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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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und ein Schwarm Bedienten. -- Wir machen täglich nur
etwa zehn Wegstunden. Auf halbem Wege wird ein Jm-
biß genommen; auf mein Theil kömmt in der Regel eine
unabsehbare Schüssel mit Pillaw, dann ein ganzes gebra-
tenes Lamm aufs Trefflichste bereitet, dann eine süße Schüs-
sel, hierauf Gemüse und wieder süße Speisen, zehn an der
Zahl. Nachdem wir uns so gegen den Hungertod geschützt,
geht es weiter.

Schon weit von Tirnowa bildeten die Einwohner ein
Spalier, die Landwehr paradirte und die griechischen Frauen
standen auf den flachen Dächern und Terrassen, um den
Basileus eintreffen zu sehen. Jch habe nie eine romanti-
schere Lage, als die dieser Stadt, gefunden; denke Dir ein
enges Gebirgsthal, in welchem die Jantra sich ihr tiefes
Felsbett zwischen senkrechten Sandsteinwänden gewühlt hat
und wie eine Schlange in den seltsamsten und capriciöse-
sten Wendungen fortfließt. Die eine Wand des Thals ist
ganz mit Wald, die andere ganz mit Stadt bedeckt. Mit-
ten im Thal erhebt sich ein kegelförmiger Berg, dessen senk-
rechte Felswände ihn zu einer natürlichen Festung machen;
der Fluß schließt ihn ein, wie eine Jnsel, und er hängt
mit der übrigen Stadt nur durch einen 200 Fuß langen
und 40 Fuß hohen natürlichen Felsdamm zusammen, der
aber nur breit genug für den Weg und die Wasserleitung
ist. Jch habe eine so abenteuerliche Felsbildung nie ge-
sehen, und da Effendimis heute in die Moschee zieht, so
hab' ich den Rasttag benutzt, um mittelst einer Aufnahme
dem Terrain sein Geheimniß abzuzwingen.

Nichts anmuthiger als meine griechische Wohnung hier;
ich liebe überhaupt diese unregelmäßigen Gebäude, zu denen
das Bedürfniß den Riß gezeichnet hat. Jn der Mitte fin-
dest Du einen kleinen Hof, einen Garten mit Rosen und
Obstbäumen, rings umher reihen sich eine Treppe hoch in
allerlei Zickzacks die Corridors und geräumigen Gemächer,
welche gegen den Hof ganz offen sind, so daß man in Got-
tes schöner freier Luft wohnt. Die Enden des Corridors

und ein Schwarm Bedienten. — Wir machen taͤglich nur
etwa zehn Wegſtunden. Auf halbem Wege wird ein Jm-
biß genommen; auf mein Theil koͤmmt in der Regel eine
unabſehbare Schuͤſſel mit Pillaw, dann ein ganzes gebra-
tenes Lamm aufs Trefflichſte bereitet, dann eine ſuͤße Schuͤſ-
ſel, hierauf Gemuͤſe und wieder ſuͤße Speiſen, zehn an der
Zahl. Nachdem wir uns ſo gegen den Hungertod geſchuͤtzt,
geht es weiter.

Schon weit von Tirnowa bildeten die Einwohner ein
Spalier, die Landwehr paradirte und die griechiſchen Frauen
ſtanden auf den flachen Daͤchern und Terraſſen, um den
Baſileus eintreffen zu ſehen. Jch habe nie eine romanti-
ſchere Lage, als die dieſer Stadt, gefunden; denke Dir ein
enges Gebirgsthal, in welchem die Jantra ſich ihr tiefes
Felsbett zwiſchen ſenkrechten Sandſteinwaͤnden gewuͤhlt hat
und wie eine Schlange in den ſeltſamſten und capricioͤſe-
ſten Wendungen fortfließt. Die eine Wand des Thals iſt
ganz mit Wald, die andere ganz mit Stadt bedeckt. Mit-
ten im Thal erhebt ſich ein kegelfoͤrmiger Berg, deſſen ſenk-
rechte Felswaͤnde ihn zu einer natuͤrlichen Feſtung machen;
der Fluß ſchließt ihn ein, wie eine Jnſel, und er haͤngt
mit der uͤbrigen Stadt nur durch einen 200 Fuß langen
und 40 Fuß hohen natuͤrlichen Felsdamm zuſammen, der
aber nur breit genug fuͤr den Weg und die Waſſerleitung
iſt. Jch habe eine ſo abenteuerliche Felsbildung nie ge-
ſehen, und da Effendimis heute in die Moſchee zieht, ſo
hab' ich den Raſttag benutzt, um mittelſt einer Aufnahme
dem Terrain ſein Geheimniß abzuzwingen.

