also eigener, zum Schutze dieser Rechte gegenüber von der Regierung ausdrücklich berechneter Einrichtungen; dies aber in jeder Art von Staat, die Volksherrschaften am wenigsten aus- genommen.
Die zahlreichen Vorkehrungen, welche Geschichte und Staatskunde kennen lehren, lassen sich unter drei Gesichtspunkte bringen: sittliche und religiöse Einwirkungen auf den Willen des Staatsoberhauptes; Theilnahme an gewissen, besonders gefährlichen Regierungshandlungen von Seiten Solcher, welche bei der Vertheidigung der Bürgerrechte ein Interesse haben; Strafvorkehrungen gegen die Verletzenden oder ihre Gehülfen.
1. Sittlich-religiöse Einwirkungen lassen sich in doppelter Weise versuchen. Einmal, indem den betreffenden Gesetzen eine besondere Heiligkeit beigelegt wird, namentlich durch Zurückführung derselben auf göttliche Gebote und reli- giöse Dogmen. Zweitens durch Anordnung feierlicher Eides- leistungen des Staatsoberhauptes, sei es beim Regierungsantritte sei es bei andern Gelegenheiten. Das erste Mittel ist aller- dings nicht für alle Staatsgattungen gleich geeignet, namentlich paßt es für die trockene und selbstische Rechtsgrundlage des Patrimonialstaates und für die nüchterne Verstandesauffassung im Rechtsstaate wenig; doch ist eine vollständige Unanwend- barkeit, wenigstens bei einzelnen Gesetzen und Einrichtungen, auch hier nicht zu behaupten. Eine Eidesleistung dagegen ist überall anwendbar. -- Es wäre jedoch unklug, sich allzuviel auf das eine und auf das andere zu verlassen. Die Geschichte zeigt und die Kenntniß des Menschen erklärt, daß solche Ver- sprechen oder heilige Vorschriften keinen unbedingten Schutz gegen Mißbrauch der Regierungewalt gewähren. Leidenschaft, Leichtsinn, Rohheit und Selbsttäuschung gehen darüber weg. Es muß also nach Kräftigerem Umschau gehalten werden.
2. Die schützende Theilnahme der Unterthanen
alſo eigener, zum Schutze dieſer Rechte gegenüber von der Regierung ausdrücklich berechneter Einrichtungen; dies aber in jeder Art von Staat, die Volksherrſchaften am wenigſten aus- genommen.
Die zahlreichen Vorkehrungen, welche Geſchichte und Staatskunde kennen lehren, laſſen ſich unter drei Geſichtspunkte bringen: ſittliche und religiöſe Einwirkungen auf den Willen des Staatsoberhauptes; Theilnahme an gewiſſen, beſonders gefährlichen Regierungshandlungen von Seiten Solcher, welche bei der Vertheidigung der Bürgerrechte ein Intereſſe haben; Strafvorkehrungen gegen die Verletzenden oder ihre Gehülfen.
1. Sittlich-religiöſe Einwirkungen laſſen ſich in doppelter Weiſe verſuchen. Einmal, indem den betreffenden Geſetzen eine beſondere Heiligkeit beigelegt wird, namentlich durch Zurückführung derſelben auf göttliche Gebote und reli- giöſe Dogmen. Zweitens durch Anordnung feierlicher Eides- leiſtungen des Staatsoberhauptes, ſei es beim Regierungsantritte ſei es bei andern Gelegenheiten. Das erſte Mittel iſt aller- dings nicht für alle Staatsgattungen gleich geeignet, namentlich paßt es für die trockene und ſelbſtiſche Rechtsgrundlage des Patrimonialſtaates und für die nüchterne Verſtandesauffaſſung im Rechtsſtaate wenig; doch iſt eine vollſtändige Unanwend- barkeit, wenigſtens bei einzelnen Geſetzen und Einrichtungen, auch hier nicht zu behaupten. Eine Eidesleiſtung dagegen iſt überall anwendbar. — Es wäre jedoch unklug, ſich allzuviel auf das eine und auf das andere zu verlaſſen. Die Geſchichte zeigt und die Kenntniß des Menſchen erklärt, daß ſolche Ver- ſprechen oder heilige Vorſchriften keinen unbedingten Schutz gegen Mißbrauch der Regierungewalt gewähren. Leidenſchaft, Leichtſinn, Rohheit und Selbſttäuſchung gehen darüber weg. Es muß alſo nach Kräftigerem Umſchau gehalten werden.
