2) An einer vollständigen Uebersicht über die statistischen Vereine fehlt es. Einen belehrenden Beitrag hiezu gibt jedoch ebenfalls wieder Fallati, Die statistischen Vereine der Engländer. Tüb., 1840.
§ 112. 3. Geschichte und Literatur der Statistik.
Die Statistik ist die jüngste der Staatswissenschaften, in- dem sie ein bewußtes Dasein und eine bestimmte Benennung erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts hat. Ihren, trotz seiner etymologischen Fehlerhaftigkeit, schnell in alle europäische Sprachen aufgenommenen Namen hat sie nämlich erst von Achen- wall in Göttingen erhalten.
Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, als seien nicht schon in sehr frühen Zeiten einzelne amtliche statistische Arbeiten vorgenommen worden. So ist z. B. Nachricht von Berichten über die Zustände des persischen Reiches unter den Achämeniden vorhanden; die Chinesen haben schon im Schu-king vielfache statistische Nachrichten; in Egypten scheint ein Kataster vorhanden gewesen zu sein. Kaiser Augustus ließ das römische Weltreich vermessen, die Bevölkerung zählen und vielfache sonstige Nach- richten zusammentragen; die spätere notitia dignitatum ist auf uns gekommen. Im Mittelalter sind frühe Verzeichnisse der Lehen und Reichnisse, Grundbücher und Urbarien entstanden; das Domesday book Wilhelm's des Eroberers ist noch heute von praktischem Werthe. Die Berichterstattungen der venetia- nischen Gesandten enthalten einen Schatz von Nachrichten über die Zustände vieler europäischer Länder während mehrer Jahr- hunderte.
Ebenso hat es nicht an schriftstellerischen Arbeiten Einzelner gefehlt, welche mit mehr oder weniger Recht als statistische be- zeichnet werden können. Schon unter den Griechen haben sich große Schriftsteller, wennschon wohl nicht mit scharfer wissen-
2) An einer vollſtändigen Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Vereine fehlt es. Einen belehrenden Beitrag hiezu gibt jedoch ebenfalls wieder Fallati, Die ſtatiſtiſchen Vereine der Engländer. Tüb., 1840.
§ 112. 3. Geſchichte und Literatur der Statiſtik.
Die Statiſtik iſt die jüngſte der Staatswiſſenſchaften, in- dem ſie ein bewußtes Daſein und eine beſtimmte Benennung erſt ſeit der Mitte des 18. Jahrhunderts hat. Ihren, trotz ſeiner etymologiſchen Fehlerhaftigkeit, ſchnell in alle europäiſche Sprachen aufgenommenen Namen hat ſie nämlich erſt von Achen- wall in Göttingen erhalten.
Dies iſt allerdings nicht ſo zu verſtehen, als ſeien nicht ſchon in ſehr frühen Zeiten einzelne amtliche ſtatiſtiſche Arbeiten vorgenommen worden. So iſt z. B. Nachricht von Berichten über die Zuſtände des perſiſchen Reiches unter den Achämeniden vorhanden; die Chineſen haben ſchon im Schu-king vielfache ſtatiſtiſche Nachrichten; in Egypten ſcheint ein Kataſter vorhanden geweſen zu ſein. Kaiſer Auguſtus ließ das römiſche Weltreich vermeſſen, die Bevölkerung zählen und vielfache ſonſtige Nach- richten zuſammentragen; die ſpätere notitia dignitatum iſt auf uns gekommen. Im Mittelalter ſind frühe Verzeichniſſe der Lehen und Reichniſſe, Grundbücher und Urbarien entſtanden; das Domesday book Wilhelm’s des Eroberers iſt noch heute von praktiſchem Werthe. Die Berichterſtattungen der venetia- niſchen Geſandten enthalten einen Schatz von Nachrichten über die Zuſtände vieler europäiſcher Länder während mehrer Jahr- hunderte.
