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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Holz. Eben so wenig darf man irgend eine Art Metall
an dem Pferdegeschirr suchen. Wir fanden nachmals die
Flüsse so angeschwollen, daß das Wasser bis in unsern
großen Wagen trat, und gratulirten uns, nicht noch zwei
Schuhe niedriger zu sitzen. Unsere Karosse galt aber für
eine voiture monstre in der Wallachei; man spannte uns
acht Pferde vor, und an schwierigen Stellen noch einige
Büffel. Wo es indeß der Weg gestattete, da ging es in
schnellem Galop und unter lautem Schreien der Postillone
davon, die ohne Sattel auf den kleinen Pferden saßen und
fast die Erde mit den Beinen berührten. Das Rufen be-
nachrichtigt schon von weitem die Post, und wenn man in
den umzäunten Hof fährt, stehen die neuen Pferde bereit.

Der Regen goß unaufhörlich vom Himmel, und mein
Hut war so durchweicht, daß ich ihn aus dem Wagen
warf. Zu Crajowa mußten wir, um unsere Pelze zu trock-
nen, zum Bäcker schicken, und erhielten sie, wie eine Art
Backwerk, halb verbrannt zurück. Jn den Dörfern fand
man nichts, weder Essen, noch Trinken, noch Nachtquar-
tier. Selbst die Postämter sind elende Hütten oder eigent-
lich Höhlen in der Erde, mit einem Dach aus Zweigen
überdeckt. Von einer solchen Armuth habe ich mir bisher
keine Vorstellung zu machen gewußt.

Nicht wenig erfreut waren wir, in Bukarest ein Gast-
haus zu finden. Seit Orsowa hatten wir keins gesehen.

Durch unsern Consul wurden wir dem Fürsten Alexan-
der Ghika
vorgestellt und in mehrere Bojaren-Familien
eingeführt. Der Fürst gab uns ein Diner und befahl ein
Exerziren, welches letztere aber wegen heftigen Schnee-
gestöbers abbestellt werden mußte.

Obwohl wir uns fast unter dem nämlichen Breiten-
grade mit Genua befinden, wo ich mich vorigen Jahrs um
diese Zeit des schönsten Sommers erfreute, so ist hier doch
schon Alles in tiefem Winter erstarrt. Wir durchstreifen
indeß die Stadt, die Kasernen und die Salons, und rüsten
uns zur Reise nach Konstantinopel.

Holz. Eben ſo wenig darf man irgend eine Art Metall
an dem Pferdegeſchirr ſuchen. Wir fanden nachmals die
Fluͤſſe ſo angeſchwollen, daß das Waſſer bis in unſern
großen Wagen trat, und gratulirten uns, nicht noch zwei
Schuhe niedriger zu ſitzen. Unſere Karoſſe galt aber fuͤr
eine voiture monstre in der Wallachei; man ſpannte uns
acht Pferde vor, und an ſchwierigen Stellen noch einige
Buͤffel. Wo es indeß der Weg geſtattete, da ging es in
ſchnellem Galop und unter lautem Schreien der Poſtillone
davon, die ohne Sattel auf den kleinen Pferden ſaßen und
faſt die Erde mit den Beinen beruͤhrten. Das Rufen be-
nachrichtigt ſchon von weitem die Poſt, und wenn man in
den umzaͤunten Hof faͤhrt, ſtehen die neuen Pferde bereit.

Der Regen goß unaufhoͤrlich vom Himmel, und mein
Hut war ſo durchweicht, daß ich ihn aus dem Wagen
warf. Zu Crajowa mußten wir, um unſere Pelze zu trock-
nen, zum Baͤcker ſchicken, und erhielten ſie, wie eine Art
Backwerk, halb verbrannt zuruͤck. Jn den Doͤrfern fand
man nichts, weder Eſſen, noch Trinken, noch Nachtquar-
tier. Selbſt die Poſtaͤmter ſind elende Huͤtten oder eigent-
lich Hoͤhlen in der Erde, mit einem Dach aus Zweigen
uͤberdeckt. Von einer ſolchen Armuth habe ich mir bisher
keine Vorſtellung zu machen gewußt.

