4) Aehnlich verhält es sich mit der bloßen Durchreise der Angehörigen fremder Staaten und mit der Durchfuhr ihrer Waaren. Beides ist grundsätzlich zu gestatten; und namentlich darf einem rückwärtsliegenden Staate der Bezug der ihm nothwendigen Lebensmittel und der Rohstoffe für seine Ge- werbe nicht untersagt werden. Nur haben sich natürlich auch blos durchreisende Fremde während ihres Aufenthaltes im Lande nicht nur den örtlichen Rechts- und Polizeigesetzen zu unter- werfen und sind hinsichtlich ihrer innerhalb des Gebietes begangenen Handlungen nach diesseitigen Gesetzen zu beurheilen; sondern sie haben auch in Beziehung auf die Durchfuhr ihrer Waaren und auf die Benützung der Verkehrswege und Mittel die bestehenden Anordnungen zu befolgen und etwa verlangte billige Entschädigung für den Gebrauch zu leisten. Eine Gleich- stellung mit den eigenen Unterthanen des Staates können sie rechtlich nicht verlangen.
1) Von den zahlreichen Schriften über das völkerrechtliche Verkehrsrecht sind namentlich folgende zu bemerken: Hanker, H., die Rechte und Frei- heiten des Handels der Völker, nach dem Völkerrecht und der Moral. Hambg., 1782. -- Steck, Essais s. divers sujets relatifs au commerce et a la navigation. Berl., 1794. -- Reimarus, J. R. H., Le commerce. Amst. et Par., 1808. -- Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. V, S. 240 fg. (Allerdings auf die falsche Grundlage eines "Weltbürgerrechts" gestellt.) -- Masse, Le droit commercial dans ses rapports avec le droit des gens. I--IV. Par., 1844.
2) Die grundsätzliche Abschließung China's und Japan's gegen alle Fremde ist ein Beweis von Barbarenthum und die in neuesten Zeiten ver- suchte und zum Theil gelungene Nöthigungen derselben zu einem freieren Verkehre ist nicht nur wegen ihrer wirthschaftlichen Folgen ein Gewinn, son- dern kann vom Rechtsstandpunkte aus vertheidigt werden. Allerdings haben die genannten asiatischen Staaten das Recht, ihre inneren Einrichtungen nach ihrem Belieben und Bedürfnisse zu treffen; aber sie haben nicht das Recht, den von ihnen bewohnten Theil der Erde für die Verfolgung der Lebenszwecke anderer Völker ganz unzugänglich zu machen. Derselbe Tadel trifft freilich die früheren europäischen Kolonialgesetze, namentlich die spanischen.
3) Die in einigen halbbarbarischen asiatischen Staaten von fremden
4) Aehnlich verhält es ſich mit der bloßen Durchreiſe der Angehörigen fremder Staaten und mit der Durchfuhr ihrer Waaren. Beides iſt grundſätzlich zu geſtatten; und namentlich darf einem rückwärtsliegenden Staate der Bezug der ihm nothwendigen Lebensmittel und der Rohſtoffe für ſeine Ge- werbe nicht unterſagt werden. Nur haben ſich natürlich auch blos durchreiſende Fremde während ihres Aufenthaltes im Lande nicht nur den örtlichen Rechts- und Polizeigeſetzen zu unter- werfen und ſind hinſichtlich ihrer innerhalb des Gebietes begangenen Handlungen nach dieſſeitigen Geſetzen zu beurheilen; ſondern ſie haben auch in Beziehung auf die Durchfuhr ihrer Waaren und auf die Benützung der Verkehrswege und Mittel die beſtehenden Anordnungen zu befolgen und etwa verlangte billige Entſchädigung für den Gebrauch zu leiſten. Eine Gleich- ſtellung mit den eigenen Unterthanen des Staates können ſie rechtlich nicht verlangen.
1) Von den zahlreichen Schriften über das völkerrechtliche Verkehrsrecht ſind namentlich folgende zu bemerken: Hanker, H., die Rechte und Frei- heiten des Handels der Völker, nach dem Völkerrecht und der Moral. Hambg., 1782. — Steck, Essais s. divers sujets relatifs au commerce et à la navigation. Berl., 1794. — Reimarus, J. R. H., Le commerce. Amst. et Par., 1808. — Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. V, S. 240 fg. (Allerdings auf die falſche Grundlage eines „Weltbürgerrechts“ geſtellt.) — Massé, Le droit commercial dans ses rapports avec le droit des gens. I—IV. Par., 1844.
