Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.einer scharfen Unterscheidung zwischen den Arten und den verschiedenen un- gleichen Zwecken der Pflanzstaaten. -- Ein großes Verdienst um die Ver- deutlichung und Bereinigung der Lehre hat sich Roscher erworben durch sein treffliches Werk: Kolonieen, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl., Lpz., 1856. Doch dürften deßhalb noch Ergänzungen an der Stelle sein, weil er die Kolonieen lediglich aus dem volkswirthschaftlichen Standpunkte betrachtet, während auch noch andere, rein politische, Rücksichten maßgebend sein können. Roscher faßt nämlich die Kolonieen aus einem vierfachen Ge- sichtspunkte auf: nämlich als: 1) Eroberungs-Kolonieen, in welchen Aus- beutung des Landes durch strenge Beherrschung desselben und seiner Be- wohner beabsichtigt sei; 2) Handels-Kolonieen, einerseits zum Einkaufe von dortigen Erzeugnissen und Handelsartikeln, anderer Seits zum Absatze und zur Vertreibung von Waaren bestimmt; 3) Ackerbau-Kolonieen, nach welchen Auswanderung geleitet und von welchen der Kauf von Gewerbeerzeugnissen des Mutterlandes erwartet werde; endlich 4) Plantagen-Kolonieen, zum Bau von tropischen Gewächsen, in der Regel mittelst Sclaven. Es fällt aber in die Augen, daß auch neben diesen wirthschaftlichen Zwecken und in mannchfacher bald Unterstützung bald Durchkreuzung derselben noch andere staatliche Absichten verfolgt werden können, woraus sich denn auch eine andere Eintheilung der Pflanzstaaten und Nebenländer ergäbe. So sind oben bereits Militär- und Strafkolonieen genannt worden; es hat schon religiöse Kolonieen gegeben; und es ist, namentlich in der neueren Zeit, bei der Anlegung neuer Nebenstaaten die Verbreitung der eigenen Nationalität in fremde Welttheile der nächste Zweck gewesen, dem sich dann freilich, wenigstens für den Anfang, auch Handels-, Auswanderungs- und Macht- Zwecke anschließen mögen. Durch diese Verschiedenheit und mannchfache Verquickung der Verhältnisse und Absichten wird der Gegenstand außer- ordentlich verwickelt, und in jedem Falle kann mit wenigen einzelnen Sätzen keine volle und überall anwendbare Wahrheit gegeben werden. -- Die Lite- ratur über das Kolonialwesen ist sehr zahlreich, da sie theils allgemeine Werke, theils aber auch nur die Geschichte oder die Beurtheilung einzelner Kolonialzustände, endlich vielfache Rathschläge, und zwar ebenfalls wieder von umfassender Art oder für einzelne Fälle und Länder, enthält. Nur Beispielsweise kann daher hier zunächst hingewiesen werden, einer Seits auf die allbekannten umfassenderen Werke von Heeren, (Ideen über die Politik u. s. w. der Alten;) Raynal, (Histoire philosophique des Etablissemens dans les deux Indes;) Malo de Tuque, (Hist. de los estableci- mientos ultra-marinos;) Brougham, (Colonial polity of the european powers), anderer Seits auf die klassischen Schilderungen einzelner Kolo- nieen, so also Ulloa's vom spanischen Südamerika; (Noticias segretas) Depons' von Terra firma; Humboldt's von Mexiko und von Cuba; einer ſcharfen Unterſcheidung zwiſchen den Arten und den verſchiedenen un- gleichen Zwecken der Pflanzſtaaten. — Ein großes Verdienſt um die Ver- deutlichung und Bereinigung der Lehre hat ſich Roſcher erworben durch ſein treffliches Werk: Kolonieen, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl., Lpz., 1856. Doch dürften deßhalb noch Ergänzungen an der Stelle ſein, weil er die Kolonieen lediglich aus dem volkswirthſchaftlichen Standpunkte betrachtet, während auch noch andere, rein politiſche, Rückſichten maßgebend ſein können. Roſcher faßt nämlich die Kolonieen aus einem vierfachen Ge- ſichtspunkte auf: nämlich als: 1) Eroberungs-Kolonieen, in welchen Aus- beutung des Landes durch ſtrenge Beherrſchung deſſelben und ſeiner Be- wohner beabſichtigt ſei; 2) Handels-Kolonieen, einerſeits zum Einkaufe von dortigen Erzeugniſſen und Handelsartikeln, anderer Seits zum Abſatze und zur Vertreibung von Waaren beſtimmt; 3) Ackerbau-Kolonieen, nach welchen Auswanderung geleitet und von welchen der Kauf von Gewerbeerzeugniſſen des Mutterlandes erwartet werde; endlich 4) Plantagen-Kolonieen, zum Bau von tropiſchen Gewächſen, in der Regel mittelſt Sclaven. Es fällt aber