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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Anlehnung an das römische Recht konnte nur zur Verdunke-
lung der Aufgabe und zu falscher Methode führen 5). Erst
Hugo Grotius war es, welcher diese Schwierigkeit zu
besiegen verstand. Gedrängt durch das Bedürfniß, für die ganz
verwilderten internationalen Zustände seiner Zeit und namentlich
für die ohne Recht und Sinn unternommenen Kriege eine
rechtliche Norm aufzufinden, entwarf er sein großes Werk über
das Recht des Kriegs und Friedens; um seine Sätze aber auf
eine unerschütterliche Grundlage zu stellen, schickte er dem
eigentlich völkerrechtlichen Systeme eine allgemeine Rechtsphi-
losophie voraus. Sein Grundgedanke war, die Sätze des
natürlichen Privatrechtes anzuwenden auf die Verhältnisse unter
den Staaten; als Beweismittel aber brauchte er in bunter
Mischung sowohl geschichtliche Thatsachen als allgemeine recht-
liche Argumentation 6).

Von ihm ab hat das philosophische Völkerrecht eine wissen-
schaftliche Bearbeitung behalten, und ist dieselbe von Zeit zu
Zeit verbessert worden. Es gingen nämlich zwei verschiedene
Richtungen von Grotius aus. Die eine hielt sich mehr an die
Thatsachen und an das positive Recht unter den Staaten, wie
sich dieses allmälig ausbildete; die andere aber, von welcher
zunächst hier die Rede ist, bemühte sich das Ideal des Rechts-
verhältnisses unter den Völkern immer sicherer zu begründen
und wissenschaftlich vollkommen zu entwickeln. Es lassen sich
aber, abgesehen von den unmittelbaren Nachfolgern und Aus-
legern des Grotius, hauptsächlich drei verschiedene Richtungen
hierbei unterscheiden.

Den ersten bedeutenden Schritt zur Vervollkommnung that
der berühmte deutsche Philosoph Christian Wolf; (wie
denn überhaupt die ganze weitere Entwickelung des philoso-
phischen Völkerrechtes Deutschen zu danken ist.) Sein großes
Verdienst ist, daß er neben das Princip der Freiheit im Völker-

Anlehnung an das römiſche Recht konnte nur zur Verdunke-
lung der Aufgabe und zu falſcher Methode führen 5). Erſt
Hugo Grotius war es, welcher dieſe Schwierigkeit zu
beſiegen verſtand. Gedrängt durch das Bedürfniß, für die ganz
verwilderten internationalen Zuſtände ſeiner Zeit und namentlich
für die ohne Recht und Sinn unternommenen Kriege eine
rechtliche Norm aufzufinden, entwarf er ſein großes Werk über
das Recht des Kriegs und Friedens; um ſeine Sätze aber auf
eine unerſchütterliche Grundlage zu ſtellen, ſchickte er dem
eigentlich völkerrechtlichen Syſteme eine allgemeine Rechtsphi-
loſophie voraus. Sein Grundgedanke war, die Sätze des
natürlichen Privatrechtes anzuwenden auf die Verhältniſſe unter
den Staaten; als Beweismittel aber brauchte er in bunter
Miſchung ſowohl geſchichtliche Thatſachen als allgemeine recht-
liche Argumentation 6).

Von ihm ab hat das philoſophiſche Völkerrecht eine wiſſen-
ſchaftliche Bearbeitung behalten, und iſt dieſelbe von Zeit zu
Zeit verbeſſert worden. Es gingen nämlich zwei verſchiedene
Richtungen von Grotius aus. Die eine hielt ſich mehr an die
Thatſachen und an das poſitive Recht unter den Staaten, wie
ſich dieſes allmälig ausbildete; die andere aber, von welcher
zunächſt hier die Rede iſt, bemühte ſich das Ideal des Rechts-
verhältniſſes unter den Völkern immer ſicherer zu begründen
und wiſſenſchaftlich vollkommen zu entwickeln. Es laſſen ſich
aber, abgeſehen von den unmittelbaren Nachfolgern und Aus-
legern des Grotius, hauptſächlich drei verſchiedene Richtungen
hierbei unterſcheiden.

Den erſten bedeutenden Schritt zur Vervollkommnung that
der berühmte deutſche Philoſoph Chriſtian Wolf; (wie
denn überhaupt die ganze weitere Entwickelung des philoſo-
phiſchen Völkerrechtes Deutſchen zu danken iſt.) Sein großes
Verdienſt iſt, daß er neben das Princip der Freiheit im Völker-

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[409/0423] Anlehnung an das römiſche Recht konnte nur zur Verdunke- lung der Aufgabe und zu falſcher Methode führen 5). Erſt Hugo Grotius war es, welcher dieſe Schwierigkeit zu beſiegen verſtand. Gedrängt durch das Bedürfniß, für die ganz verwilderten internationalen Zuſtände ſeiner Zeit und namentlich für die ohne Recht und Sinn unternommenen Kriege eine rechtliche Norm aufzufinden, entwarf er ſein großes Werk über das Recht des Kriegs und Friedens; um ſeine Sätze aber auf eine unerſchütterliche Grundlage zu ſtellen, ſchickte er dem eigentlich völkerrechtlichen Syſteme eine allgemeine Rechtsphi- loſophie voraus. Sein Grundgedanke war, die Sätze des natürlichen Privatrechtes anzuwenden auf die Verhältniſſe unter den Staaten; als Beweismittel aber brauchte er in bunter Miſchung ſowohl geſchichtliche Thatſachen als allgemeine recht- liche Argumentation 6). Von ihm ab hat das philoſophiſche Völkerrecht eine wiſſen- ſchaftliche Bearbeitung behalten, und iſt dieſelbe von Zeit zu Zeit verbeſſert worden. Es gingen nämlich zwei verſchiedene Richtungen von Grotius aus. Die eine hielt ſich mehr an die Thatſachen und an das poſitive Recht unter den Staaten, wie ſich dieſes allmälig ausbildete; die andere aber, von welcher zunächſt hier die Rede iſt, bemühte ſich das Ideal des Rechts- verhältniſſes unter den Völkern immer ſicherer zu begründen und wiſſenſchaftlich vollkommen zu entwickeln. Es laſſen ſich aber, abgeſehen von den unmittelbaren Nachfolgern und Aus- legern des Grotius, hauptſächlich drei verſchiedene Richtungen hierbei unterſcheiden. Den erſten bedeutenden Schritt zur Vervollkommnung that der berühmte deutſche Philoſoph Chriſtian Wolf; (wie denn überhaupt die ganze weitere Entwickelung des philoſo- phiſchen Völkerrechtes Deutſchen zu danken iſt.) Sein großes Verdienſt iſt, daß er neben das Princip der Freiheit im Völker-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/423>, abgerufen am 24.11.2024.