um mit seinem langen Stock eine Feder zu pariren, welche der Zugwind an der Erde hin und her bewegte.
Osman Pascha empfing mit vieler Freundlichkeit zwei Fremde, die aus dem fernen Lande "Trandeburg" kamen. Er ließ uns Kaffee reichen und Pfeifen, und gestattete uns seine Festung zu besehen. Der Pascha ist ein stattlicher Herr mit dickem rothen Bart, aber so unbeschreiblich schlecht logirt, wie bei uns kein Dorfschulze. Sein Pallast ist ein Bretterschuppen, der an ein detachirtes Bastion angeklebt ist. Trotz der empfindlichsten Kälte saßen wir in einem halboffenen Gemach ohne Fensterscheiben. Sehr unnöthiger- weise hatten wir uns in Frack gesetzt, während Se. Excel- lence in zwei bis drei Pelzen, einen größer und weiter als den andern, ganz a son aise erschienen.
Jn der Stadt überraschte uns die Unreinlichkeit der engen Straßen. Die Anzüge der Männer waren roth, gelb, blau, kurz von den schreiendsten Farben, aber alle zerlumpt. Die Frauen schlichen tief verhüllt wie Gespen- ster umher. Alle Wohnungen trugen Spuren des Zerfalls, und an der Festung ist, glaub' ich, seit der Besitznahme kein Ziegel ausgebessert.
Am 31. Oktober setzten wir unsere Reise durch die Wallachei fort. Wenn mein Urtheil über dies Land nicht sehr günstig ausfällt, so muß ich zur Steuer der Wahrheit bemerken, daß ich nur den noch in dem letzten Feldzuge furchtbar verwüsteten Theil gesehen. Vielleicht sind die nördlichen Gegenden besser. Dabei durchzogen wir diese Einöde während eines mehrtägigen unausgesetzten Regens, und es war ein Glück für mich, die mühevolle Reise we- nigstens in angenehmer Gesellschaft zu machen.
Wir hatten uns in Orsowa einen Leiterwagen gekauft, denn die wallachischen Fuhrwerke sind wie Kinderwagen, nicht über 2 Fuß 4 Zoll hoch, und so kurz und eng, daß kaum ein Mensch darin sitzen kann, führte er auch so we- nig Gepäck mit sich, wie wir. An dem ganzen Wagen ist nicht das kleinste Stück Eisen; Nabe, Achse, Alles von
um mit ſeinem langen Stock eine Feder zu pariren, welche der Zugwind an der Erde hin und her bewegte.
Osman Paſcha empfing mit vieler Freundlichkeit zwei Fremde, die aus dem fernen Lande „Trandeburg“ kamen. Er ließ uns Kaffee reichen und Pfeifen, und geſtattete uns ſeine Feſtung zu beſehen. Der Paſcha iſt ein ſtattlicher Herr mit dickem rothen Bart, aber ſo unbeſchreiblich ſchlecht logirt, wie bei uns kein Dorfſchulze. Sein Pallaſt iſt ein Bretterſchuppen, der an ein detachirtes Baſtion angeklebt iſt. Trotz der empfindlichſten Kaͤlte ſaßen wir in einem halboffenen Gemach ohne Fenſterſcheiben. Sehr unnoͤthiger- weiſe hatten wir uns in Frack geſetzt, waͤhrend Se. Excel- lence in zwei bis drei Pelzen, einen groͤßer und weiter als den andern, ganz à son aise erſchienen.
Jn der Stadt uͤberraſchte uns die Unreinlichkeit der engen Straßen. Die Anzuͤge der Maͤnner waren roth, gelb, blau, kurz von den ſchreiendſten Farben, aber alle zerlumpt. Die Frauen ſchlichen tief verhuͤllt wie Geſpen- ſter umher. Alle Wohnungen trugen Spuren des Zerfalls, und an der Feſtung iſt, glaub' ich, ſeit der Beſitznahme kein Ziegel ausgebeſſert.
