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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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4) Es ist vielleicht richtige Klugheitsrücksicht, wenn ein in feindliches
Gebiet eingedrungenes Heer seine Bedürfnisse nicht wegnimmt, sondern be-
zahlt; Rechtspflicht ist es nicht. Wenn ein Staat zur Vertheidigung
seines Daseins oder seiner Rechte zur Ergreifung der Waffen genöthigt
wurde, so kann er sich die Führung des Krieges auf Kosten des unge-
rechten Gegners nach Möglichkeit erleichtern. Falls die Ausschreibung von
Lieferungen im feindlichen Lande eine Ungleichheit der Last für die dortigen
Bürger veranlaßt, so ist es Sache ihrer Regierung, nach wiederhergestelltem
Frieden eine Ausgleichung auch dieses Theiles der Kriegskosten zu veran-
stalten, nicht aber Aufgabe des eingefallenen Heeres, sich nach den Steuer-
rollen des Feindes und nur im Verhältnisse des besetzten Landestheiles
zum ganzen Reiche zu ernähren.
5) Die Wegnahme des Eigenthumes feindlicher Bürger auf der See,
sowie die Beschlagnahme solchen Eigenthumes, welches sich bei Ausbruch der
Feindseligkeiten im diesseitigen Gebiete befindet, kann lediglich aus dem
Gesichtspunkte einer Ueberwälzung der Kriegskosten auf den Feind ver-
theidigt werden. Freilich gehörte zu einer vollständigen Rechtfertigung des
Verfahrens, daß ein Ersatz solcher Verluste durch den eigenen Staat des Be-
schädigten Sitte wäre. Da nun aber dem nicht so ist, so läßt sich auch die
Wegnahme nur soweit rechtfertigen, als überhaupt die Verwendung feind-
lichen Privateigenthums zu Kriegszwecken gerechtfertigt ist, d. h. also, wenn
es zur Ausführung militärischer Operationen erforderlich oder zur Ernährung
und Ausrüstung des Heeres unmittelbar dienlich ist. Ein entschiedener Schritt
zu höherer Gesittigung in völkerrechtlichen Dingen, weil eine Schonung Un-
schuldiger, würde es sein, wenn einst eine allseitige Verzichtleistung auf
diese Art von Selbsthülfe stattfände.
6) Eine unverzeihliche und zu gleicher Zeit, bei dem vielfachen Wechsel
des Kriegsglückes, unbegreifliche Roheit ist die nur allzu häufige schlechte
Behandlung von Kriegsgefangenen während der Verbringung an einen
Sicherheitsort. Der entwaffnete Feind darf natürlich von Wiederergreifen
der Waffen und von der Rückkehr zu seinem Heere mit Gewalt abgehalten
werden; allein eine menschliche und seine Gesundheit nicht gefährdende Be-
handlung ist folgewidrig, wenn ihm das Leben im Kampfe geschenkt wurde.
Der Vortheil des Grundsatzes kommt beiden streitenden Theilen gleich-
mäßig zu.

4) Es iſt vielleicht richtige Klugheitsrückſicht, wenn ein in feindliches
Gebiet eingedrungenes Heer ſeine Bedürfniſſe nicht wegnimmt, ſondern be-
zahlt; Rechtspflicht iſt es nicht. Wenn ein Staat zur Vertheidigung
ſeines Daſeins oder ſeiner Rechte zur Ergreifung der Waffen genöthigt
wurde, ſo kann er ſich die Führung des Krieges auf Koſten des unge-
rechten Gegners nach Möglichkeit erleichtern. Falls die Ausſchreibung von
Lieferungen im feindlichen Lande eine Ungleichheit der Laſt für die dortigen
Bürger veranlaßt, ſo iſt es Sache ihrer Regierung, nach wiederhergeſtelltem
Frieden eine Ausgleichung auch dieſes Theiles der Kriegskoſten zu veran-
ſtalten, nicht aber Aufgabe des eingefallenen Heeres, ſich nach den Steuer-
rollen des Feindes und nur im Verhältniſſe des beſetzten Landestheiles
zum ganzen Reiche zu ernähren.
5) Die Wegnahme des Eigenthumes feindlicher Bürger auf der See,
ſowie die Beſchlagnahme ſolchen Eigenthumes, welches ſich bei Ausbruch der
Feindſeligkeiten im dieſſeitigen Gebiete befindet, kann lediglich aus dem
Geſichtspunkte einer Ueberwälzung der Kriegskoſten auf den Feind ver-
theidigt werden. Freilich gehörte zu einer vollſtändigen Rechtfertigung des
Verfahrens, daß ein Erſatz ſolcher Verluſte durch den eigenen Staat des Be-
ſchädigten Sitte wäre. Da nun aber dem nicht ſo iſt, ſo läßt ſich auch die
Wegnahme nur ſoweit rechtfertigen, als überhaupt die Verwendung feind-
lichen Privateigenthums zu Kriegszwecken gerechtfertigt iſt, d. h. alſo, wenn
es zur Ausführung militäriſcher Operationen erforderlich oder zur Ernährung
und Ausrüſtung des Heeres unmittelbar dienlich iſt. Ein entſchiedener Schritt
zu höherer Geſittigung in völkerrechtlichen Dingen, weil eine Schonung Un-
ſchuldiger, würde es ſein, wenn einſt eine allſeitige Verzichtleiſtung auf
dieſe Art von Selbſthülfe ſtattfände.
6) Eine unverzeihliche und zu gleicher Zeit, bei dem vielfachen Wechſel
des Kriegsglückes, unbegreifliche Roheit iſt die nur allzu häufige ſchlechte
Behandlung von Kriegsgefangenen während der Verbringung an einen
Sicherheitsort. Der entwaffnete Feind darf natürlich von Wiederergreifen
der Waffen und von der Rückkehr zu ſeinem Heere mit Gewalt abgehalten
werden; allein eine menſchliche und ſeine Geſundheit nicht gefährdende Be-
handlung iſt folgewidrig, wenn ihm das Leben im Kampfe geſchenkt wurde.
Der Vortheil des Grundſatzes kommt beiden ſtreitenden Theilen gleich-
mäßig zu.