in die Augen, daß auch neben dieſen wirthſchaftlichen Zwecken und in mannchfacher bald Unterſtützung bald Durchkreuzung derſelben noch andere ſtaatliche Abſichten verfolgt werden können, woraus ſich denn auch eine andere Eintheilung der Pflanzſtaaten und Nebenländer ergäbe. So ſind oben bereits Militär- und Strafkolonieen genannt worden; es hat ſchon religiöſe Kolonieen gegeben; und es iſt, namentlich in der neueren Zeit, bei der Anlegung neuer Nebenſtaaten die Verbreitung der eigenen Nationalität in fremde Welttheile der nächſte Zweck geweſen, dem ſich dann freilich, wenigſtens für den Anfang, auch Handels-, Auswanderungs- und Macht- Zwecke anſchließen mögen. Durch dieſe Verſchiedenheit und mannchfache Verquickung der Verhältniſſe und Abſichten wird der Gegenſtand außer- ordentlich verwickelt, und in jedem Falle kann mit wenigen einzelnen Sätzen keine volle und überall anwendbare Wahrheit gegeben werden. — Die Lite- ratur über das Kolonialweſen iſt ſehr zahlreich, da ſie theils allgemeine Werke, theils aber auch nur die Geſchichte oder die Beurtheilung einzelner Kolonialzuſtände, endlich vielfache Rathſchläge, und zwar ebenfalls wieder von umfaſſender Art oder für einzelne Fälle und Länder, enthält. Nur Beiſpielsweiſe kann daher hier zunächſt hingewieſen werden, einer Seits auf die allbekannten umfaſſenderen Werke von Heeren, (Ideen über die Politik u. ſ. w. der Alten;) Raynal, (Histoire philosophique des Etablissemens dans les deux Indes;) Malo de Tuque, (Hist. de los estableci- mientos ultra-marinos;) Brougham, (Colonial polity of the european powers), anderer Seits auf die klaſſiſchen Schilderungen einzelner Kolo- nieen, ſo alſo Ulloa’s vom ſpaniſchen Südamerika; (Noticias segretas) Depons’ von Terra firma; Humboldt’s von Mexiko und von Cuba; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <note place="end" n="3)"><pb facs="#f0585" n="571"/> einer ſcharfen Unterſcheidung zwiſchen den Arten und den verſchiedenen un-<lb/> gleichen Zwecken der Pflanzſtaaten. — Ein großes Verdienſt um die Ver-<lb/> deutlichung und Bereinigung der Lehre hat ſich <hi rendition="#g">Roſcher</hi> erworben durch<lb/> ſein treffliches Werk: Kolonieen, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl.,<lb/> Lpz., 1856. Doch dürften deßhalb noch Ergänzungen an der Stelle ſein,<lb/> weil er die Kolonieen lediglich aus dem volkswirthſchaftlichen Standpunkte<lb/> betrachtet, während auch noch andere, rein politiſche, Rückſichten maßgebend<lb/> ſein können. Roſcher faßt nämlich die Kolonieen aus einem vierfachen Ge-<lb/> ſichtspunkte auf: nämlich als: 1) Eroberungs-Kolonieen, in welchen Aus-<lb/> beutung des Landes durch ſtrenge Beherrſchung deſſelben und ſeiner Be-<lb/> wohner beabſichtigt ſei; 2) Handels-Kolonieen, einerſeits zum Einkaufe von<lb/> dortigen Erzeugniſſen und Handelsartikeln, anderer Seits zum Abſatze und<lb/> zur Vertreibung von Waaren beſtimmt; 3) Ackerbau-Kolonieen, nach welchen<lb/> Auswanderung geleitet und von welchen der Kauf von Gewerbeerzeugniſſen<lb/> des Mutterlandes erwartet werde; endlich 4) Plantagen-Kolonieen, zum Bau<lb/> von tropiſchen Gewächſen, in der Regel mittelſt Sclaven. Es fällt aber<lb/> in die Augen, daß auch neben dieſen wirthſchaftlichen Zwecken und in<lb/> mannchfacher bald Unterſtützung bald Durchkreuzung derſelben noch andere<lb/> ſtaatliche Abſichten verfolgt werden können, woraus ſich denn auch eine<lb/> andere Eintheilung der Pflanzſtaaten und Nebenländer ergäbe. So ſind<lb/> oben bereits Militär- und Strafkolonieen genannt worden; es hat ſchon<lb/> religiöſe Kolonieen gegeben; und es iſt, namentlich in der neueren Zeit, bei<lb/> der Anlegung neuer Nebenſtaaten die Verbreitung der eigenen Nationalität<lb/> in fremde Welttheile der nächſte Zweck geweſen, dem ſich dann freilich,<lb/> wenigſtens für den Anfang, auch Handels-, Auswanderungs- und Macht-<lb/> Zwecke anſchließen mögen. Durch dieſe Verſchiedenheit und mannchfache<lb/> Verquickung der Verhältniſſe und Abſichten wird der Gegenſtand außer-<lb/> ordentlich verwickelt, und in jedem Falle kann mit wenigen einzelnen Sätzen<lb/> keine volle und überall anwendbare Wahrheit gegeben werden. — Die Lite-<lb/> ratur über das Kolonialweſen