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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Ritter's Verdienst, auf ihren natürlichen Grundlagen und in großartiger
Auffassung der Gestaltung und Gliederung der Erdoberfläche ausgebildet hat.
2) Der Gipfel aller Gedankenlosigkeit und Verkehrtheit in dieser Be-
ziehung ist die Abgränzung der neugegründeten Staaten in Nordamerika,
welche lediglich noch willkürlich auf der Karte gezogen, in der Regel in
rechten Winkeln sich schneidenden Linien bestimmt wird, ohne alle Berück-
sichtigung der natürlichen Bodenbildung, also des Laufes der Flüsse, der
Höhenzüge u. s. w. Hierdurch werden die nach allen Verkehrsverhältnissen
untrennbarsten Landstriche künstlich verschiedenen Staaten zugewiesen und
umgekehrt von der Natur getrennte Striche verbunden. Dieß hat schon
jetzt, bei einer gemeinsamen obersten Regierung und bei vollkommenster
Verkehrs- und Niederlassungsfreiheit im ganzen Gebiete der Union schweren
Nachtheil in Beziehung auf mancherlei Staatseinrichtungen, z. B. Besteu-
erung, Gerichtsbarkeit, Wegbau; allein vollkommen unhaltbar werden solche
Gränzen sein, wenn einmal die einzelnen Staaten schärfer von einander
getrennt sind, vielleicht die Union in mehrere Reiche zerfällt. In solchem
Falle wäre eine vollständige Umgestaltung eines großen Theiles der Staaten-
gränzen unerläßlich.
3) Das Kolonialwesen hat sowohl im Leben und Handeln der Staaten,
als in der Staatswissenschaft zu allen Zeiten eine große Rolle gespielt. Die
asiatischen Despotieen, Rom, England und Spanien haben dieselben, wenn
schon in verschiedener Form, zur Festhaltung von Eroberungen benützt; die
Phönizier und Carthager zur Ausbreitung und Sicherstellung des Handels,
und in noch weit großartigerem Maaße sind ihnen hierin die neueren See-
mächte gefolgt; den Griechen haben sie zur Beseitigung von Uebervölkerung
und zur Entfernung besiegter politischer Partheien gedient; selbst als Mittel
der Bestrafung und zur Sicherstellung gegen Verbrecher sind Kolonieen ange-
legt werden. Bald ist engster freundschaftlicher Verband das Mittel
gewesen zu Erreichung des Zweckes und zur Bewahrung des Einflusses;
bald wurde vollständige Beherrschung, Ausbeutung der natürlichen Erzeug-
nisse, Unterdrückung alles selbstständigen staatlichen und gewerblichen Lebens
als das richtige Mittel und Verhältniß angesehen; endlich ist in der neuesten
Zeit, vorzüglich in England, allmählige Erziehung zur Selbstständigkeit als
das nicht nur gerechteste, sondern auch auf die Dauer klügste Verfahren
erkannt. Und ebenso hat die Theorie, je nachdem sie bestimmte Zustände
und aus diesen hervorgegangene Erfahrungen vorzugsweise im Auge hatte,
bald die Gewinnung, bald die Entledigung von Kolonieen, bald möglichste
und selbstsüchtige Ausnützung, bald aber auch Kräftigung der eigenen In-
teressen der Nebenländer als das richtige Verfahren gepriesen. Wenn aber
hier viel Widerspruch und Unklarheit hervortrat, so lag die Ursache theils
in den verschiedenen Systemen der Volkswirthschaft, theils in dem Mangel
Ritter’s Verdienſt, auf ihren natürlichen Grundlagen und in großartiger
Auffaſſung der Geſtaltung und Gliederung der Erdoberfläche ausgebildet hat.
2) Der Gipfel aller Gedankenloſigkeit und Verkehrtheit in dieſer Be-
ziehung iſt die Abgränzung der neugegründeten Staaten in Nordamerika,
welche lediglich noch willkürlich auf der Karte gezogen, in der Regel in
rechten Winkeln ſich ſchneidenden Linien beſtimmt wird, ohne alle Berück-
ſichtigung der natürlichen Bodenbildung, alſo des Laufes der Flüſſe, der
Höhenzüge u. ſ. w. Hierdurch werden die nach allen Verkehrsverhältniſſen
untrennbarſten Landſtriche künſtlich verſchiedenen Staaten zugewieſen und
umgekehrt von der Natur getrennte Striche verbunden. Dieß hat ſchon
jetzt, bei einer gemeinſamen oberſten Regierung und bei vollkommenſter
Verkehrs- und Niederlaſſungsfreiheit im ganzen Gebiete der Union ſchweren
Nachtheil in Beziehung auf mancherlei Staatseinrichtungen, z. B. Beſteu-
erung, Gerichtsbarkeit, Wegbau; allein vollkommen unhaltbar werden ſolche
Gränzen ſein, wenn einmal die einzelnen Staaten ſchärfer von einander
getrennt ſind, vielleicht die Union in mehrere Reiche zerfällt. In ſolchem
Falle wäre eine vollſtändige Umgeſtaltung eines großen Theiles der Staaten-
gränzen unerläßlich.
