Mehrere oder ein Einzelner im Besitze der Staatsgewalt sind. -- Im erstern Falle ist die Uebertragung an einen Untergeord- neten unvermeidlich, hierbei aber einer Seits für eine genügende Gewalt desselben über das Heer im Dienste zu sorgen, anderer Seits Vorkehrung zu treffen gegen möglichen ehrgeizigen Miß- brauch der anvertrauten Macht. Letzteres mag bewerkstelligt werden entweder durch häufigen Wechsel im Oberbefehle, was freilich seine sehr bedenklichen Seiten hat; oder durch Ernennung eines Fremden, welchem es an Anknüpfungspunkten und An- hang zu verrätherischen Unternehmungen fehlen würde; oder endlich, und zwar am zweckmäßigsten, durch strenge Ueber- wachung und Verantwortlichkeit des Ernannten. -- In Ein- herrschaftem dagegen ist das Staatsoberhaupt selbst der natürliche Anführer der bewaffneten Macht; bei persönlicher Unfähigkeit oder Abneigung mag er einen Untergeordneten bevollmächtigen. Selbst in einer Theokratie ist die Führung der Waffen dem Staats- und Religionshaupte nicht unbedingt unmöglich, viel- mehr hängt dies von dem Geiste der betreffenden Religion ab. -- Unter allen Umständen und in allen Staatsgattungen aber ist die Bestellung eines vom bürgerlichen Staatsoberhaupte verschiedenen und von ihm unabhängigen Oberfeldherrn wider- sinnig und verderblich.
1) Zweierlei darf bei der Auflage regelmäßiger Berichte nicht ver- gessen werden. Einmal, daß der Beamte in der Zeit, während er Berichte abfaßt, der eigentlichen Aufgabe seines Amtes, dem Handeln, entzogen ist. Zweitens, daß die Verpflichtung zu Berichterstattungen solchen Beamten, welche weder die Gewohnheit noch die Lust haben, ihr Leben am Schreib- tische hinzubringen, unerträglich werden und sie ganz von Uebernahme des Amtes abhalten kann. Dieß ist nun aber bei unentgeltlich oder fast unentgeltlich Dienenden ein großer Fehler. Gerade die besten Männer, welchen es um die Sache nicht aber um die Anfüllung der Registraturen zu thun ist, werden dadurch verhindert, dem öffentlichen Wohle das Opfer zu bringen, zu dem sie unter anderen Umständen bereit wären; und leicht ist man dann genöthigt, zu weniger Tauglichen seine Zukunft zu nehmen.
Mehrere oder ein Einzelner im Beſitze der Staatsgewalt ſind. — Im erſtern Falle iſt die Uebertragung an einen Untergeord- neten unvermeidlich, hierbei aber einer Seits für eine genügende Gewalt deſſelben über das Heer im Dienſte zu ſorgen, anderer Seits Vorkehrung zu treffen gegen möglichen ehrgeizigen Miß- brauch der anvertrauten Macht. Letzteres mag bewerkſtelligt werden entweder durch häufigen Wechſel im Oberbefehle, was freilich ſeine ſehr bedenklichen Seiten hat; oder durch Ernennung eines Fremden, welchem es an Anknüpfungspunkten und An- hang zu verrätheriſchen Unternehmungen fehlen würde; oder endlich, und zwar am zweckmäßigſten, durch ſtrenge Ueber- wachung und Verantwortlichkeit des Ernannten. — In Ein- herrſchaftem dagegen iſt das Staatsoberhaupt ſelbſt der natürliche Anführer der bewaffneten Macht; bei perſönlicher Unfähigkeit oder Abneigung mag er einen Untergeordneten bevollmächtigen. Selbſt in einer Theokratie iſt die Führung der Waffen dem Staats- und Religionshaupte nicht unbedingt unmöglich, viel- mehr hängt dies von dem Geiſte der betreffenden Religion ab. — Unter allen Umſtänden und in allen Staatsgattungen aber iſt die Beſtellung eines vom bürgerlichen Staatsoberhaupte verſchiedenen und von ihm unabhängigen Oberfeldherrn wider- ſinnig und verderblich.
