Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.Ungehorsams gegen die Staatsgewalt handelt. Der Irrthum, Gesetzesver- letzung und Rechtsverletzung als gleichbedeutend zu nehmen, äußert auch hier seine Folgen. 5) So einfach die Ordnung der Polizeimannschaft in kleineren Ge- meinden ist, so schwierig wird die Aufgabe in sehr großen Städten. Daß hier ohne einen sehr künstlichen Organismus und ohne das genaueste In- einandergreifen des Dienstes der Zweck völlig verfehlt würde, leuchtet eben so sicher ein, als daß nur eine militärische Ordnung das Wünschenswerthe leisten kann. Damit ist aber allerdings nicht gesagt, daß nicht etwaigen Sitten und selbst Vorurtheilen in Beziehung auf die blos äußere Er- scheinung der örtlichen Polizeimannschaft Rechnung zu tragen und die äußere Form des Militärischen möglichst zu beseitigen sei; nur darf natürlich der Zweck darunter nicht leiden. Musterhaft in dieser, wie in mancher andern, Beziehung ist die Einrichtung der englischen Polizei, wie sie Peel zuerst in London einführte und sie sich sodann allmälig fast über das ganze Land ausdehnte. 6) Als Muster für die Einrichtung einer Gensdarmerie ist im Ganzen immer noch die französische Ordnung zu betrachten. Von welchen uner- träglichen und unzähligen Uebeln eine solche bewegliche Schutzmannschaft befreit und wie sehr sie zur Kräftigung der Staatsgewalt beiträgt, beweist am besten ein Vergleich der jetzigen Zustände Deutschlands mit denen zu Ende des 18. Jahrhunderts, wie sie sich aus den zahlreichen Schriften über das Gauner- und Bettlerwesen ergeben, oder eine Schilderung des Un- fugs in England vor Einführung der jetzigen Polizeimannschaft. Ueber letzteres s. Report on the Police of the Metropolis, 1819; Report on the establishment of an efficient Constabulary Force in the counties of England and Wales, 1839. 7) Ueber die Zweckmäßigkeit und Einrichtung einer Bürgerwehr sind die Akten noch keineswegs geschlossen, und ist die rechte Mitte zwischen kindischem Spiele zur Verzierung von Festlichkeiten, unerträglicher Belästi- gung der wohlhabenderen Klassen und gefährlichem Janitscharenthum des Aufruhres noch nicht gefunden. Hier gilt denn also wohl zur Zeit noch die Regel: in dubiis abstine. 8) Welche Folgen für den Bestand eines Reiches eine zu weit gehende Theilung der öffentlichen Gewalt haben kann, mag die Auflösung des deutschen Reiches in allmälig fast unabhängig werdende Kurstaaten, Herzog- thümer, Markgrafschaften u. s. w. zeigen; oder die Lostrennung von Egypten, von Serbien, der Donaufürstenthümer; das Zerfallen des Reiches des Moguls in Ostindien. 9) Beispiele von Beeinträchtigung der Staatsgewalt durch Bevorrech- tungen einzelner Unterthanen von Seiten einer höheren äußeren Macht Ungehorſams gegen die Staatsgewalt handelt. Der Irrthum, Geſetzesver- letzung und Rechtsverletzung als gleichbedeutend zu nehmen, äußert auch hier ſeine Folgen. 5) So einfach die Ordnung der Polizeimannſchaft in kleineren Ge- meinden iſt, ſo ſchwierig wird die Aufgabe in ſehr großen Städten. Daß hier ohne einen ſehr künſtlichen Organismus und ohne das genaueſte In- einandergreifen des Dienſtes der Zweck völlig verfehlt würde, leuchtet eben ſo ſicher ein, als daß nur eine militäriſche Ordnung das Wünſchenswerthe leiſten kann. Damit iſt aber allerdings nicht geſagt, daß nicht etwaigen Sitten und ſelbſt Vorurtheilen in Beziehung auf die blos äußere Er- ſcheinung der örtlichen Polizeimannſchaft Rechnung zu tragen und die äußere Form des Militäriſchen möglichſt zu beſeitigen ſei; nur darf natürlich der Zweck darunter nicht leiden. Muſterhaft in dieſer, wie in mancher andern, Beziehung iſt die Einrichtung der engliſchen Polizei, wie ſie Peel zuerſt in London einführte und ſie ſich ſodann allmälig faſt über das ganze Land ausdehnte. 6) Als Muſter für die Einrichtung einer Gensdarmerie iſt im Ganzen immer noch die franzöſiſche Ordnung zu betrachten. Von welchen uner- träglichen und unzähligen Uebeln eine ſolche bewegliche Schutzmannſchaft befreit und wie ſehr ſie zur Kräftigung der Staatsgewalt beiträgt, beweiſt am beſten ein Vergleich der jetzigen Zuſtände Deutſchlands mit denen zu Ende des 18. Jahrhunderts, wie ſie ſich aus den zahlreichen Schriften über das Gauner- und Bettlerweſen ergeben, oder eine Schilderung des Un- fugs in England vor Einführung der jetzigen Polizeimannſchaft. Ueber letzteres ſ. Report on the Police of the Metropolis, 1819; Report on the establishment of an efficient Constabulary Force in the counties of England and Wales, 1839. 