Am 31. Oktober ſetzten wir unſere Reiſe durch die Wallachei fort. Wenn mein Urtheil uͤber dies Land nicht ſehr guͤnſtig ausfaͤllt, ſo muß ich zur Steuer der Wahrheit bemerken, daß ich nur den noch in dem letzten Feldzuge furchtbar verwuͤſteten Theil geſehen. Vielleicht ſind die noͤrdlichen Gegenden beſſer. Dabei durchzogen wir dieſe Einoͤde waͤhrend eines mehrtaͤgigen unausgeſetzten Regens, und es war ein Gluͤck fuͤr mich, die muͤhevolle Reiſe we- nigſtens in angenehmer Geſellſchaft zu machen.
Wir hatten uns in Orſowa einen Leiterwagen gekauft, denn die wallachiſchen Fuhrwerke ſind wie Kinderwagen, nicht uͤber 2 Fuß 4 Zoll hoch, und ſo kurz und eng, daß kaum ein Menſch darin ſitzen kann, fuͤhrte er auch ſo we- nig Gepaͤck mit ſich, wie wir. An dem ganzen Wagen iſt nicht das kleinſte Stuͤck Eiſen; Nabe, Achſe, Alles von
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[2/0012]
um mit ſeinem langen Stock eine Feder zu pariren, welche
der Zugwind an der Erde hin und her bewegte.
Osman Paſcha empfing mit vieler Freundlichkeit zwei
Fremde, die aus dem fernen Lande „Trandeburg“ kamen.
Er ließ uns Kaffee reichen und Pfeifen, und geſtattete uns
ſeine Feſtung zu beſehen. Der Paſcha iſt ein ſtattlicher
Herr mit dickem rothen Bart, aber ſo unbeſchreiblich ſchlecht
logirt, wie bei uns kein Dorfſchulze. Sein Pallaſt iſt ein
Bretterſchuppen, der an ein detachirtes Baſtion angeklebt
iſt. Trotz der empfindlichſten Kaͤlte ſaßen wir in einem
halboffenen Gemach ohne Fenſterſcheiben. Sehr unnoͤthiger-
weiſe hatten wir uns in Frack geſetzt, waͤhrend Se. Excel-
lence in zwei bis drei Pelzen, einen groͤßer und weiter als
den andern, ganz à son aise erſchienen.
Jn der Stadt uͤberraſchte uns die Unreinlichkeit der
engen Straßen. Die Anzuͤge der Maͤnner waren roth,
gelb, blau, kurz von den ſchreiendſten Farben, aber alle
zerlumpt. Die Frauen ſchlichen tief verhuͤllt wie Geſpen-
ſter umher. Alle Wohnungen trugen Spuren des Zerfalls,
und an der Feſtung iſt, glaub' ich, ſeit der Beſitznahme
kein Ziegel ausgebeſſert.
Am 31. Oktober ſetzten wir unſere Reiſe durch die
Wallachei fort. Wenn mein Urtheil uͤber dies Land nicht
ſehr guͤnſtig ausfaͤllt, ſo muß ich zur Steuer der Wahrheit
bemerken, daß ich nur den noch in dem letzten Feldzuge
furchtbar verwuͤſteten Theil geſehen. Vielleicht ſind die
noͤrdlichen Gegenden beſſer. Dabei durchzogen wir dieſe
Einoͤde waͤhrend eines mehrtaͤgigen unausgeſetzten Regens,
und es war ein Gluͤck fuͤr mich, die muͤhevolle Reiſe we-
nigſtens in angenehmer Geſellſchaft zu machen.
Wir hatten uns in Orſowa einen Leiterwagen gekauft,
denn die wallachiſchen Fuhrwerke ſind wie Kinderwagen,
nicht uͤber 2 Fuß 4 Zoll hoch, und ſo kurz und eng, daß
kaum ein Menſch darin ſitzen kann, fuͤhrte er auch ſo we-
nig Gepaͤck mit ſich, wie wir. An dem ganzen Wagen iſt
nicht das kleinſte Stuͤck Eiſen; Nabe, Achſe, Alles von
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/12>, abgerufen am 03.12.2024.
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