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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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rung nützlicher Verbesserungen in Gesetzgebung und Ver-
waltung.
c. Der Wirkung einer Theilung der Staatsgewalt gleich ist
die Ausrüstung von Statthaltern, Vicekönigen u. dgl.
mit vollständigen Regierungsrechten. Kömmt hierzu gar
noch Erblichkeit, so folgt leicht Verlust der ganzen Provinz
durch Usurpation. Eine entschuldigbare Ausnahme findet
nur dann statt, wenn eine sehr weit vom Stammlande
entfernte Besitzung in schwierigen inneren oder äußeren
Verhältnissen steht, welche einen schnellen Entschluß an
Ort und Stelle nothwendig machen. Auch hier ist aber
wenigstens durch passenden Wechsel und durch gemessene
Verantwortlichkeit des Stellvertreters dem Schlimmsten
wo möglich vorzubeugen 8).

3. Die volle Berechtigung der Staatsgewalt ist
unerläßlich zur Durchführung ihrer Aufgabe. Wenn Personen
oder Verhältnisse innerhalb der Grenzen des Staates ihrem
Bereiche entzogen sein könnten, so wäre für die Einreihung
derselben in den Staatsorganismus nicht gesorgt, auch wür-
den überdies anderweitige Störungen nicht wohl zu ver-
meiden sein. Beispiele einer solchen Entziehung sind: das
Bestehen von Asylen, welchen selbst der Staat flüchtige Ver-
brecher nicht zu entziehen berechtigt ist; die Verleihung von
Bevorrechtungen an Unterthanen von Seiten einer fremden
Gewalt, namentlich wenn letztere ein bleibendes Schutzrecht in
Anspruch nimmt 9); eine Uebertreibung der Zuständigkeit und
Unabhängigkeit der Gerichte, besonders durch den Mangel einer
Behörde für Zuständigkeitsstreitigkeiten, sowie durch den Mangel
einer Verwaltungsrechtspflege.

1) Als ein nachtheiliger Mangel an Recht der Staatsgewalt ist gar
manche Bestimmung solcher Verfassungsurkunden zu bezeichnen, welche unter
dem Drange ultra-demokratischer Forderungen entstanden sind. So z. B.
rung nützlicher Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Ver-
waltung.
c. Der Wirkung einer Theilung der Staatsgewalt gleich iſt
die Ausrüſtung von Statthaltern, Vicekönigen u. dgl.
mit vollſtändigen Regierungsrechten. Kömmt hierzu gar
noch Erblichkeit, ſo folgt leicht Verluſt der ganzen Provinz
durch Uſurpation. Eine entſchuldigbare Ausnahme findet
nur dann ſtatt, wenn eine ſehr weit vom Stammlande
entfernte Beſitzung in ſchwierigen inneren oder äußeren
Verhältniſſen ſteht, welche einen ſchnellen Entſchluß an
Ort und Stelle nothwendig machen. Auch hier iſt aber
wenigſtens durch paſſenden Wechſel und durch gemeſſene
Verantwortlichkeit des Stellvertreters dem Schlimmſten
wo möglich vorzubeugen 8).

3. Die volle Berechtigung der Staatsgewalt iſt
unerläßlich zur Durchführung ihrer Aufgabe. Wenn Perſonen
oder Verhältniſſe innerhalb der Grenzen des Staates ihrem
Bereiche entzogen ſein könnten, ſo wäre für die Einreihung
derſelben in den Staatsorganismus nicht geſorgt, auch wür-
den überdies anderweitige Störungen nicht wohl zu ver-
meiden ſein. Beiſpiele einer ſolchen Entziehung ſind: das
Beſtehen von Aſylen, welchen ſelbſt der Staat flüchtige Ver-
brecher nicht zu entziehen berechtigt iſt; die Verleihung von
Bevorrechtungen an Unterthanen von Seiten einer fremden
Gewalt, namentlich wenn letztere ein bleibendes Schutzrecht in
Anſpruch nimmt 9); eine Uebertreibung der Zuſtändigkeit und
Unabhängigkeit der Gerichte, beſonders durch den Mangel einer
Behörde für Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten, ſowie durch den Mangel
einer Verwaltungsrechtspflege.

1) Als ein nachtheiliger Mangel an Recht der Staatsgewalt iſt gar
manche Beſtimmung ſolcher Verfaſſungsurkunden zu bezeichnen, welche unter
dem Drange ultra-demokratiſcher Forderungen entſtanden ſind. So z. B.
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[610/0624] rung nützlicher Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Ver- waltung. c. Der Wirkung einer Theilung der Staatsgewalt gleich iſt die Ausrüſtung von Statthaltern, Vicekönigen u. dgl. mit vollſtändigen Regierungsrechten. Kömmt hierzu gar noch Erblichkeit, ſo folgt leicht Verluſt der ganzen Provinz durch Uſurpation. Eine entſchuldigbare Ausnahme findet nur dann ſtatt, wenn eine ſehr weit vom Stammlande entfernte Beſitzung in ſchwierigen inneren oder äußeren Verhältniſſen ſteht, welche einen ſchnellen Entſchluß an Ort und Stelle nothwendig machen. Auch hier iſt aber wenigſtens durch paſſenden Wechſel und durch gemeſſene Verantwortlichkeit des Stellvertreters dem Schlimmſten wo möglich vorzubeugen 8). 3. Die volle Berechtigung der Staatsgewalt iſt unerläßlich zur Durchführung ihrer Aufgabe. Wenn Perſonen oder Verhältniſſe innerhalb der Grenzen des Staates ihrem Bereiche entzogen ſein könnten, ſo wäre für die Einreihung derſelben in den Staatsorganismus nicht geſorgt, auch wür- den überdies anderweitige Störungen nicht wohl zu ver- meiden ſein. Beiſpiele einer ſolchen Entziehung ſind: das Beſtehen von Aſylen, welchen ſelbſt der Staat flüchtige Ver- brecher nicht zu entziehen berechtigt iſt; die Verleihung von Bevorrechtungen an Unterthanen von Seiten einer fremden Gewalt, namentlich wenn letztere ein bleibendes Schutzrecht in Anſpruch nimmt 9); eine Uebertreibung der Zuſtändigkeit und Unabhängigkeit der Gerichte, beſonders durch den Mangel einer Behörde für Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten, ſowie durch den Mangel einer Verwaltungsrechtspflege. ¹⁾ Als ein nachtheiliger Mangel an Recht der Staatsgewalt iſt gar manche Beſtimmung ſolcher Verfaſſungsurkunden zu bezeichnen, welche unter dem Drange ultra-demokratiſcher Forderungen entſtanden ſind. So z. B.

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/624>, abgerufen am 24.11.2024.