7) Ueber die Zweckmäßigkeit und Einrichtung einer Bürgerwehr ſind die Akten noch keineswegs geſchloſſen, und iſt die rechte Mitte zwiſchen kindiſchem Spiele zur Verzierung von Feſtlichkeiten, unerträglicher Beläſti- gung der wohlhabenderen Klaſſen und gefährlichem Janitſcharenthum des Aufruhres noch nicht gefunden. Hier gilt denn alſo wohl zur Zeit noch die Regel: in dubiis abstine. 8) Welche Folgen für den Beſtand eines Reiches eine zu weit gehende Theilung der öffentlichen Gewalt haben kann, mag die Auflöſung des deutſchen Reiches in allmälig faſt unabhängig werdende Kurſtaaten, Herzog- thümer, Markgrafſchaften u. ſ. w. zeigen; oder die Lostrennung von Egypten, von Serbien, der Donaufürſtenthümer; das Zerfallen des Reiches des Moguls in Oſtindien. 9) Beiſpiele von Beeinträchtigung der Staatsgewalt durch Bevorrech- tungen einzelner Unterthanen von Seiten einer höheren äußeren Macht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <note place="end" n="4)"><pb facs="#f0626" n="612"/> Ungehorſams gegen die Staatsgewalt handelt. 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⁴⁾ Ungehorſams gegen die Staatsgewalt handelt. Der Irrthum, Geſetzesver-
letzung und Rechtsverletzung als gleichbedeutend zu nehmen, äußert auch
hier ſeine Folgen.
⁵⁾ So einfach die Ordnung der Polizeimannſchaft in kleineren Ge-
meinden iſt, ſo ſchwierig wird die Aufgabe in ſehr großen Städten. Daß
hier ohne einen ſehr künſtlichen Organismus und ohne das genaueſte In-
einandergreifen des Dienſtes der Zweck völlig verfehlt würde, leuchtet eben
ſo ſicher ein, als daß nur eine militäriſche Ordnung das Wünſchenswerthe
leiſten kann. Damit iſt aber allerdings nicht geſagt, daß nicht etwaigen
Sitten und ſelbſt Vorurtheilen in Beziehung auf die blos äußere Er-
ſcheinung der örtlichen Polizeimannſchaft Rechnung zu tragen und die
äußere Form des Militäriſchen möglichſt zu beſeitigen ſei; nur darf natürlich
der Zweck darunter nicht leiden. Muſterhaft in dieſer, wie in mancher
andern, Beziehung iſt die Einrichtung der engliſchen Polizei, wie ſie Peel
zuerſt in London einführte und ſie ſich ſodann allmälig faſt über das ganze
Land ausdehnte.
⁶⁾ Als Muſter für die Einrichtung einer Gensdarmerie iſt im Ganzen
immer noch die franzöſiſche Ordnung zu betrachten. Von welchen uner-
träglichen und unzähligen Uebeln eine ſolche bewegliche Schutzmannſchaft
befreit und wie ſehr ſie zur Kräftigung der Staatsgewalt beiträgt, beweiſt
am beſten ein Vergleich der jetzigen Zuſtände Deutſchlands mit denen zu
Ende des 18. Jahrhunderts, wie ſie ſich aus den zahlreichen Schriften über
das Gauner- und Bettlerweſen ergeben, oder eine Schilderung des Un-
fugs in England vor Einführung der jetzigen Polizeimannſchaft. Ueber
letzteres ſ. Report on the Police of the Metropolis, 1819; Report on
the establishment of an efficient Constabulary Force in the counties
of England and Wales, 1839.
⁷⁾ Ueber die Zweckmäßigkeit und Einrichtung einer Bürgerwehr ſind
die Akten noch keineswegs geſchloſſen, und iſt die rechte Mitte zwiſchen
kindiſchem Spiele zur Verzierung von Feſtlichkeiten, unerträglicher Beläſti-
gung der wohlhabenderen Klaſſen und gefährlichem Janitſcharenthum des
Aufruhres noch nicht gefunden. Hier gilt denn alſo wohl zur Zeit noch
die Regel: in dubiis abstine.
⁸⁾ Welche Folgen für den Beſtand eines Reiches eine zu weit gehende
Theilung der öffentlichen Gewalt haben kann, mag die Auflöſung des
deutſchen Reiches in allmälig faſt unabhängig werdende Kurſtaaten, Herzog-
thümer, Markgrafſchaften u. ſ. w. zeigen; oder die Lostrennung von
Egypten, von Serbien, der Donaufürſtenthümer; das Zerfallen des Reiches
des Moguls in Oſtindien.
⁹⁾ Beiſpiele von Beeinträchtigung der Staatsgewalt durch Bevorrech-
tungen einzelner Unterthanen von Seiten einer höheren äußeren Macht
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