Allgemeines Staatsrecht, Bd. I, S. 240 fg. Schon Tacitus sah die Schwierigkeit und jedenfalls den baldigen Untergang einer gemischten Ver- fassung klar ein. S. dessen Annalen, IV, 33.
§ 93. c. Richtige Ausstattung der Staatsgewalt.
Wenn die Staatsgewalt ihren Zweck, die Durchführung des Staatsgedankens in allen Beziehungen, in allen Fällen und selbst gegen den größten möglichen Widerstand, zu er- reichen im Stande sein soll, so bedarf sie einer entsprechenden Macht, der Einheit, endlich der allgemeinen Berech- tigung.
1. Die Macht der Staatsgewalt muß jedenfalls so groß sein, daß sie den in den concreten Verhältnissen möglicher Weise vorkommenden ungesetzlichen Störungen schnell und ent- schieden begegnen kann. Es ist wünschenswerth, daß Angriffs- gelüsten gar keine verständige Hoffnung auf Erfolg zur Seite stehe, indem alsdann das doch Unerreichbare nicht einmal ver- sucht wird, während bei der Möglichkeit eines Erfolges die Schwierigkeit der Sache die Vorbereitungen und die Entschlossen- heit der Feinde nur steigert. Zu genügender Macht gehört aber theils ausreichendes Recht 1), theils entsprechende physische Ge- walt 2). Um aber auch außergewöhnlichen Gefahren vollkommen gewachsen zu sein, ohne daß doch in gewöhnlichen Zeiten eine Vergendung von Machtmitteln stattfände, muß die gesetzliche Möglichkeit einer außerordentlichen Steigerung auch der Staats- gewalt bestehen. Von einer Ausgleichung fehlenden Rechtes durch überflüssige Macht, oder umgekehrt, kann nicht die Rede sein, weil dadurch entweder, wenn des Rechtes zu wenig ist, die Regierung zu ungesetzlichen Handlungen getrieben wird, also auf einen abschlüssigen Pfad kommt, oder aber, wenn die Macht fehlt, ein offenbarer Bankbruch der Gewalt erfolgt. Vielmehr
Allgemeines Staatsrecht, Bd. I, S. 240 fg. Schon Tacitus ſah die Schwierigkeit und jedenfalls den baldigen Untergang einer gemiſchten Ver- faſſung klar ein. S. deſſen Annalen, IV, 33.
§ 93. c. Richtige Ausſtattung der Staatsgewalt.
Wenn die Staatsgewalt ihren Zweck, die Durchführung des Staatsgedankens in allen Beziehungen, in allen Fällen und ſelbſt gegen den größten möglichen Widerſtand, zu er- reichen im Stande ſein ſoll, ſo bedarf ſie einer entſprechenden Macht, der Einheit, endlich der allgemeinen Berech- tigung.
1. Die Macht der Staatsgewalt muß jedenfalls ſo groß ſein, daß ſie den in den concreten Verhältniſſen möglicher Weiſe vorkommenden ungeſetzlichen Störungen ſchnell und ent- ſchieden begegnen kann. Es iſt wünſchenswerth, daß Angriffs- gelüſten gar keine verſtändige Hoffnung auf Erfolg zur Seite ſtehe, indem alsdann das doch Unerreichbare nicht einmal ver- ſucht wird, während bei der Möglichkeit eines Erfolges die Schwierigkeit der Sache die Vorbereitungen und die Entſchloſſen- heit der Feinde nur ſteigert. Zu genügender Macht gehört aber theils ausreichendes Recht 1), theils entſprechende phyſiſche Ge- walt 2). Um aber auch außergewöhnlichen Gefahren vollkommen gewachſen zu ſein, ohne daß doch in gewöhnlichen Zeiten eine Vergendung von Machtmitteln ſtattfände, muß die geſetzliche Möglichkeit einer außerordentlichen Steigerung auch der Staats- gewalt beſtehen. Von einer Ausgleichung fehlenden Rechtes durch überflüſſige Macht, oder umgekehrt, kann nicht die Rede ſein, weil dadurch entweder, wenn des Rechtes zu wenig iſt, die Regierung zu ungeſetzlichen Handlungen getrieben wird, alſo auf einen abſchlüſſigen Pfad kommt, oder aber, wenn die Macht fehlt, ein offenbarer Bankbruch der Gewalt erfolgt. Vielmehr
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⁶⁾ Allgemeines Staatsrecht, Bd. I, S. 240 fg. Schon Tacitus ſah die
Schwierigkeit und jedenfalls den baldigen Untergang einer gemiſchten Ver-
faſſung klar ein. S. deſſen Annalen, IV, 33.
§ 93.
c. Richtige Ausſtattung der Staatsgewalt.
Wenn die Staatsgewalt ihren Zweck, die Durchführung
des Staatsgedankens in allen Beziehungen, in allen Fällen
und ſelbſt gegen den größten möglichen Widerſtand, zu er-
reichen im Stande ſein ſoll, ſo bedarf ſie einer entſprechenden
Macht, der Einheit, endlich der allgemeinen Berech-
tigung.
1. Die Macht der Staatsgewalt muß jedenfalls ſo groß
ſein, daß ſie den in den concreten Verhältniſſen möglicher
Weiſe vorkommenden ungeſetzlichen Störungen ſchnell und ent-
ſchieden begegnen kann. Es iſt wünſchenswerth, daß Angriffs-
gelüſten gar keine verſtändige Hoffnung auf Erfolg zur Seite
ſtehe, indem alsdann das doch Unerreichbare nicht einmal ver-
ſucht wird, während bei der Möglichkeit eines Erfolges die
Schwierigkeit der Sache die Vorbereitungen und die Entſchloſſen-
heit der Feinde nur ſteigert. Zu genügender Macht gehört aber
theils ausreichendes Recht 1), theils entſprechende phyſiſche Ge-
walt 2). Um aber auch außergewöhnlichen Gefahren vollkommen
gewachſen zu ſein, ohne daß doch in gewöhnlichen Zeiten eine
Vergendung von Machtmitteln ſtattfände, muß die geſetzliche
Möglichkeit einer außerordentlichen Steigerung auch der Staats-
gewalt beſtehen. Von einer Ausgleichung fehlenden Rechtes
durch überflüſſige Macht, oder umgekehrt, kann nicht die Rede
ſein, weil dadurch entweder, wenn des Rechtes zu wenig iſt,
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/619>, abgerufen am 24.11.2024.
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