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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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die beste Führung zu vereinigen vermag, ob derselbe Wort
hält, ob er ausdauert, ob nicht Zwistigkeiten über andere
Gegenstände entstehen, u. s. w. Wenn also ein Staat mächtig
genug ist, um sich mit seinen eigenen Kräften zu vertheidigen,
so wird er im Allgemeinen wohl daran thun, dies auf seine
Hand zu thun 1). Anders natürlich, wenn der Feind über-
mächtig oder wenigstens nicht entschieden schwächer ist. In
diesem Falle erfordert die Klugheit, daß man das kleinere Uebel
wählt und sich um Verbündete umsieht, um mit diesen die
Gefahr gemeinschaftlich abzuwehren.

Ein fremder Staat kann sich zu einem gemeinschaftlichen
Unternehmen aus doppeltem Grunde bereit finden. Entweder,
weil er von dem uns bedrohenden Feinde für sein eigenes
Dasein oder für seine Rechte ebenfalls zu fürchten hat, nament-
lich wenn unser Untergang den Angriff auf ihn erleichtern
würde. Zweitens aber, wenn wir im Stande sind, ihm für
seine Hülfeleistung so große Vortheile in Aussicht zu stellen,
daß sie die Nachtheile und Gefahren eines für ihn nicht noth-
wendigen Krieges überwiegen. Es bedarf keines Beweises,
daß Verbindungen der erstern Art theils sicherer sind, theils
weniger Opfer für ihre Zustandebringung und Erhaltung er-
fordern. -- Ehe jedoch auf ein Bündniß eingegangen und im
Vertrauen auf dasselbe ein gewagtes Unternehmen gemacht wird,
ist sowohl der Umfang und die Nachhaltigkeit der Macht des
zu einem Vertrage Geneigten zu untersuchen, als dessen Wil-
lensfestigkeit nach Möglichkeit zu erforschen. Auch verdient es
eine genaue Prüfung, ob nicht derselbe gegenüber von dem
gemeinschaftlichen Widersacher außer dem mit uns gemeinschaft-
lichen Verhältnisse auch noch ein besonderes Interesse habe,
durch dessen Gewährung der Gegner ihn befriedigen und, viel-
leicht zu sehr bedenklicher Zeit für uns, von dem Bündnisse
ablösen könnte. Im letzteren Falle muß auch dieser Wunsch

die beſte Führung zu vereinigen vermag, ob derſelbe Wort
hält, ob er ausdauert, ob nicht Zwiſtigkeiten über andere
Gegenſtände entſtehen, u. ſ. w. Wenn alſo ein Staat mächtig
genug iſt, um ſich mit ſeinen eigenen Kräften zu vertheidigen,
ſo wird er im Allgemeinen wohl daran thun, dies auf ſeine
Hand zu thun 1). Anders natürlich, wenn der Feind über-
mächtig oder wenigſtens nicht entſchieden ſchwächer iſt. In
dieſem Falle erfordert die Klugheit, daß man das kleinere Uebel
wählt und ſich um Verbündete umſieht, um mit dieſen die
Gefahr gemeinſchaftlich abzuwehren.

Ein fremder Staat kann ſich zu einem gemeinſchaftlichen
Unternehmen aus doppeltem Grunde bereit finden. Entweder,
weil er von dem uns bedrohenden Feinde für ſein eigenes
Daſein oder für ſeine Rechte ebenfalls zu fürchten hat, nament-
lich wenn unſer Untergang den Angriff auf ihn erleichtern
würde. Zweitens aber, wenn wir im Stande ſind, ihm für
ſeine Hülfeleiſtung ſo große Vortheile in Ausſicht zu ſtellen,
daß ſie die Nachtheile und Gefahren eines für ihn nicht noth-
wendigen Krieges überwiegen. Es bedarf keines Beweiſes,
daß Verbindungen der erſtern Art theils ſicherer ſind, theils
weniger Opfer für ihre Zuſtandebringung und Erhaltung er-
fordern. — Ehe jedoch auf ein Bündniß eingegangen und im
Vertrauen auf daſſelbe ein gewagtes Unternehmen gemacht wird,
iſt ſowohl der Umfang und die Nachhaltigkeit der Macht des
zu einem Vertrage Geneigten zu unterſuchen, als deſſen Wil-
lensfeſtigkeit nach Möglichkeit zu erforſchen. Auch verdient es
eine genaue Prüfung, ob nicht derſelbe gegenüber von dem
gemeinſchaftlichen Widerſacher außer dem mit uns gemeinſchaft-
lichen Verhältniſſe auch noch ein beſonderes Intereſſe habe,
durch deſſen Gewährung der Gegner ihn befriedigen und, viel-
leicht zu ſehr bedenklicher Zeit für uns, von dem Bündniſſe
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[694/0708] die beſte Führung zu vereinigen vermag, ob derſelbe Wort hält, ob er ausdauert, ob nicht Zwiſtigkeiten über andere Gegenſtände entſtehen, u. ſ. w. Wenn alſo ein Staat mächtig genug iſt, um ſich mit ſeinen eigenen Kräften zu vertheidigen, ſo wird er im Allgemeinen wohl daran thun, dies auf ſeine Hand zu thun 1). Anders natürlich, wenn der Feind über- mächtig oder wenigſtens nicht entſchieden ſchwächer iſt. In dieſem Falle erfordert die Klugheit, daß man das kleinere Uebel wählt und ſich um Verbündete umſieht, um mit dieſen die Gefahr gemeinſchaftlich abzuwehren. Ein fremder Staat kann ſich zu einem gemeinſchaftlichen Unternehmen aus doppeltem Grunde bereit finden. Entweder, weil er von dem uns bedrohenden Feinde für ſein eigenes Daſein oder für ſeine Rechte ebenfalls zu fürchten hat, nament- lich wenn unſer Untergang den Angriff auf ihn erleichtern würde. Zweitens aber, wenn wir im Stande ſind, ihm für ſeine Hülfeleiſtung ſo große Vortheile in Ausſicht zu ſtellen, daß ſie die Nachtheile und Gefahren eines für ihn nicht noth- wendigen Krieges überwiegen. Es bedarf keines Beweiſes, daß Verbindungen der erſtern Art theils ſicherer ſind, theils weniger Opfer für ihre Zuſtandebringung und Erhaltung er- fordern. — Ehe jedoch auf ein Bündniß eingegangen und im Vertrauen auf daſſelbe ein gewagtes Unternehmen gemacht wird, iſt ſowohl der Umfang und die Nachhaltigkeit der Macht des zu einem Vertrage Geneigten zu unterſuchen, als deſſen Wil- lensfeſtigkeit nach Möglichkeit zu erforſchen. Auch verdient es eine genaue Prüfung, ob nicht derſelbe gegenüber von dem gemeinſchaftlichen Widerſacher außer dem mit uns gemeinſchaft- lichen Verhältniſſe auch noch ein beſonderes Intereſſe habe, durch deſſen Gewährung der Gegner ihn befriedigen und, viel- leicht zu ſehr bedenklicher Zeit für uns, von dem Bündniſſe ablöſen könnte. Im letzteren Falle muß auch dieſer Wunſch

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/708>, abgerufen am 24.11.2024.