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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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mit der Flasche in der Tasche zu reiten, so dufte ich nun
auch acht Tage wie ein Rosenstock.

Der Großherr findet immer eine Gelegenheit, irgend
ein freundliches Wort an mich zu richten, was hier eine
nicht geringe Auszeichnung ist. Bei aller Unterthänigkeit
der Formen herrscht doch keinesweges der strenge Ernst und
die Abgemessenheit der Etiquette, wie bei uns, und es hat
etwas Gemüthliches, wenn Padischah seine lange Pfeife im
Phaeton "trinkt", auf dessen Rücksitz zwei Pagen sitzen, von
denen jeder einen kleinen weißen Bologneser-Hund auf dem
Schooß hält. Wir reiten mit mächtigen Rosensträußen da-
neben. Jn diesem Styl der Zwanglosigkeit sind auch die An-
reden des Großherrn an seine Unterthanen. Heute war eine
große Austheilung von Ehrenmänteln (Harvani), und wäh-
rend der Sultan oben am Fenster saß, sprach sein erster Se-
kretair für ihn unten im Hofe; da Se. Hoheit aber selbst
mehrmals einfielen, so entspann sich eine Art von Zwie-
gespräch zwischen dem Herrn und seinem redenden Organ.
"Der Hunkjar, unser Kaiser," sagte Wassaf-Effendi, "will,
daß seine Vorschriften pünktlich vollzogen werden; er wird
künftig immer aufs Neue zu euch wiederkehren, um sich
selbst zu überzeugen, ob Alles ausgeführt, was er verord-
net." -- "Ja, aber alle Jahre geht das nicht," schaltete
der Monarch ein, "Hei! Hei! Effendi." -- "Ganz recht,"
fuhr der Redner fort, "jedoch so oft Se. Hoheit es nöthig
finden werden." Wassaf wiederholte nun, daß Effendimis
allen seinen Unterthanen, weß Glaubens sie auch seien, Schutz
und Gerechtigkeit versprächen, und als er eben schließen
wollte, rief Se. Majestät ihm ein Banabak (höre, oder
eigentlich: siehe mich an) zu, und machte ihm bemerklich,
daß er vergessen habe, von der Landwehr zu sprechen, --
daß diese Einrichtung den Schutz und die Vertheidigung
des Heerdes bezwecke, und daß es (mit einem Seitenblick
auf uns) in andern Ländern auch so sei.

Der Großherr hinterläßt sehr bedeutende Summen an
jedem Ort, von welchen zuerst die Einquartierung und alle

mit der Flaſche in der Taſche zu reiten, ſo dufte ich nun
auch acht Tage wie ein Roſenſtock.

Der Großherr findet immer eine Gelegenheit, irgend
ein freundliches Wort an mich zu richten, was hier eine
nicht geringe Auszeichnung iſt. Bei aller Unterthaͤnigkeit
der Formen herrſcht doch keinesweges der ſtrenge Ernſt und
die Abgemeſſenheit der Etiquette, wie bei uns, und es hat
etwas Gemuͤthliches, wenn Padiſchah ſeine lange Pfeife im
Phaeton „trinkt“, auf deſſen Ruͤckſitz zwei Pagen ſitzen, von
denen jeder einen kleinen weißen Bologneſer-Hund auf dem
Schooß haͤlt. Wir reiten mit maͤchtigen Roſenſtraͤußen da-
neben. Jn dieſem Styl der Zwangloſigkeit ſind auch die An-
reden des Großherrn an ſeine Unterthanen. Heute war eine
große Austheilung von Ehrenmaͤnteln (Harvani), und waͤh-
rend der Sultan oben am Fenſter ſaß, ſprach ſein erſter Se-
kretair fuͤr ihn unten im Hofe; da Se. Hoheit aber ſelbſt
mehrmals einfielen, ſo entſpann ſich eine Art von Zwie-
geſpraͤch zwiſchen dem Herrn und ſeinem redenden Organ.
„Der Hunkjar, unſer Kaiſer,“ ſagte Waſſaf-Effendi, „will,
daß ſeine Vorſchriften puͤnktlich vollzogen werden; er wird
kuͤnftig immer aufs Neue zu euch wiederkehren, um ſich
ſelbſt zu uͤberzeugen, ob Alles ausgefuͤhrt, was er verord-
net.“ — „Ja, aber alle Jahre geht das nicht,“ ſchaltete
der Monarch ein, „Hei! Hei! Effendi.“ — „Ganz recht,“
fuhr der Redner fort, „jedoch ſo oft Se. Hoheit es noͤthig
finden werden.“ Waſſaf wiederholte nun, daß Effendimis
allen ſeinen Unterthanen, weß Glaubens ſie auch ſeien, Schutz
und Gerechtigkeit verſpraͤchen, und als er eben ſchließen
wollte, rief Se. Majeſtaͤt ihm ein Banabak (hoͤre, oder
eigentlich: ſiehe mich an) zu, und machte ihm bemerklich,
daß er vergeſſen habe, von der Landwehr zu ſprechen, —
daß dieſe Einrichtung den Schutz und die Vertheidigung
des Heerdes bezwecke, und daß es (mit einem Seitenblick
auf uns) in andern Laͤndern auch ſo ſei.