Nichts anmuthiger als meine griechiſche Wohnung hier;
ich liebe uͤberhaupt dieſe unregelmaͤßigen Gebaͤude, zu denen
das Beduͤrfniß den Riß gezeichnet hat. Jn der Mitte fin-
deſt Du einen kleinen Hof, einen Garten mit Roſen und
Obſtbaͤumen, rings umher reihen ſich eine Treppe hoch in
allerlei Zickzacks die Corridors und geraͤumigen Gemaͤcher,
welche gegen den Hof ganz offen ſind, ſo daß man in Got-
tes ſchoͤner freier Luft wohnt. Die Enden des Corridors

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[137/0147] und ein Schwarm Bedienten. — Wir machen taͤglich nur etwa zehn Wegſtunden. Auf halbem Wege wird ein Jm- biß genommen; auf mein Theil koͤmmt in der Regel eine unabſehbare Schuͤſſel mit Pillaw, dann ein ganzes gebra- tenes Lamm aufs Trefflichſte bereitet, dann eine ſuͤße Schuͤſ- ſel, hierauf Gemuͤſe und wieder ſuͤße Speiſen, zehn an der Zahl. Nachdem wir uns ſo gegen den Hungertod geſchuͤtzt, geht es weiter. Schon weit von Tirnowa bildeten die Einwohner ein Spalier, die Landwehr paradirte und die griechiſchen Frauen ſtanden auf den flachen Daͤchern und Terraſſen, um den Baſileus eintreffen zu ſehen. Jch habe nie eine romanti- ſchere Lage, als die dieſer Stadt, gefunden; denke Dir ein enges Gebirgsthal, in welchem die Jantra ſich ihr tiefes Felsbett zwiſchen ſenkrechten Sandſteinwaͤnden gewuͤhlt hat und wie eine Schlange in den ſeltſamſten und capricioͤſe- ſten Wendungen fortfließt. Die eine Wand des Thals iſt ganz mit Wald, die andere ganz mit Stadt bedeckt. Mit- ten im Thal erhebt ſich ein kegelfoͤrmiger Berg, deſſen ſenk- rechte Felswaͤnde ihn zu einer natuͤrlichen Feſtung machen; der Fluß ſchließt ihn ein, wie eine Jnſel, und er haͤngt mit der uͤbrigen Stadt nur durch einen 200 Fuß langen und 40 Fuß hohen natuͤrlichen Felsdamm zuſammen, der aber nur breit genug fuͤr den Weg und die Waſſerleitung iſt. Jch habe eine ſo abenteuerliche Felsbildung nie ge- ſehen, und da Effendimis heute in die Moſchee zieht, ſo hab' ich den Raſttag benutzt, um mittelſt einer Aufnahme dem Terrain ſein Geheimniß abzuzwingen. Nichts anmuthiger als meine griechiſche Wohnung hier; ich liebe uͤberhaupt dieſe unregelmaͤßigen Gebaͤude, zu denen das Beduͤrfniß den Riß gezeichnet hat. Jn der Mitte fin- deſt Du einen kleinen Hof, einen Garten mit Roſen und Obſtbaͤumen, rings umher reihen ſich eine Treppe hoch in allerlei Zickzacks die Corridors und geraͤumigen Gemaͤcher, welche gegen den Hof ganz offen ſind, ſo daß man in Got- tes ſchoͤner freier Luft wohnt. Die Enden des Corridors

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/147>, abgerufen am 24.11.2024.