandlung des einzelnen vorkommenden Falles vorbereitet. Begründete Ausſtellungen und an rechter Stelle angebrachte Wünſche machen aufmerkſam und bahnen Verbeſſerungen an. Ein Werk dieſer Art iſt alſo eine Stütze des Rechtes, eine Veranlaſſung zu Beſſerem, und ein bequemes Hülfsmittel bei den Vorkommniſſen des täglichen Lebens. — Dagegen beſteht hier freilich auch die Gefahr, daß eine falſche aber den Schein der Wahrheit tragende Darſtellung unrichtige Auslegungen begünſtige, unbegründete Forderungen hervorrufe oder wenigſtens unterſtütze, bisher Geſichertes zweifelhaft mache, und überhaupt an die Stelle des wirklich beſtehenden Rechtes eine nur ſubjective Auffaſſung oder gar Abſicht ſetze. Jedenfalls iſt der Vortheil für Kritik, Ver- beſſerung und Zukunft größer, als für Pietät und Erhaltung des Beſtehenden.
Der bezeichnende und in der That höchſt bedeutende Nutzen einer guten rechtsgeſchichtlichen Darſtellung iſt das wahre Ver- ſtändniß des concreten Rechts. Man wird durch Kenntniß des wirklichen Herganges bewahrt vor falſchen Vorausſetzungen, wie ſich ſolche aus Unwiſſenheit in der Geſchichte oder aus der Anwendung fremdartiger und an ſich falſcher Syſteme leicht ergeben. Durch die Erzählung früherer Verſuche und Fehler wird gewarnt vor falſchen Schritten, namentlich vor Belebungs- verſuchen bereits verſtorbener Anſtalten. Ein geſchichtlicher Sinn bewahrt vor Sprüngen in Aenderungen. — Als nach- theilig dagegen ergibt ſich, daß eine ſolche Behandlungsweiſe des Rechtes mehr für das Wiſſen als für die richtige und ſichere Behandlung des Lebens leiſtet; daß leicht eine Verwechs- lung von geſchichtlich richtiger Darſtellung mit theoretiſcher und praktiſcher Löblichkeit entſteht; daß der Blick mehr rückwärts, als auf Verbeſſerung und Vorſchreiten gerichtet wird. Die Rechtsgeſchichte iſt eine nothwendige Vorkenntniß für den Staats-
25*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0401"n="387"/>
gutem Glauben Zank vermieden und eine richtige Behandlung<lb/>
des einzelnen vorkommenden Falles vorbereitet. Begründete<lb/>
Ausſtellungen und an rechter Stelle angebrachte Wünſche machen<lb/>
aufmerkſam und bahnen Verbeſſerungen an. Ein Werk dieſer<lb/>
Art iſt alſo eine Stütze des Rechtes, eine Veranlaſſung zu<lb/>
Beſſerem, und ein bequemes Hülfsmittel bei den Vorkommniſſen<lb/>
des täglichen Lebens. — Dagegen beſteht hier freilich auch die<lb/>
Gefahr, daß eine falſche aber den Schein der Wahrheit tragende<lb/>
Darſtellung unrichtige Auslegungen begünſtige, unbegründete<lb/>
Forderungen hervorrufe oder wenigſtens unterſtütze, bisher<lb/>
Geſichertes zweifelhaft mache, und überhaupt an die Stelle des<lb/>
wirklich beſtehenden Rechtes eine nur ſubjective Auffaſſung oder<lb/>
gar Abſicht ſetze. Jedenfalls iſt der Vortheil für Kritik, Ver-<lb/>
beſſerung und Zukunft größer, als für Pietät und Erhaltung<lb/>
des Beſtehenden.</p><lb/><p>Der bezeichnende und in der That höchſt bedeutende Nutzen<lb/>
einer guten rechtsgeſchichtlichen Darſtellung iſt das wahre Ver-<lb/>ſtändniß des concreten Rechts. Man wird durch Kenntniß des<lb/>
wirklichen Herganges bewahrt vor falſchen Vorausſetzungen,<lb/>
wie ſich ſolche aus Unwiſſenheit in der Geſchichte oder aus der<lb/>
Anwendung fremdartiger und an ſich falſcher Syſteme leicht<lb/>
ergeben. Durch die Erzählung früherer Verſuche und Fehler<lb/>
wird gewarnt vor falſchen Schritten, namentlich vor Belebungs-<lb/>
verſuchen bereits verſtorbener Anſtalten. Ein geſchichtlicher<lb/>
Sinn bewahrt vor Sprüngen in Aenderungen. — Als nach-<lb/>
theilig dagegen ergibt ſich, daß eine ſolche Behandlungsweiſe<lb/>
des Rechtes mehr für das Wiſſen als für die richtige und<lb/>ſichere Behandlung des Lebens leiſtet; daß leicht eine Verwechs-<lb/>
lung von geſchichtlich richtiger Darſtellung mit theoretiſcher und<lb/>
praktiſcher Löblichkeit entſteht; daß der Blick mehr rückwärts,<lb/>
als auf Verbeſſerung und Vorſchreiten gerichtet wird. Die<lb/>
Rechtsgeſchichte iſt eine nothwendige Vorkenntniß für den Staats-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">25*</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0401]
gutem Glauben Zank vermieden und eine richtige Behandlung
des einzelnen vorkommenden Falles vorbereitet. Begründete
Ausſtellungen und an rechter Stelle angebrachte Wünſche machen
aufmerkſam und bahnen Verbeſſerungen an. Ein Werk dieſer
Art iſt alſo eine Stütze des Rechtes, eine Veranlaſſung zu
Beſſerem, und ein bequemes Hülfsmittel bei den Vorkommniſſen
des täglichen Lebens. — Dagegen beſteht hier freilich auch die
Gefahr, daß eine falſche aber den Schein der Wahrheit tragende
Darſtellung unrichtige Auslegungen begünſtige, unbegründete
Forderungen hervorrufe oder wenigſtens unterſtütze, bisher
Geſichertes zweifelhaft mache, und überhaupt an die Stelle des
wirklich beſtehenden Rechtes eine nur ſubjective Auffaſſung oder
gar Abſicht ſetze. Jedenfalls iſt der Vortheil für Kritik, Ver-
beſſerung und Zukunft größer, als für Pietät und Erhaltung
des Beſtehenden.
Der bezeichnende und in der That höchſt bedeutende Nutzen
einer guten rechtsgeſchichtlichen Darſtellung iſt das wahre Ver-
ſtändniß des concreten Rechts. Man wird durch Kenntniß des
wirklichen Herganges bewahrt vor falſchen Vorausſetzungen,
wie ſich ſolche aus Unwiſſenheit in der Geſchichte oder aus der
Anwendung fremdartiger und an ſich falſcher Syſteme leicht
ergeben. Durch die Erzählung früherer Verſuche und Fehler
wird gewarnt vor falſchen Schritten, namentlich vor Belebungs-
verſuchen bereits verſtorbener Anſtalten. Ein geſchichtlicher
Sinn bewahrt vor Sprüngen in Aenderungen. — Als nach-
theilig dagegen ergibt ſich, daß eine ſolche Behandlungsweiſe
des Rechtes mehr für das Wiſſen als für die richtige und
ſichere Behandlung des Lebens leiſtet; daß leicht eine Verwechs-
lung von geſchichtlich richtiger Darſtellung mit theoretiſcher und
praktiſcher Löblichkeit entſteht; daß der Blick mehr rückwärts,
als auf Verbeſſerung und Vorſchreiten gerichtet wird. Die
Rechtsgeſchichte iſt eine nothwendige Vorkenntniß für den Staats-
25*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/401>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.