3) Das Kolonialweſen hat ſowohl im Leben und Handeln der Staaten,
als in der Staatswiſſenſchaft zu allen Zeiten eine große Rolle geſpielt. Die
aſiatiſchen Despotieen, Rom, England und Spanien haben dieſelben, wenn
ſchon in verſchiedener Form, zur Feſthaltung von Eroberungen benützt; die
Phönizier und Carthager zur Ausbreitung und Sicherſtellung des Handels,
und in noch weit großartigerem Maaße ſind ihnen hierin die neueren See-
mächte gefolgt; den Griechen haben ſie zur Beſeitigung von Uebervölkerung
und zur Entfernung beſiegter politiſcher Partheien gedient; ſelbſt als Mittel
der Beſtrafung und zur Sicherſtellung gegen Verbrecher ſind Kolonieen ange-
legt werden. Bald iſt engſter freundſchaftlicher Verband das Mittel
geweſen zu Erreichung des Zweckes und zur Bewahrung des Einfluſſes;
bald wurde vollſtändige Beherrſchung, Ausbeutung der natürlichen Erzeug-
niſſe, Unterdrückung alles ſelbſtſtändigen ſtaatlichen und gewerblichen Lebens
als das richtige Mittel und Verhältniß angeſehen; endlich iſt in der neueſten
Zeit, vorzüglich in England, allmählige Erziehung zur Selbſtſtändigkeit als
das nicht nur gerechteſte, ſondern auch auf die Dauer klügſte Verfahren
erkannt. Und ebenſo hat die Theorie, je nachdem ſie beſtimmte Zuſtände
und aus dieſen hervorgegangene Erfahrungen vorzugsweiſe im Auge hatte,
bald die Gewinnung, bald die Entledigung von Kolonieen, bald möglichſte
und ſelbſtſüchtige Ausnützung, bald aber auch Kräftigung der eigenen In-
tereſſen der Nebenländer als das richtige Verfahren geprieſen. Wenn aber
hier viel Widerſpruch und Unklarheit hervortrat, ſo lag die Urſache theils
in den verſchiedenen Syſtemen der Volkswirthſchaft, theils in dem Mangel
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[570/0584] ¹⁾ Ritter’s Verdienſt, auf ihren natürlichen Grundlagen und in großartiger Auffaſſung der Geſtaltung und Gliederung der Erdoberfläche ausgebildet hat. ²⁾ Der Gipfel aller Gedankenloſigkeit und Verkehrtheit in dieſer Be- ziehung iſt die Abgränzung der neugegründeten Staaten in Nordamerika, welche lediglich noch willkürlich auf der Karte gezogen, in der Regel in rechten Winkeln ſich ſchneidenden Linien beſtimmt wird, ohne alle Berück- ſichtigung der natürlichen Bodenbildung, alſo des Laufes der Flüſſe, der Höhenzüge u. ſ. w. Hierdurch werden die nach allen Verkehrsverhältniſſen untrennbarſten Landſtriche künſtlich verſchiedenen Staaten zugewieſen und umgekehrt von der Natur getrennte Striche verbunden. Dieß hat ſchon jetzt, bei einer gemeinſamen oberſten Regierung und bei vollkommenſter Verkehrs- und Niederlaſſungsfreiheit im ganzen Gebiete der Union ſchweren Nachtheil in Beziehung auf mancherlei Staatseinrichtungen, z. B. Beſteu- erung, Gerichtsbarkeit, Wegbau; allein vollkommen unhaltbar werden ſolche Gränzen ſein, wenn einmal die einzelnen Staaten ſchärfer von einander getrennt ſind, vielleicht die Union in mehrere Reiche zerfällt. In ſolchem Falle wäre eine vollſtändige Umgeſtaltung eines großen Theiles der Staaten- gränzen unerläßlich. ³⁾ Das Kolonialweſen hat ſowohl im Leben und Handeln der Staaten, als in der Staatswiſſenſchaft zu allen Zeiten eine große Rolle geſpielt. Die aſiatiſchen Despotieen, Rom, England und Spanien haben dieſelben, wenn ſchon in verſchiedener Form, zur Feſthaltung von Eroberungen benützt; die Phönizier und Carthager zur Ausbreitung und Sicherſtellung des Handels, und in noch weit großartigerem Maaße ſind ihnen hierin die neueren See- mächte gefolgt; den Griechen haben ſie zur Beſeitigung von Uebervölkerung und zur Entfernung beſiegter politiſcher Partheien gedient; ſelbſt als Mittel der Beſtrafung und zur Sicherſtellung gegen Verbrecher ſind Kolonieen ange- legt werden. Bald iſt engſter freundſchaftlicher Verband das Mittel geweſen zu Erreichung des Zweckes und zur Bewahrung des Einfluſſes; bald wurde vollſtändige Beherrſchung, Ausbeutung der natürlichen Erzeug- niſſe, Unterdrückung alles ſelbſtſtändigen ſtaatlichen und gewerblichen Lebens als das richtige Mittel und Verhältniß angeſehen; endlich iſt in der neueſten Zeit, vorzüglich in England, allmählige Erziehung zur Selbſtſtändigkeit als das nicht nur gerechteſte, ſondern auch auf die Dauer klügſte Verfahren erkannt. Und ebenſo hat die Theorie, je nachdem ſie beſtimmte Zuſtände und aus dieſen hervorgegangene Erfahrungen vorzugsweiſe im Auge hatte, bald die Gewinnung, bald die Entledigung von Kolonieen, bald möglichſte und ſelbſtſüchtige Ausnützung, bald aber auch Kräftigung der eigenen In- tereſſen der Nebenländer als das richtige Verfahren geprieſen. Wenn aber hier viel Widerſpruch und Unklarheit hervortrat, ſo lag die Urſache theils in den verſchiedenen Syſtemen der Volkswirthſchaft, theils in dem Mangel

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/584>, abgerufen am 24.11.2024.