2) Die grundſätzliche Abſchließung China’s und Japan’s gegen alle Fremde iſt ein Beweis von Barbarenthum und die in neueſten Zeiten ver- ſuchte und zum Theil gelungene Nöthigungen derſelben zu einem freieren Verkehre iſt nicht nur wegen ihrer wirthſchaftlichen Folgen ein Gewinn, ſon- dern kann vom Rechtsſtandpunkte aus vertheidigt werden. Allerdings haben die genannten aſiatiſchen Staaten das Recht, ihre inneren Einrichtungen nach ihrem Belieben und Bedürfniſſe zu treffen; aber ſie haben nicht das Recht, den von ihnen bewohnten Theil der Erde für die Verfolgung der Lebenszwecke anderer Völker ganz unzugänglich zu machen. Derſelbe Tadel trifft freilich die früheren europäiſchen Kolonialgeſetze, namentlich die ſpaniſchen.
3) Die in einigen halbbarbariſchen aſiatiſchen Staaten von fremden
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4) Aehnlich verhält es ſich mit der bloßen Durchreiſe
der Angehörigen fremder Staaten und mit der Durchfuhr
ihrer Waaren. Beides iſt grundſätzlich zu geſtatten; und
namentlich darf einem rückwärtsliegenden Staate der Bezug der
ihm nothwendigen Lebensmittel und der Rohſtoffe für ſeine Ge-
werbe nicht unterſagt werden. Nur haben ſich natürlich auch
blos durchreiſende Fremde während ihres Aufenthaltes im Lande
nicht nur den örtlichen Rechts- und Polizeigeſetzen zu unter-
werfen und ſind hinſichtlich ihrer innerhalb des Gebietes
begangenen Handlungen nach dieſſeitigen Geſetzen zu beurheilen;
ſondern ſie haben auch in Beziehung auf die Durchfuhr ihrer
Waaren und auf die Benützung der Verkehrswege und Mittel
die beſtehenden Anordnungen zu befolgen und etwa verlangte
billige Entſchädigung für den Gebrauch zu leiſten. Eine Gleich-
ſtellung mit den eigenen Unterthanen des Staates können ſie
rechtlich nicht verlangen.
¹⁾ Von den zahlreichen Schriften über das völkerrechtliche Verkehrsrecht
ſind namentlich folgende zu bemerken: Hanker, H., die Rechte und Frei-
heiten des Handels der Völker, nach dem Völkerrecht und der Moral. Hambg.,
1782. — Steck, Essais s. divers sujets relatifs au commerce et à
la navigation. Berl., 1794. — Reimarus, J. R. H., Le commerce.
Amst. et Par., 1808. — Zachariä, K. S., Vierzig Bücher, Bd. V,
S. 240 fg. (Allerdings auf die falſche Grundlage eines „Weltbürgerrechts“
geſtellt.) — Massé, Le droit commercial dans ses rapports avec le
droit des gens. I—IV. Par., 1844.
²⁾ Die grundſätzliche Abſchließung China’s und Japan’s gegen alle
Fremde iſt ein Beweis von Barbarenthum und die in neueſten Zeiten ver-
ſuchte und zum Theil gelungene Nöthigungen derſelben zu einem freieren
Verkehre iſt nicht nur wegen ihrer wirthſchaftlichen Folgen ein Gewinn, ſon-
dern kann vom Rechtsſtandpunkte aus vertheidigt werden. Allerdings haben
die genannten aſiatiſchen Staaten das Recht, ihre inneren Einrichtungen
nach ihrem Belieben und Bedürfniſſe zu treffen; aber ſie haben nicht das
Recht, den von ihnen bewohnten Theil der Erde für die Verfolgung der
Lebenszwecke anderer Völker ganz unzugänglich zu machen. Derſelbe Tadel
trifft freilich die früheren europäiſchen Kolonialgeſetze, namentlich die ſpaniſchen.
³⁾ Die in einigen halbbarbariſchen aſiatiſchen Staaten von fremden
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/442>, abgerufen am 26.06.2024.
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