Nicht wenig erfreut waren wir, in Bukareſt ein Gaſt-
haus zu finden. Seit Orſowa hatten wir keins geſehen.

Durch unſern Conſul wurden wir dem Fuͤrſten Alexan-
der Ghika
vorgeſtellt und in mehrere Bojaren-Familien
eingefuͤhrt. Der Fuͤrſt gab uns ein Diner und befahl ein
Exerziren, welches letztere aber wegen heftigen Schnee-
geſtoͤbers abbeſtellt werden mußte.

Obwohl wir uns faſt unter dem naͤmlichen Breiten-
grade mit Genua befinden, wo ich mich vorigen Jahrs um
dieſe Zeit des ſchoͤnſten Sommers erfreute, ſo iſt hier doch
ſchon Alles in tiefem Winter erſtarrt. Wir durchſtreifen
indeß die Stadt, die Kaſernen und die Salons, und ruͤſten
uns zur Reiſe nach Konſtantinopel.

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[3/0013] Holz. Eben ſo wenig darf man irgend eine Art Metall an dem Pferdegeſchirr ſuchen. Wir fanden nachmals die Fluͤſſe ſo angeſchwollen, daß das Waſſer bis in unſern großen Wagen trat, und gratulirten uns, nicht noch zwei Schuhe niedriger zu ſitzen. Unſere Karoſſe galt aber fuͤr eine voiture monstre in der Wallachei; man ſpannte uns acht Pferde vor, und an ſchwierigen Stellen noch einige Buͤffel. Wo es indeß der Weg geſtattete, da ging es in ſchnellem Galop und unter lautem Schreien der Poſtillone davon, die ohne Sattel auf den kleinen Pferden ſaßen und faſt die Erde mit den Beinen beruͤhrten. Das Rufen be- nachrichtigt ſchon von weitem die Poſt, und wenn man in den umzaͤunten Hof faͤhrt, ſtehen die neuen Pferde bereit. Der Regen goß unaufhoͤrlich vom Himmel, und mein Hut war ſo durchweicht, daß ich ihn aus dem Wagen warf. Zu Crajowa mußten wir, um unſere Pelze zu trock- nen, zum Baͤcker ſchicken, und erhielten ſie, wie eine Art Backwerk, halb verbrannt zuruͤck. Jn den Doͤrfern fand man nichts, weder Eſſen, noch Trinken, noch Nachtquar- tier. Selbſt die Poſtaͤmter ſind elende Huͤtten oder eigent- lich Hoͤhlen in der Erde, mit einem Dach aus Zweigen uͤberdeckt. Von einer ſolchen Armuth habe ich mir bisher keine Vorſtellung zu machen gewußt. Nicht wenig erfreut waren wir, in Bukareſt ein Gaſt- haus zu finden. Seit Orſowa hatten wir keins geſehen. Durch unſern Conſul wurden wir dem Fuͤrſten Alexan- der Ghika vorgeſtellt und in mehrere Bojaren-Familien eingefuͤhrt. Der Fuͤrſt gab uns ein Diner und befahl ein Exerziren, welches letztere aber wegen heftigen Schnee- geſtoͤbers abbeſtellt werden mußte. Obwohl wir uns faſt unter dem naͤmlichen Breiten- grade mit Genua befinden, wo ich mich vorigen Jahrs um dieſe Zeit des ſchoͤnſten Sommers erfreute, ſo iſt hier doch ſchon Alles in tiefem Winter erſtarrt. Wir durchſtreifen indeß die Stadt, die Kaſernen und die Salons, und ruͤſten uns zur Reiſe nach Konſtantinopel.

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/13>, abgerufen am 21.11.2024.