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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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seines Lebens im Staate unterworfen ist, aus wie vielen
verschiedenen Standpunkten also Forderungen an ihn gestellt,
Lehren gegeben werden können.

Es lassen sich nun aber dreierlei 4) Arten solcher Gesetze
unterscheiden.

Zunächst Rechtsgesetze. Vor Allem muß nämlich das
einheitliche Leben im Staate in eine äußere Ordnung gebracht
sein, welcher sich jeder Theilnehmer zu unterwerfen hat, und
welche im Nothfalle durch äußeren Zwang aufrecht erhalten
werden kann. In einem Chaos kann der Zweck des Zusam-
menlebens nicht erreicht werden, und auf ein freiwilliges, ver-
nünftiges Handeln ist nicht bei Allen und in allen Fällen zu
rechnen; vielmehr muß genau bestimmt sein, was die Gesammt-
heit dem Einzelnen zu leisten und wie sich dieser zu ihr und
zu ihren Einrichtungen und Organen zu verhalten hat, ferner,
daß und wie Derjenige, welcher durch Mißverständniß oder
üblen Willen stören würde, zum Gehorsam gegen das für Alle
Bestehende und Bestimmte gezwungen wird. Und zwar muß
diese Rechtsordnung sowohl im inneren Leben des einzelnen
Staates hergestellt sein, als im Verhältnisse zu coexistirenden
Staaten. In beiden Beziehungen können aber, wie sich von
selbst versteht, die Satzungen nicht willkürlich und von Unbe-
fugten aufgestellt werden, sondern sie müssen von einer zu ihrer
Aussprechung und Aufrechterhaltung befähigten Macht aus-
gehen. Diese kann denn nun aber entweder die Wahrheit des
Gedankens sein, welcher dem Zwecke des concreten Staates
entspricht, oder eine berechtigte äußere Auctorität.

Durch die Feststellung einer äußeren Nothwendigkeit ist
die unentbehrliche Grundlage des staatlichen Lebens gewonnen,
und es reicht dieselbe auch in der Hauptsache aus zu Erreichung
der Zwecke desselben. Allein der Mensch steht doch auch noch
unter einem höheren Gesetze, als dem der blos äußeren Ord-

v. Mohl, Encyclopädie. 4

ſeines Lebens im Staate unterworfen iſt, aus wie vielen
verſchiedenen Standpunkten alſo Forderungen an ihn geſtellt,
Lehren gegeben werden können.

Es laſſen ſich nun aber dreierlei 4) Arten ſolcher Geſetze
unterſcheiden.

Zunächſt Rechtsgeſetze. Vor Allem muß nämlich das
einheitliche Leben im Staate in eine äußere Ordnung gebracht
ſein, welcher ſich jeder Theilnehmer zu unterwerfen hat, und
welche im Nothfalle durch äußeren Zwang aufrecht erhalten
werden kann. In einem Chaos kann der Zweck des Zuſam-
menlebens nicht erreicht werden, und auf ein freiwilliges, ver-
nünftiges Handeln iſt nicht bei Allen und in allen Fällen zu
rechnen; vielmehr muß genau beſtimmt ſein, was die Geſammt-
heit dem Einzelnen zu leiſten und wie ſich dieſer zu ihr und
zu ihren Einrichtungen und Organen zu verhalten hat, ferner,
daß und wie Derjenige, welcher durch Mißverſtändniß oder
üblen Willen ſtören würde, zum Gehorſam gegen das für Alle
Beſtehende und Beſtimmte gezwungen wird. Und zwar muß
dieſe Rechtsordnung ſowohl im inneren Leben des einzelnen
Staates hergeſtellt ſein, als im Verhältniſſe zu coexiſtirenden
Staaten. In beiden Beziehungen können aber, wie ſich von
ſelbſt verſteht, die Satzungen nicht willkürlich und von Unbe-
fugten aufgeſtellt werden, ſondern ſie müſſen von einer zu ihrer
Ausſprechung und Aufrechterhaltung befähigten Macht aus-
gehen. Dieſe kann denn nun aber entweder die Wahrheit des
Gedankens ſein, welcher dem Zwecke des concreten Staates
entſpricht, oder eine berechtigte äußere Auctorität.

Durch die Feſtſtellung einer äußeren Nothwendigkeit iſt
die unentbehrliche Grundlage des ſtaatlichen Lebens gewonnen,
und es reicht dieſelbe auch in der Hauptſache aus zu Erreichung
der Zwecke deſſelben. Allein der Menſch ſteht doch auch noch
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v. Mohl, Encyclopädie. 4
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[49/0063] ſeines Lebens im Staate unterworfen iſt, aus wie vielen verſchiedenen Standpunkten alſo Forderungen an ihn geſtellt, Lehren gegeben werden können. Es laſſen ſich nun aber dreierlei 4) Arten ſolcher Geſetze unterſcheiden. Zunächſt Rechtsgeſetze. Vor Allem muß nämlich das einheitliche Leben im Staate in eine äußere Ordnung gebracht ſein, welcher ſich jeder Theilnehmer zu unterwerfen hat, und welche im Nothfalle durch äußeren Zwang aufrecht erhalten werden kann. In einem Chaos kann der Zweck des Zuſam- menlebens nicht erreicht werden, und auf ein freiwilliges, ver- nünftiges Handeln iſt nicht bei Allen und in allen Fällen zu rechnen; vielmehr muß genau beſtimmt ſein, was die Geſammt- heit dem Einzelnen zu leiſten und wie ſich dieſer zu ihr und zu ihren Einrichtungen und Organen zu verhalten hat, ferner, daß und wie Derjenige, welcher durch Mißverſtändniß oder üblen Willen ſtören würde, zum Gehorſam gegen das für Alle Beſtehende und Beſtimmte gezwungen wird. Und zwar muß dieſe Rechtsordnung ſowohl im inneren Leben des einzelnen Staates hergeſtellt ſein, als im Verhältniſſe zu coexiſtirenden Staaten. In beiden Beziehungen können aber, wie ſich von ſelbſt verſteht, die Satzungen nicht willkürlich und von Unbe- fugten aufgeſtellt werden, ſondern ſie müſſen von einer zu ihrer Ausſprechung und Aufrechterhaltung befähigten Macht aus- gehen. Dieſe kann denn nun aber entweder die Wahrheit des Gedankens ſein, welcher dem Zwecke des concreten Staates entſpricht, oder eine berechtigte äußere Auctorität. Durch die Feſtſtellung einer äußeren Nothwendigkeit iſt die unentbehrliche Grundlage des ſtaatlichen Lebens gewonnen, und es reicht dieſelbe auch in der Hauptſache aus zu Erreichung der Zwecke deſſelben. Allein der Menſch ſteht doch auch noch unter einem höheren Geſetze, als dem der blos äußeren Ord- v. Mohl, Encyclopädie. 4

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/63>, abgerufen am 23.11.2024.