es für Einzelne, eine erlaubte und nothwendige Folge einer solchen unfreundlichen Stellung. Daß dabei der sich abwendende Staat ebenfalls Nachtheile erleidet, liegt in der Natur der Sache, ist aber kein entscheidender Grund zur Unterlassung, wenn die Erlangung größerer Vortheile mit Wahrscheinlichkeit von der Ergreifung des Mittels erwartet werden kann.
Die Anordnung der in Frage stehenden Maßregel ist lediglich Sache des Staatsoberhauptes; und es bedarf dasselbe, auch in Staaten mit Volksvertretung, keiner Zustimmung zu einem solchen Schritte, da die Anknüpfung und Unterhaltung der Verbindungen mit dem Auslande ganz ihm anheimfällt, und die übrigen Factoren des Staatswillens, selbst in jenen Staaten, deren Verfassungen hier den Volksrechten die weitesten Ein- räumungen machen, erst da mitzuwirken anfangen, wo es sich von der Feststellung einer Verbindlichkeit für den Staat oder dessen Angehörige handelt, also zur Genehmigung von Verträgen oder zur Erlassung der durch Verabredung mit Fremden nothwendig gewordenen Gesetze.
1) Die Einführung dieses gewaltsamen Schutzmittels im positiven europäischen Völkerrechte ist als ein Zeichen weiter fortschreitender Ge- sittigung zu begrüßen, indem in Fällen, welche früher zu einer unmit- telbaren Eröffnung von Feindseligkeiten geführt hätten, jetzt doch noch ein letzter Zwischenversuch zur Wiederherstellung eines allen Theilen nützlichen Verhältnisses gemacht wird. Die Wissenschaft hat übrigens bis jetzt dem ganzen Verhältnisse ihre Aufmerksamkeit noch nicht zugewendet. Selbst in den Systemen des Völkerrechtes findet sich keine Erörterung über das Ab- brechen der diplomatischen Verhältnisse, als über einen bestimmten völker- rechtlichen Zustand.
§ 67. cc. Krieg.
Wenn alle friedlichen sowie die weniger eingreifenden gewaltsamen Mittel vergeblich angewendet worden sind, oder wenn der Staat unmittelbar mit Gewalt überzogen wird: so bleibt
es für Einzelne, eine erlaubte und nothwendige Folge einer ſolchen unfreundlichen Stellung. Daß dabei der ſich abwendende Staat ebenfalls Nachtheile erleidet, liegt in der Natur der Sache, iſt aber kein entſcheidender Grund zur Unterlaſſung, wenn die Erlangung größerer Vortheile mit Wahrſcheinlichkeit von der Ergreifung des Mittels erwartet werden kann.
Die Anordnung der in Frage ſtehenden Maßregel iſt lediglich Sache des Staatsoberhauptes; und es bedarf daſſelbe, auch in Staaten mit Volksvertretung, keiner Zuſtimmung zu einem ſolchen Schritte, da die Anknüpfung und Unterhaltung der Verbindungen mit dem Auslande ganz ihm anheimfällt, und die übrigen Factoren des Staatswillens, ſelbſt in jenen Staaten, deren Verfaſſungen hier den Volksrechten die weiteſten Ein- räumungen machen, erſt da mitzuwirken anfangen, wo es ſich von der Feſtſtellung einer Verbindlichkeit für den Staat oder deſſen Angehörige handelt, alſo zur Genehmigung von Verträgen oder zur Erlaſſung der durch Verabredung mit Fremden nothwendig gewordenen Geſetze.
1) Die Einführung dieſes gewaltſamen Schutzmittels im poſitiven europäiſchen Völkerrechte iſt als ein Zeichen weiter fortſchreitender Ge- ſittigung zu begrüßen, indem in Fällen, welche früher zu einer unmit- telbaren Eröffnung von Feindſeligkeiten geführt hätten, jetzt doch noch ein letzter Zwiſchenverſuch zur Wiederherſtellung eines allen Theilen nützlichen Verhältniſſes gemacht wird. Die Wiſſenſchaft hat übrigens bis jetzt dem ganzen Verhältniſſe ihre Aufmerkſamkeit noch nicht zugewendet. Selbſt in den Syſtemen des Völkerrechtes findet ſich keine Erörterung über das Ab- brechen der diplomatiſchen Verhältniſſe, als über einen beſtimmten völker- rechtlichen Zuſtand.
§ 67. cc. Krieg.