Ebenſo hat es nicht an ſchriftſtelleriſchen Arbeiten Einzelner gefehlt, welche mit mehr oder weniger Recht als ſtatiſtiſche be- zeichnet werden können. Schon unter den Griechen haben ſich große Schriftſteller, wennſchon wohl nicht mit ſcharfer wiſſen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0754"n="740"/><noteplace="end"n="2)">An einer vollſtändigen Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Vereine fehlt<lb/>
es. Einen belehrenden Beitrag hiezu gibt jedoch ebenfalls wieder <hirendition="#g">Fallati</hi>,<lb/>
Die ſtatiſtiſchen Vereine der Engländer. Tüb., 1840.</note></div><lb/><divn="3"><head>§ 112.<lb/><hirendition="#b">3. Geſchichte und Literatur der Statiſtik.</hi></head><lb/><p>Die Statiſtik iſt die jüngſte der Staatswiſſenſchaften, in-<lb/>
dem ſie ein bewußtes Daſein und eine beſtimmte Benennung<lb/>
erſt ſeit der Mitte des 18. Jahrhunderts hat. Ihren, trotz<lb/>ſeiner etymologiſchen Fehlerhaftigkeit, ſchnell in alle europäiſche<lb/>
Sprachen aufgenommenen Namen hat ſie nämlich erſt von Achen-<lb/>
wall in Göttingen erhalten.</p><lb/><p>Dies iſt allerdings nicht ſo zu verſtehen, als ſeien nicht<lb/>ſchon in ſehr frühen Zeiten einzelne amtliche ſtatiſtiſche Arbeiten<lb/>
vorgenommen worden. So iſt z. B. Nachricht von Berichten<lb/>
über die Zuſtände des perſiſchen Reiches unter den Achämeniden<lb/>
vorhanden; die Chineſen haben ſchon im Schu-king vielfache<lb/>ſtatiſtiſche Nachrichten; in Egypten ſcheint ein Kataſter vorhanden<lb/>
geweſen zu ſein. Kaiſer Auguſtus ließ das römiſche Weltreich<lb/>
vermeſſen, die Bevölkerung zählen und vielfache ſonſtige Nach-<lb/>
richten zuſammentragen; die ſpätere <hirendition="#aq">notitia dignitatum</hi> iſt auf<lb/>
uns gekommen. Im Mittelalter ſind frühe Verzeichniſſe der<lb/>
Lehen und Reichniſſe, Grundbücher und Urbarien entſtanden;<lb/>
das <hirendition="#aq">Domesday book</hi> Wilhelm’s des Eroberers iſt noch heute<lb/>
von praktiſchem Werthe. Die Berichterſtattungen der venetia-<lb/>
niſchen Geſandten enthalten einen Schatz von Nachrichten über<lb/>
die Zuſtände vieler europäiſcher Länder während mehrer Jahr-<lb/>
hunderte.</p><lb/><p>Ebenſo hat es nicht an ſchriftſtelleriſchen Arbeiten Einzelner<lb/>
gefehlt, welche mit mehr oder weniger Recht als ſtatiſtiſche be-<lb/>
zeichnet werden können. Schon unter den Griechen haben ſich<lb/>
große Schriftſteller, wennſchon wohl nicht mit ſcharfer wiſſen-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[740/0754]
²⁾ An einer vollſtändigen Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Vereine fehlt
es. Einen belehrenden Beitrag hiezu gibt jedoch ebenfalls wieder Fallati,
Die ſtatiſtiſchen Vereine der Engländer. Tüb., 1840.
§ 112.
3. Geſchichte und Literatur der Statiſtik.
Die Statiſtik iſt die jüngſte der Staatswiſſenſchaften, in-
dem ſie ein bewußtes Daſein und eine beſtimmte Benennung
erſt ſeit der Mitte des 18. Jahrhunderts hat. Ihren, trotz
ſeiner etymologiſchen Fehlerhaftigkeit, ſchnell in alle europäiſche
Sprachen aufgenommenen Namen hat ſie nämlich erſt von Achen-
wall in Göttingen erhalten.
Dies iſt allerdings nicht ſo zu verſtehen, als ſeien nicht
ſchon in ſehr frühen Zeiten einzelne amtliche ſtatiſtiſche Arbeiten
vorgenommen worden. So iſt z. B. Nachricht von Berichten
über die Zuſtände des perſiſchen Reiches unter den Achämeniden
vorhanden; die Chineſen haben ſchon im Schu-king vielfache
ſtatiſtiſche Nachrichten; in Egypten ſcheint ein Kataſter vorhanden
geweſen zu ſein. Kaiſer Auguſtus ließ das römiſche Weltreich
vermeſſen, die Bevölkerung zählen und vielfache ſonſtige Nach-
richten zuſammentragen; die ſpätere notitia dignitatum iſt auf
uns gekommen. Im Mittelalter ſind frühe Verzeichniſſe der
Lehen und Reichniſſe, Grundbücher und Urbarien entſtanden;
das Domesday book Wilhelm’s des Eroberers iſt noch heute
von praktiſchem Werthe. Die Berichterſtattungen der venetia-
niſchen Geſandten enthalten einen Schatz von Nachrichten über
die Zuſtände vieler europäiſcher Länder während mehrer Jahr-
hunderte.
Ebenſo hat es nicht an ſchriftſtelleriſchen Arbeiten Einzelner
gefehlt, welche mit mehr oder weniger Recht als ſtatiſtiſche be-
zeichnet werden können. Schon unter den Griechen haben ſich
große Schriftſteller, wennſchon wohl nicht mit ſcharfer wiſſen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/754>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.