Der Großherr hinterlaͤßt ſehr bedeutende Summen an
jedem Ort, von welchen zuerſt die Einquartierung und alle

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[141/0151] mit der Flaſche in der Taſche zu reiten, ſo dufte ich nun auch acht Tage wie ein Roſenſtock. Der Großherr findet immer eine Gelegenheit, irgend ein freundliches Wort an mich zu richten, was hier eine nicht geringe Auszeichnung iſt. Bei aller Unterthaͤnigkeit der Formen herrſcht doch keinesweges der ſtrenge Ernſt und die Abgemeſſenheit der Etiquette, wie bei uns, und es hat etwas Gemuͤthliches, wenn Padiſchah ſeine lange Pfeife im Phaeton „trinkt“, auf deſſen Ruͤckſitz zwei Pagen ſitzen, von denen jeder einen kleinen weißen Bologneſer-Hund auf dem Schooß haͤlt. Wir reiten mit maͤchtigen Roſenſtraͤußen da- neben. Jn dieſem Styl der Zwangloſigkeit ſind auch die An- reden des Großherrn an ſeine Unterthanen. Heute war eine große Austheilung von Ehrenmaͤnteln (Harvani), und waͤh- rend der Sultan oben am Fenſter ſaß, ſprach ſein erſter Se- kretair fuͤr ihn unten im Hofe; da Se. Hoheit aber ſelbſt mehrmals einfielen, ſo entſpann ſich eine Art von Zwie- geſpraͤch zwiſchen dem Herrn und ſeinem redenden Organ. „Der Hunkjar, unſer Kaiſer,“ ſagte Waſſaf-Effendi, „will, daß ſeine Vorſchriften puͤnktlich vollzogen werden; er wird kuͤnftig immer aufs Neue zu euch wiederkehren, um ſich ſelbſt zu uͤberzeugen, ob Alles ausgefuͤhrt, was er verord- net.“ — „Ja, aber alle Jahre geht das nicht,“ ſchaltete der Monarch ein, „Hei! Hei! Effendi.“ — „Ganz recht,“ fuhr der Redner fort, „jedoch ſo oft Se. Hoheit es noͤthig finden werden.“ Waſſaf wiederholte nun, daß Effendimis allen ſeinen Unterthanen, weß Glaubens ſie auch ſeien, Schutz und Gerechtigkeit verſpraͤchen, und als er eben ſchließen wollte, rief Se. Majeſtaͤt ihm ein Banabak (hoͤre, oder eigentlich: ſiehe mich an) zu, und machte ihm bemerklich, daß er vergeſſen habe, von der Landwehr zu ſprechen, — daß dieſe Einrichtung den Schutz und die Vertheidigung des Heerdes bezwecke, und daß es (mit einem Seitenblick auf uns) in andern Laͤndern auch ſo ſei. Der Großherr hinterlaͤßt ſehr bedeutende Summen an jedem Ort, von welchen zuerſt die Einquartierung und alle

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/151>, abgerufen am 21.11.2024.