Wenn alle friedlichen ſowie die weniger eingreifenden gewaltſamen Mittel vergeblich angewendet worden ſind, oder wenn der Staat unmittelbar mit Gewalt überzogen wird: ſo bleibt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0467"n="453"/>
es für Einzelne, eine erlaubte und nothwendige Folge einer<lb/>ſolchen unfreundlichen Stellung. Daß dabei der ſich abwendende<lb/>
Staat ebenfalls Nachtheile erleidet, liegt in der Natur der<lb/>
Sache, iſt aber kein entſcheidender Grund zur Unterlaſſung,<lb/>
wenn die Erlangung größerer Vortheile mit Wahrſcheinlichkeit<lb/>
von der Ergreifung des Mittels erwartet werden kann.</p><lb/><p>Die Anordnung der in Frage ſtehenden Maßregel iſt<lb/>
lediglich Sache des Staatsoberhauptes; und es bedarf daſſelbe,<lb/>
auch in Staaten mit Volksvertretung, keiner Zuſtimmung zu<lb/>
einem ſolchen Schritte, da die Anknüpfung und Unterhaltung<lb/>
der Verbindungen mit dem Auslande ganz ihm anheimfällt, und<lb/>
die übrigen Factoren des Staatswillens, ſelbſt in jenen Staaten,<lb/>
deren Verfaſſungen hier den Volksrechten die weiteſten Ein-<lb/>
räumungen machen, erſt da mitzuwirken anfangen, wo es<lb/>ſich von der Feſtſtellung einer Verbindlichkeit für den Staat<lb/>
oder deſſen Angehörige handelt, alſo zur Genehmigung von<lb/>
Verträgen oder zur Erlaſſung der durch Verabredung mit<lb/>
Fremden nothwendig gewordenen Geſetze.</p><lb/><noteplace="end"n="1)">Die Einführung dieſes gewaltſamen Schutzmittels im poſitiven<lb/>
europäiſchen Völkerrechte iſt als ein Zeichen weiter fortſchreitender Ge-<lb/>ſittigung zu begrüßen, indem in Fällen, welche früher zu einer unmit-<lb/>
telbaren Eröffnung von Feindſeligkeiten geführt hätten, jetzt doch noch ein<lb/>
letzter Zwiſchenverſuch zur Wiederherſtellung eines allen Theilen nützlichen<lb/>
Verhältniſſes gemacht wird. Die Wiſſenſchaft hat übrigens bis jetzt dem<lb/>
ganzen Verhältniſſe ihre Aufmerkſamkeit noch nicht zugewendet. Selbſt in<lb/>
den Syſtemen des Völkerrechtes findet ſich keine Erörterung über das Ab-<lb/>
brechen der diplomatiſchen Verhältniſſe, als über einen beſtimmten völker-<lb/>
rechtlichen Zuſtand.</note></div><lb/><divn="8"><head>§ 67.<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#aq">cc.</hi> Krieg.</hi></head><lb/><p>Wenn alle friedlichen ſowie die weniger eingreifenden<lb/>
gewaltſamen Mittel vergeblich angewendet worden ſind, oder wenn<lb/>
der Staat unmittelbar mit Gewalt überzogen wird: ſo bleibt<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[453/0467]
es für Einzelne, eine erlaubte und nothwendige Folge einer
ſolchen unfreundlichen Stellung. Daß dabei der ſich abwendende
Staat ebenfalls Nachtheile erleidet, liegt in der Natur der
Sache, iſt aber kein entſcheidender Grund zur Unterlaſſung,
wenn die Erlangung größerer Vortheile mit Wahrſcheinlichkeit
von der Ergreifung des Mittels erwartet werden kann.
Die Anordnung der in Frage ſtehenden Maßregel iſt
lediglich Sache des Staatsoberhauptes; und es bedarf daſſelbe,
auch in Staaten mit Volksvertretung, keiner Zuſtimmung zu
einem ſolchen Schritte, da die Anknüpfung und Unterhaltung
der Verbindungen mit dem Auslande ganz ihm anheimfällt, und
die übrigen Factoren des Staatswillens, ſelbſt in jenen Staaten,
deren Verfaſſungen hier den Volksrechten die weiteſten Ein-
räumungen machen, erſt da mitzuwirken anfangen, wo es
ſich von der Feſtſtellung einer Verbindlichkeit für den Staat
oder deſſen Angehörige handelt, alſo zur Genehmigung von
Verträgen oder zur Erlaſſung der durch Verabredung mit
Fremden nothwendig gewordenen Geſetze.
¹⁾ Die Einführung dieſes gewaltſamen Schutzmittels im poſitiven
europäiſchen Völkerrechte iſt als ein Zeichen weiter fortſchreitender Ge-
ſittigung zu begrüßen, indem in Fällen, welche früher zu einer unmit-
telbaren Eröffnung von Feindſeligkeiten geführt hätten, jetzt doch noch ein
letzter Zwiſchenverſuch zur Wiederherſtellung eines allen Theilen nützlichen
Verhältniſſes gemacht wird. Die Wiſſenſchaft hat übrigens bis jetzt dem
ganzen Verhältniſſe ihre Aufmerkſamkeit noch nicht zugewendet. Selbſt in
den Syſtemen des Völkerrechtes findet ſich keine Erörterung über das Ab-
brechen der diplomatiſchen Verhältniſſe, als über einen beſtimmten völker-
rechtlichen Zuſtand.
§ 67.
cc. Krieg.
Wenn alle friedlichen ſowie die weniger eingreifenden
gewaltſamen Mittel vergeblich angewendet worden ſind, oder wenn
der Staat unmittelbar mit Gewalt überzogen wird: ſo bleibt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/467>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.