iſt ſehr zahlreich, da ſie theils allgemeine<lb/> Werke, theils aber auch nur die Geſchichte oder die Beurtheilung einzelner<lb/> Kolonialzuſtände, endlich vielfache Rathſchläge, und zwar ebenfalls wieder<lb/> von umfaſſender Art oder für einzelne Fälle und Länder, enthält. Nur<lb/> Beiſpielsweiſe kann daher hier zunächſt hingewieſen werden, einer Seits auf<lb/> die allbekannten umfaſſenderen Werke von <hi rendition="#g">Heeren</hi>, (Ideen über die Politik<lb/> u. ſ. w. der Alten;) <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Raynal</hi>, (Histoire philosophique des Etablissemens<lb/> dans les deux Indes;) <hi rendition="#g">Malo de Tuque</hi>, (Hist. de los estableci-<lb/> mientos ultra-marinos;) <hi rendition="#g">Brougham</hi>, (Colonial polity of the european<lb/> powers),</hi> anderer Seits auf die klaſſiſchen Schilderungen einzelner Kolo-<lb/> nieen, ſo alſo <hi rendition="#g">Ulloa</hi>’s vom ſpaniſchen Südamerika; (<hi rendition="#aq">Noticias segretas</hi>)<lb/><hi rendition="#g">Depons</hi>’ von Terra firma; <hi rendition="#g">Humboldt</hi>’s von Mexiko und von Cuba;<lb/></note> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [571/0585]
³⁾ einer ſcharfen Unterſcheidung zwiſchen den Arten und den verſchiedenen un-
gleichen Zwecken der Pflanzſtaaten. — Ein großes Verdienſt um die Ver-
deutlichung und Bereinigung der Lehre hat ſich Roſcher erworben durch
ſein treffliches Werk: Kolonieen, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl.,
Lpz., 1856. Doch dürften deßhalb noch Ergänzungen an der Stelle ſein,
weil er die Kolonieen lediglich aus dem volkswirthſchaftlichen Standpunkte
betrachtet, während auch noch andere, rein politiſche, Rückſichten maßgebend
ſein können. Roſcher faßt nämlich die Kolonieen aus einem vierfachen Ge-
ſichtspunkte auf: nämlich als: 1) Eroberungs-Kolonieen, in welchen Aus-
beutung des Landes durch ſtrenge Beherrſchung deſſelben und ſeiner Be-
wohner beabſichtigt ſei; 2) Handels-Kolonieen, einerſeits zum Einkaufe von
dortigen Erzeugniſſen und Handelsartikeln, anderer Seits zum Abſatze und
zur Vertreibung von Waaren beſtimmt; 3) Ackerbau-Kolonieen, nach welchen
Auswanderung geleitet und von welchen der Kauf von Gewerbeerzeugniſſen
des Mutterlandes erwartet werde; endlich 4) Plantagen-Kolonieen, zum Bau
von tropiſchen Gewächſen, in der Regel mittelſt Sclaven. Es fällt aber
in die Augen, daß auch neben dieſen wirthſchaftlichen Zwecken und in
mannchfacher bald Unterſtützung bald Durchkreuzung derſelben noch andere
ſtaatliche Abſichten verfolgt werden können, woraus ſich denn auch eine
andere Eintheilung der Pflanzſtaaten und Nebenländer ergäbe. So ſind
oben bereits Militär- und Strafkolonieen genannt worden; es hat ſchon
religiöſe Kolonieen gegeben; und es iſt, namentlich in der neueren Zeit, bei
der Anlegung neuer Nebenſtaaten die Verbreitung der eigenen Nationalität
in fremde Welttheile der nächſte Zweck geweſen, dem ſich dann freilich,
wenigſtens für den Anfang, auch Handels-, Auswanderungs- und Macht-
Zwecke anſchließen mögen. Durch dieſe Verſchiedenheit und mannchfache
Verquickung der Verhältniſſe und Abſichten wird der Gegenſtand außer-
ordentlich verwickelt, und in jedem Falle kann mit wenigen einzelnen Sätzen
keine volle und überall anwendbare Wahrheit gegeben werden. — Die Lite-
ratur über das Kolonialweſen iſt ſehr zahlreich, da ſie theils allgemeine
Werke, theils aber auch nur die Geſchichte oder die Beurtheilung einzelner
Kolonialzuſtände, endlich vielfache Rathſchläge, und zwar ebenfalls wieder
von umfaſſender Art oder für einzelne Fälle und Länder, enthält. Nur
Beiſpielsweiſe kann daher hier zunächſt hingewieſen werden, einer Seits auf
die allbekannten umfaſſenderen Werke von Heeren, (Ideen über die Politik
u. ſ. w. der Alten;) Raynal, (Histoire philosophique des Etablissemens
dans les deux Indes;) Malo de Tuque, (Hist. de los estableci-
mientos ultra-marinos;) Brougham, (Colonial polity of the european
powers), anderer Seits auf die klaſſiſchen Schilderungen einzelner Kolo-
nieen, ſo alſo Ulloa’s vom ſpaniſchen Südamerika; (Noticias segretas)
Depons’ von Terra firma; Humboldt’s von Mexiko und von Cuba;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |