welche sich zu einem vortheilhaften Vertrage zu eignen scheinen, anderer Seits nach seiner persönlichen örtlichen Kenntniß den richtigen Zeitpunkt für die Verhandlung und die voraussichtlich zum Ziele führenden Mittel zu bezeichnen 1). Zu einer solchen Kenntniß in juristischen, polizeilichen und finanziellen Angele- genheiten bedarf es nun aber freilich anderer Vorbereitungen und anderer Interessen und Gewohnheiten, als blos höfische und aristokratische Gesandte haben können; und es ist daher auch auf regelmäßige und große Erfolge hier nicht zu rechnen, so lange nicht die ganze Bildung und Laufbahn dieser Gattung von Staatsbeamten der vollständigen Erfüllung ihrer Aufgaben besser angepaßt ist, als dies jetzt der Fall ist. Die Schwierig- keiten einer durchgreifenden Verbesserung sind allerdings groß, weil sich die Verwechslung der Person der Staatsoberhäupter und ihrer persönlichen Interessen und Liebhabereien mit den Aufgaben des Staates und dem Ernste derselben nirgends in dem Grade erhalten hat, als gerade in der auswärtigen Poli- tik; und so denn auch beim Gesandtenwesen. Doch bedarf es nur einer großartigeren Auffassung der Aufgabe und eines ehrlichen festen Willens, um auch in diesem Zweige des öffent- lichen Dienstes eine Verbesserung einzuführen, wie sie ander- wärts schon längst besteht 2).
2. Von den materiellen Mitteln zur Erwerbung eines internationalen Vortheiles steht die Einräumung eines Ersatzes in erster Linie. Wenn das Angebotene einen reinen Gewinn zu gewähren scheint, so wird ein Austausch keine großen Schwierigkeiten haben. Natürlich kann und soll nicht weiter geboten werden, als der zu erwerbende Vortheil an sich werth ist; allein sehr häufig trifft es sich, daß die Abtretung eines Werthes ein kleineres Opfer für den bisherigen Besitzer ist, als der durch die Erwerbung zu erlangende Vortheil sich für den andern Theil gestaltet oder wenigstens erscheint. Na-
welche ſich zu einem vortheilhaften Vertrage zu eignen ſcheinen, anderer Seits nach ſeiner perſönlichen örtlichen Kenntniß den richtigen Zeitpunkt für die Verhandlung und die vorausſichtlich zum Ziele führenden Mittel zu bezeichnen 1). Zu einer ſolchen Kenntniß in juriſtiſchen, polizeilichen und finanziellen Angele- genheiten bedarf es nun aber freilich anderer Vorbereitungen und anderer Intereſſen und Gewohnheiten, als blos höfiſche und ariſtokratiſche Geſandte haben können; und es iſt daher auch auf regelmäßige und große Erfolge hier nicht zu rechnen, ſo lange nicht die ganze Bildung und Laufbahn dieſer Gattung von Staatsbeamten der vollſtändigen Erfüllung ihrer Aufgaben beſſer angepaßt iſt, als dies jetzt der Fall iſt. Die Schwierig- keiten einer durchgreifenden Verbeſſerung ſind allerdings groß, weil ſich die Verwechslung der Perſon der Staatsoberhäupter und ihrer perſönlichen Intereſſen und Liebhabereien mit den Aufgaben des Staates und dem Ernſte derſelben nirgends in dem Grade erhalten hat, als gerade in der auswärtigen Poli- tik; und ſo denn auch beim Geſandtenweſen. Doch bedarf es nur einer großartigeren Auffaſſung der Aufgabe und eines ehrlichen feſten Willens, um auch in dieſem Zweige des öffent- lichen Dienſtes eine Verbeſſerung einzuführen, wie ſie ander- wärts ſchon längſt beſteht 2).
2. Von den materiellen Mitteln zur Erwerbung eines internationalen Vortheiles ſteht die Einräumung eines Erſatzes in erſter Linie. Wenn das Angebotene einen reinen Gewinn zu gewähren ſcheint, ſo wird ein Austauſch keine großen Schwierigkeiten haben. Natürlich kann und ſoll nicht weiter geboten werden, als der zu erwerbende Vortheil an ſich werth iſt; allein ſehr häufig trifft es ſich, daß die Abtretung eines Werthes ein kleineres Opfer für den bisherigen Beſitzer iſt, als der durch die Erwerbung zu erlangende Vortheil ſich für den andern Theil geſtaltet oder wenigſtens erſcheint. Na-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0720"n="706"/>
welche ſich zu einem vortheilhaften Vertrage zu eignen ſcheinen,<lb/>
anderer Seits nach ſeiner perſönlichen örtlichen Kenntniß den<lb/>
richtigen Zeitpunkt für die Verhandlung und die vorausſichtlich<lb/>
zum Ziele führenden Mittel zu bezeichnen <hirendition="#sup">1</hi>). Zu einer ſolchen<lb/>
Kenntniß in juriſtiſchen, polizeilichen und finanziellen Angele-<lb/>
genheiten bedarf es nun aber freilich anderer Vorbereitungen<lb/>
und anderer Intereſſen und Gewohnheiten, als blos höfiſche<lb/>
und ariſtokratiſche Geſandte haben können; und es iſt daher<lb/>
auch auf regelmäßige und große Erfolge hier nicht zu rechnen,<lb/>ſo lange nicht die ganze Bildung und Laufbahn dieſer Gattung<lb/>
von Staatsbeamten der vollſtändigen Erfüllung ihrer Aufgaben<lb/>
beſſer angepaßt iſt, als dies jetzt der Fall iſt. Die Schwierig-<lb/>
keiten einer durchgreifenden Verbeſſerung ſind allerdings groß,<lb/>
weil ſich die Verwechslung der Perſon der Staatsoberhäupter<lb/>
und ihrer perſönlichen Intereſſen und Liebhabereien mit den<lb/>
Aufgaben des Staates und dem Ernſte derſelben nirgends in<lb/>
dem Grade erhalten hat, als gerade in der auswärtigen Poli-<lb/>
tik; und ſo denn auch beim Geſandtenweſen. Doch bedarf es<lb/>
nur einer großartigeren Auffaſſung der Aufgabe und eines<lb/>
ehrlichen feſten Willens, um auch in dieſem Zweige des öffent-<lb/>
lichen Dienſtes eine Verbeſſerung einzuführen, wie ſie ander-<lb/>
wärts ſchon längſt beſteht <hirendition="#sup">2</hi>).</p><lb/><p>2. Von den materiellen Mitteln zur Erwerbung eines<lb/>
internationalen Vortheiles ſteht die <hirendition="#g">Einräumung eines<lb/>
Erſatzes</hi> in erſter Linie. Wenn das Angebotene einen reinen<lb/>
Gewinn zu gewähren ſcheint, ſo wird ein Austauſch keine<lb/>
großen Schwierigkeiten haben. Natürlich kann und ſoll nicht<lb/>
weiter geboten werden, als der zu erwerbende Vortheil an ſich<lb/>
werth iſt; allein ſehr häufig trifft es ſich, daß die Abtretung<lb/>
eines Werthes ein kleineres Opfer für den bisherigen Beſitzer<lb/>
iſt, als der durch die Erwerbung zu erlangende Vortheil ſich<lb/>
für den andern Theil geſtaltet oder wenigſtens erſcheint. Na-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[706/0720]
welche ſich zu einem vortheilhaften Vertrage zu eignen ſcheinen,
anderer Seits nach ſeiner perſönlichen örtlichen Kenntniß den
richtigen Zeitpunkt für die Verhandlung und die vorausſichtlich
zum Ziele führenden Mittel zu bezeichnen 1). Zu einer ſolchen
Kenntniß in juriſtiſchen, polizeilichen und finanziellen Angele-
genheiten bedarf es nun aber freilich anderer Vorbereitungen
und anderer Intereſſen und Gewohnheiten, als blos höfiſche
und ariſtokratiſche Geſandte haben können; und es iſt daher
auch auf regelmäßige und große Erfolge hier nicht zu rechnen,
ſo lange nicht die ganze Bildung und Laufbahn dieſer Gattung
von Staatsbeamten der vollſtändigen Erfüllung ihrer Aufgaben
beſſer angepaßt iſt, als dies jetzt der Fall iſt. Die Schwierig-
keiten einer durchgreifenden Verbeſſerung ſind allerdings groß,
weil ſich die Verwechslung der Perſon der Staatsoberhäupter
und ihrer perſönlichen Intereſſen und Liebhabereien mit den
Aufgaben des Staates und dem Ernſte derſelben nirgends in
dem Grade erhalten hat, als gerade in der auswärtigen Poli-
tik; und ſo denn auch beim Geſandtenweſen. Doch bedarf es
nur einer großartigeren Auffaſſung der Aufgabe und eines
ehrlichen feſten Willens, um auch in dieſem Zweige des öffent-
lichen Dienſtes eine Verbeſſerung einzuführen, wie ſie ander-
wärts ſchon längſt beſteht 2).
2. Von den materiellen Mitteln zur Erwerbung eines
internationalen Vortheiles ſteht die Einräumung eines
Erſatzes in erſter Linie. Wenn das Angebotene einen reinen
Gewinn zu gewähren ſcheint, ſo wird ein Austauſch keine
großen Schwierigkeiten haben. Natürlich kann und ſoll nicht
weiter geboten werden, als der zu erwerbende Vortheil an ſich
werth iſt; allein ſehr häufig trifft es ſich, daß die Abtretung
eines Werthes ein kleineres Opfer für den bisherigen Beſitzer
iſt, als der durch die Erwerbung zu erlangende Vortheil ſich
für den andern Theil geſtaltet oder wenigſtens erſcheint. Na-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/720>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.