1) Zweierlei darf bei der Auflage regelmäßiger Berichte nicht ver- geſſen werden. Einmal, daß der Beamte in der Zeit, während er Berichte abfaßt, der eigentlichen Aufgabe ſeines Amtes, dem Handeln, entzogen iſt. Zweitens, daß die Verpflichtung zu Berichterſtattungen ſolchen Beamten, welche weder die Gewohnheit noch die Luſt haben, ihr Leben am Schreib- tiſche hinzubringen, unerträglich werden und ſie ganz von Uebernahme des Amtes abhalten kann. Dieß iſt nun aber bei unentgeltlich oder faſt unentgeltlich Dienenden ein großer Fehler. Gerade die beſten Männer, welchen es um die Sache nicht aber um die Anfüllung der Regiſtraturen zu thun iſt, werden dadurch verhindert, dem öffentlichen Wohle das Opfer zu bringen, zu dem ſie unter anderen Umſtänden bereit wären; und leicht iſt man dann genöthigt, zu weniger Tauglichen ſeine Zukunft zu nehmen.
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Mehrere oder ein Einzelner im Beſitze der Staatsgewalt ſind.
— Im erſtern Falle iſt die Uebertragung an einen Untergeord-
neten unvermeidlich, hierbei aber einer Seits für eine genügende
Gewalt deſſelben über das Heer im Dienſte zu ſorgen, anderer
Seits Vorkehrung zu treffen gegen möglichen ehrgeizigen Miß-
brauch der anvertrauten Macht. Letzteres mag bewerkſtelligt
werden entweder durch häufigen Wechſel im Oberbefehle, was
freilich ſeine ſehr bedenklichen Seiten hat; oder durch Ernennung
eines Fremden, welchem es an Anknüpfungspunkten und An-
hang zu verrätheriſchen Unternehmungen fehlen würde; oder
endlich, und zwar am zweckmäßigſten, durch ſtrenge Ueber-
wachung und Verantwortlichkeit des Ernannten. — In Ein-
herrſchaftem dagegen iſt das Staatsoberhaupt ſelbſt der natürliche
Anführer der bewaffneten Macht; bei perſönlicher Unfähigkeit
oder Abneigung mag er einen Untergeordneten bevollmächtigen.
Selbſt in einer Theokratie iſt die Führung der Waffen dem
Staats- und Religionshaupte nicht unbedingt unmöglich, viel-
mehr hängt dies von dem Geiſte der betreffenden Religion ab.
— Unter allen Umſtänden und in allen Staatsgattungen aber
iſt die Beſtellung eines vom bürgerlichen Staatsoberhaupte
verſchiedenen und von ihm unabhängigen Oberfeldherrn wider-
ſinnig und verderblich.
¹⁾ Zweierlei darf bei der Auflage regelmäßiger Berichte nicht ver-
geſſen werden. Einmal, daß der Beamte in der Zeit, während er Berichte
abfaßt, der eigentlichen Aufgabe ſeines Amtes, dem Handeln, entzogen
iſt. Zweitens, daß die Verpflichtung zu Berichterſtattungen ſolchen Beamten,
welche weder die Gewohnheit noch die Luſt haben, ihr Leben am Schreib-
tiſche hinzubringen, unerträglich werden und ſie ganz von Uebernahme des
Amtes abhalten kann. Dieß iſt nun aber bei unentgeltlich oder faſt
unentgeltlich Dienenden ein großer Fehler. Gerade die beſten Männer,
welchen es um die Sache nicht aber um die Anfüllung der Regiſtraturen
zu thun iſt, werden dadurch verhindert, dem öffentlichen Wohle das Opfer
zu bringen, zu dem ſie unter anderen Umſtänden bereit wären; und leicht
iſt man dann genöthigt, zu weniger Tauglichen ſeine Zukunft zu nehmen.
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/647>, abgerufen am 24.11.2024.
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