2. Die ſchützende Theilnahme der Unterthanen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0650"n="636"/>
alſo eigener, zum Schutze dieſer Rechte gegenüber von der<lb/>
Regierung ausdrücklich berechneter Einrichtungen; dies aber in<lb/>
jeder Art von Staat, die Volksherrſchaften am wenigſten aus-<lb/>
genommen.</p><lb/><p>Die zahlreichen Vorkehrungen, welche Geſchichte und<lb/>
Staatskunde kennen lehren, laſſen ſich unter drei Geſichtspunkte<lb/>
bringen: ſittliche und religiöſe Einwirkungen auf den Willen<lb/>
des Staatsoberhauptes; Theilnahme an gewiſſen, beſonders<lb/>
gefährlichen Regierungshandlungen von Seiten Solcher, welche<lb/>
bei der Vertheidigung der Bürgerrechte ein Intereſſe haben;<lb/>
Strafvorkehrungen gegen die Verletzenden oder ihre Gehülfen.</p><lb/><p>1. <hirendition="#g">Sittlich-religiöſe Einwirkungen</hi> laſſen ſich<lb/>
in doppelter Weiſe verſuchen. Einmal, indem den betreffenden<lb/>
Geſetzen eine beſondere Heiligkeit beigelegt wird, namentlich<lb/>
durch Zurückführung derſelben auf göttliche Gebote und reli-<lb/>
giöſe Dogmen. Zweitens durch Anordnung feierlicher Eides-<lb/>
leiſtungen des Staatsoberhauptes, ſei es beim Regierungsantritte<lb/>ſei es bei andern Gelegenheiten. Das erſte Mittel iſt aller-<lb/>
dings nicht für alle Staatsgattungen gleich geeignet, namentlich<lb/>
paßt es für die trockene und ſelbſtiſche Rechtsgrundlage des<lb/>
Patrimonialſtaates und für die nüchterne Verſtandesauffaſſung<lb/>
im Rechtsſtaate wenig; doch iſt eine vollſtändige Unanwend-<lb/>
barkeit, wenigſtens bei einzelnen Geſetzen und Einrichtungen,<lb/>
auch hier nicht zu behaupten. Eine Eidesleiſtung dagegen iſt<lb/>
überall anwendbar. — Es wäre jedoch unklug, ſich allzuviel<lb/>
auf das eine und auf das andere zu verlaſſen. Die Geſchichte<lb/>
zeigt und die Kenntniß des Menſchen erklärt, daß ſolche Ver-<lb/>ſprechen oder heilige Vorſchriften keinen unbedingten Schutz<lb/>
gegen Mißbrauch der Regierungewalt gewähren. Leidenſchaft,<lb/>
Leichtſinn, Rohheit und Selbſttäuſchung gehen darüber weg.<lb/>
Es muß alſo nach Kräftigerem Umſchau gehalten werden.</p><lb/><p>2. Die ſchützende <hirendition="#g">Theilnahme der Unterthanen<lb/></hi></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[636/0650]
alſo eigener, zum Schutze dieſer Rechte gegenüber von der
Regierung ausdrücklich berechneter Einrichtungen; dies aber in
jeder Art von Staat, die Volksherrſchaften am wenigſten aus-
genommen.
Die zahlreichen Vorkehrungen, welche Geſchichte und
Staatskunde kennen lehren, laſſen ſich unter drei Geſichtspunkte
bringen: ſittliche und religiöſe Einwirkungen auf den Willen
des Staatsoberhauptes; Theilnahme an gewiſſen, beſonders
gefährlichen Regierungshandlungen von Seiten Solcher, welche
bei der Vertheidigung der Bürgerrechte ein Intereſſe haben;
Strafvorkehrungen gegen die Verletzenden oder ihre Gehülfen.
1. Sittlich-religiöſe Einwirkungen laſſen ſich
in doppelter Weiſe verſuchen. Einmal, indem den betreffenden
Geſetzen eine beſondere Heiligkeit beigelegt wird, namentlich
durch Zurückführung derſelben auf göttliche Gebote und reli-
giöſe Dogmen. Zweitens durch Anordnung feierlicher Eides-
leiſtungen des Staatsoberhauptes, ſei es beim Regierungsantritte
ſei es bei andern Gelegenheiten. Das erſte Mittel iſt aller-
dings nicht für alle Staatsgattungen gleich geeignet, namentlich
paßt es für die trockene und ſelbſtiſche Rechtsgrundlage des
Patrimonialſtaates und für die nüchterne Verſtandesauffaſſung
im Rechtsſtaate wenig; doch iſt eine vollſtändige Unanwend-
barkeit, wenigſtens bei einzelnen Geſetzen und Einrichtungen,
auch hier nicht zu behaupten. Eine Eidesleiſtung dagegen iſt
überall anwendbar. — Es wäre jedoch unklug, ſich allzuviel
auf das eine und auf das andere zu verlaſſen. Die Geſchichte
zeigt und die Kenntniß des Menſchen erklärt, daß ſolche Ver-
ſprechen oder heilige Vorſchriften keinen unbedingten Schutz
gegen Mißbrauch der Regierungewalt gewähren. Leidenſchaft,
Leichtſinn, Rohheit und Selbſttäuſchung gehen darüber weg.
Es muß alſo nach Kräftigerem Umſchau gehalten werden.
2. Die ſchützende Theilnahme der Unterthanen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/650>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.