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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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den unpartheiischen Beobachter auf, von diesem Grabe Hek-
tors noch 800 Schritt in derselben Richtung weiter zu einem
hohen Steinhaufen zu schreiten und diesen einen Augenblick
für die eingestürzte Warte über dem Skäischen Thor zu hal-
ten, von welcher Priamus den Kämpfern zusah und wo
der Knabe Andromaches vor dem Helmbusch seines Vaters
erschrak. Dann sieht man vor sich einen 500 Schritte brei-
ten ebenen Raum für die Stadt und hinter sich eine An-
höhe für die Burg des Priamus mit ihren 600 Gemächern.
Diese ganze Höhe ist von drei Seiten durch fast unersteig-
liche Felswände, und das 3- bis 400 Fuß tiefe Thal des
Simois umschlossen; nur die vierte Seite ist zugänglich,
dort eben lag das Skäische oder Dardanische Thor, das
einzige, welches genannt wird; von dort überschaut man
die Quelle des Scamander, das Blachfeld, in welchem die
Kämpfe statt fanden, den Lauf des Simois, die Gräber
Achills und Ajaxs, das Lager der Flotte am sandigen Ufer,
den Jda und Samothraki. Aber noch mehr, auf jener gan-
zen Höhe, sowohl die, welche in meiner Voraussetzung die
Burg, als die, welche die Stadt getragen, entdeckten wir
Fundamente rechtwinklig sich schneidender Mauern, aus
verschiedenartigem Gestein ohne Mörtel gefügt. Nun will
ich keineswegs behaupten, daß diese Fundamente wirklich
aus jener Vorzeit und die Mauern trojanischer Häuser
seien, so wenig ich glaube, daß die Kupfermünzen, die man
uns verkaufte, trojanisches Geld waren. Aber es ist be-
kannt, daß zu Troja's Gedächtniß Tempel gegründet und
Städte getauft wurden. Eine solche Stadt mag leicht auch
auf dem alten Platz von Jlium gestanden haben, mag aus
den Ruinen des alten Pergam erbaut worden sein, und
solche Tempel mögen die viele Säulenfriese und Capitäler
geliefert haben, welche den ganzen Begräbnißplatz des arm-
seligen Dörfchens Bunarbaschi überdecken.

Zu den merkwürdigsten Gegenständen dieser interessan-
ten Gegend gehören die Grabhügel; der des Achill ist von

den unpartheiiſchen Beobachter auf, von dieſem Grabe Hek-
tors noch 800 Schritt in derſelben Richtung weiter zu einem
hohen Steinhaufen zu ſchreiten und dieſen einen Augenblick
fuͤr die eingeſtuͤrzte Warte uͤber dem Skaͤiſchen Thor zu hal-
ten, von welcher Priamus den Kaͤmpfern zuſah und wo
der Knabe Andromaches vor dem Helmbuſch ſeines Vaters
erſchrak. Dann ſieht man vor ſich einen 500 Schritte brei-
ten ebenen Raum fuͤr die Stadt und hinter ſich eine An-
hoͤhe fuͤr die Burg des Priamus mit ihren 600 Gemaͤchern.
Dieſe ganze Hoͤhe iſt von drei Seiten durch faſt unerſteig-
liche Felswaͤnde, und das 3- bis 400 Fuß tiefe Thal des
Simois umſchloſſen; nur die vierte Seite iſt zugaͤnglich,
dort eben lag das Skaͤiſche oder Dardaniſche Thor, das
einzige, welches genannt wird; von dort uͤberſchaut man
die Quelle des Scamander, das Blachfeld, in welchem die
Kaͤmpfe ſtatt fanden, den Lauf des Simois, die Graͤber
Achills und Ajaxs, das Lager der Flotte am ſandigen Ufer,
den Jda und Samothraki. Aber noch mehr, auf jener gan-
zen Hoͤhe, ſowohl die, welche in meiner Vorausſetzung die
Burg, als die, welche die Stadt getragen, entdeckten wir
Fundamente rechtwinklig ſich ſchneidender Mauern, aus
verſchiedenartigem Geſtein ohne Moͤrtel gefuͤgt. Nun will
ich keineswegs behaupten, daß dieſe Fundamente wirklich
aus jener Vorzeit und die Mauern trojaniſcher Haͤuſer
ſeien, ſo wenig ich glaube, daß die Kupfermuͤnzen, die man
uns verkaufte, trojaniſches Geld waren. Aber es iſt be-
kannt, daß zu Troja's Gedaͤchtniß Tempel gegruͤndet und
Staͤdte getauft wurden. Eine ſolche Stadt mag leicht auch
auf dem alten Platz von Jlium geſtanden haben, mag aus
den Ruinen des alten Pergam erbaut worden ſein, und
ſolche Tempel moͤgen die viele Saͤulenfrieſe und Capitaͤler
geliefert haben, welche den ganzen Begraͤbnißplatz des arm-
ſeligen Doͤrfchens Bunarbaſchi uͤberdecken.