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[460/0474] ⁴⁾ Es iſt vielleicht richtige Klugheitsrückſicht, wenn ein in feindliches Gebiet eingedrungenes Heer ſeine Bedürfniſſe nicht wegnimmt, ſondern be- zahlt; Rechtspflicht iſt es nicht. Wenn ein Staat zur Vertheidigung ſeines Daſeins oder ſeiner Rechte zur Ergreifung der Waffen genöthigt wurde, ſo kann er ſich die Führung des Krieges auf Koſten des unge- rechten Gegners nach Möglichkeit erleichtern. Falls die Ausſchreibung von Lieferungen im feindlichen Lande eine Ungleichheit der Laſt für die dortigen Bürger veranlaßt, ſo iſt es Sache ihrer Regierung, nach wiederhergeſtelltem Frieden eine Ausgleichung auch dieſes Theiles der Kriegskoſten zu veran- ſtalten, nicht aber Aufgabe des eingefallenen Heeres, ſich nach den Steuer- rollen des Feindes und nur im Verhältniſſe des beſetzten Landestheiles zum ganzen Reiche zu ernähren. ⁵⁾ Die Wegnahme des Eigenthumes feindlicher Bürger auf der See, ſowie die Beſchlagnahme ſolchen Eigenthumes, welches ſich bei Ausbruch der Feindſeligkeiten im dieſſeitigen Gebiete befindet, kann lediglich aus dem Geſichtspunkte einer Ueberwälzung der Kriegskoſten auf den Feind ver- theidigt werden. Freilich gehörte zu einer vollſtändigen Rechtfertigung des Verfahrens, daß ein Erſatz ſolcher Verluſte durch den eigenen Staat des Be- ſchädigten Sitte wäre. Da nun aber dem nicht ſo iſt, ſo läßt ſich auch die Wegnahme nur ſoweit rechtfertigen, als überhaupt die Verwendung feind- lichen Privateigenthums zu Kriegszwecken gerechtfertigt iſt, d. h. alſo, wenn es zur Ausführung militäriſcher Operationen erforderlich oder zur Ernährung und Ausrüſtung des Heeres unmittelbar dienlich iſt. Ein entſchiedener Schritt zu höherer Geſittigung in völkerrechtlichen Dingen, weil eine Schonung Un- ſchuldiger, würde es ſein, wenn einſt eine allſeitige Verzichtleiſtung auf dieſe Art von Selbſthülfe ſtattfände. ⁶⁾ Eine unverzeihliche und zu gleicher Zeit, bei dem vielfachen Wechſel des Kriegsglückes, unbegreifliche Roheit iſt die nur allzu häufige ſchlechte Behandlung von Kriegsgefangenen während der Verbringung an einen Sicherheitsort. Der entwaffnete Feind darf natürlich von Wiederergreifen der Waffen und von der Rückkehr zu ſeinem Heere mit Gewalt abgehalten werden; allein eine menſchliche und ſeine Geſundheit nicht gefährdende Be- handlung iſt folgewidrig, wenn ihm das Leben im Kampfe geſchenkt wurde. Der Vortheil des Grundſatzes kommt beiden ſtreitenden Theilen gleich- mäßig zu.

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/474>, abgerufen am 24.11.2024.