Zu den merkwuͤrdigſten Gegenſtaͤnden dieſer intereſſan-
ten Gegend gehoͤren die Grabhuͤgel; der des Achill iſt von

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[170/0180] den unpartheiiſchen Beobachter auf, von dieſem Grabe Hek- tors noch 800 Schritt in derſelben Richtung weiter zu einem hohen Steinhaufen zu ſchreiten und dieſen einen Augenblick fuͤr die eingeſtuͤrzte Warte uͤber dem Skaͤiſchen Thor zu hal- ten, von welcher Priamus den Kaͤmpfern zuſah und wo der Knabe Andromaches vor dem Helmbuſch ſeines Vaters erſchrak. Dann ſieht man vor ſich einen 500 Schritte brei- ten ebenen Raum fuͤr die Stadt und hinter ſich eine An- hoͤhe fuͤr die Burg des Priamus mit ihren 600 Gemaͤchern. Dieſe ganze Hoͤhe iſt von drei Seiten durch faſt unerſteig- liche Felswaͤnde, und das 3- bis 400 Fuß tiefe Thal des Simois umſchloſſen; nur die vierte Seite iſt zugaͤnglich, dort eben lag das Skaͤiſche oder Dardaniſche Thor, das einzige, welches genannt wird; von dort uͤberſchaut man die Quelle des Scamander, das Blachfeld, in welchem die Kaͤmpfe ſtatt fanden, den Lauf des Simois, die Graͤber Achills und Ajaxs, das Lager der Flotte am ſandigen Ufer, den Jda und Samothraki. Aber noch mehr, auf jener gan- zen Hoͤhe, ſowohl die, welche in meiner Vorausſetzung die Burg, als die, welche die Stadt getragen, entdeckten wir Fundamente rechtwinklig ſich ſchneidender Mauern, aus verſchiedenartigem Geſtein ohne Moͤrtel gefuͤgt. Nun will ich keineswegs behaupten, daß dieſe Fundamente wirklich aus jener Vorzeit und die Mauern trojaniſcher Haͤuſer ſeien, ſo wenig ich glaube, daß die Kupfermuͤnzen, die man uns verkaufte, trojaniſches Geld waren. Aber es iſt be- kannt, daß zu Troja's Gedaͤchtniß Tempel gegruͤndet und Staͤdte getauft wurden. Eine ſolche Stadt mag leicht auch auf dem alten Platz von Jlium geſtanden haben, mag aus den Ruinen des alten Pergam erbaut worden ſein, und ſolche Tempel moͤgen die viele Saͤulenfrieſe und Capitaͤler geliefert haben, welche den ganzen Begraͤbnißplatz des arm- ſeligen Doͤrfchens Bunarbaſchi uͤberdecken. Zu den merkwuͤrdigſten Gegenſtaͤnden dieſer intereſſan- ten Gegend gehoͤren die Grabhuͤgel; der des Achill iſt von

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/180>, abgerufen am 27.11.2024.